Er ist der Mann der satirischen Intervention, dessen Plakate zu Klassikern geworden sind: der in Heidelberg lebende Klaus Staeck. An diesem Mittwoch wird er achtzig Jahre alt – und vermutlich leidet er wie ein Hund am Niedergang der SPD.

Stuttgart - Wahrscheinlich hat er Schmerzen. Große Schmerzen. Jede Zeitungsmeldung, jedes Nachrichtenportal, das die neuesten Personalquerelen, die aktuellsten Umfrageabstürze der SPD vermeldet, muss sich wie ein glühender Spieß in das links schlagende Herz von Klaus Staeck bohren. Aushalten kann er den Niedergang der Genossen vermutlich nur, weil sein genialischer Humor ihm stets geholfen hat, den Problemen der Welt trotzig ins Gesicht zu lachen. An diesem Mittwoch feiert der Künstler, Karikaturist und Verleger seinen achtzigsten Geburtstag.

 

Über Jahrzehnte war er der witzigste Wahlkampfhelfer der deutschen Sozialdemokratie. Willy Brandt und Helmut Schmidt, Oskar Lafontaine und Johannes Rau bekamen durch Staecks Plakatpointen Feuerschutz in den Meinungsschlachten. Erst kürzlich erklärte der Künstler anlässlich der Eröffnung seiner großen, noch bis zum 8. April laufenden Retrospektive im Essener Folkwangmuseum, dass er von „Jammerkultur“ nichts halte.

Der in Bitterfeld geborene Sohn eines Steuerbevollmächtigten hat das Plakat zur satirischen Form und die politische Kultur der Bundesrepublik bunter gemacht. Parteien und Politikergesichter werden auf seinen Wandanschlägen nicht wie Hustensaft beworben. Nein, Klaus Staeck denkt um die Ecke und spitzt zu. Er piesackte Franz Josef Strauß und die Bildzeitung, nahm alte und neue Nazis ebenso ins Visier wie die internationale Waffenlobby: „Alle reden vom Frieden. Wir nicht.“ Bezeichnenderweise haben viele Plakatklassiker nichts von ihrer gesellschaftlichen Aktualität verloren. Doch auch auf jüngste Entwicklungen weiß Staeck zu reagieren. 2017 erst erschien eine Postkartenedition zur Fake-News-Debatte: Donald Trump als fliegender Lügenbaron Münchhausen.

Bild, Text und beißende Ironie

Sozialhistorisch ist Staeck ein Kind der Achtundsechziger. Über seinen 1965 gegründeten Produzentenverlag, der Auflagenobjekte von Joseph Beuys, Dieter Roth und Wolf Vostell herausbrachte, wurde der künstlerische Autodidakt zum kreativen Anpacker, der seine Bildstrategie von den Aktionen der Studentenbewegung gelernt hatte: bekannte Slogans oder Symbole verfremden und das Bild mit dem Text in beißender Ironie vereinen. So auf seinem wohl bekanntesten Werk aus dem Jahr 1972: „Deutsche Arbeiter! Die SPD will euch eure Villen im Tessin wegnehmen“, steht da über einem schmucken modernistischen Anwesen. Nanu? Arbeiter besitzen doch keine Villen? Genau! Der polternde Warnruf stellt die damals von der CDU geschürten Enteignungsängste als absurd bloß. Dass sich das abgebildete Gebäude nicht im mediterranen Südzipfel der Schweiz, sondern in der Stuttgarter Eduard-Pfeiffer-Straße befindet, schmälert die Schlagkraft des Scherzes nur unwesentlich. Staecks Oeuvre ist komplexer durchkomponiert als die Agitprop-Flachheiten der radikalen Linken, doch provozierte es umso mehr. 1976 brannten dem CDU-Mann Philipp Jenninger die Sicherungen durch. Der spätere Bundestagspräsident riss bei einer Ausstellung ein Plakat herunter. „Seit Chile wissen wir genauer, was die CDU von Demokratie hält!“, stand darauf. Bezugspunkt war die Verteidigung der Pinochet-Diktatur durch einen Parteifreund Jenningers.

Dicke Kulturbretter bohren

Wichtig ist Staeck, dass all dies aus der Unabhängigkeit des freien Künstlers entstanden ist. Bezahlte Aufträge von Parteien habe er nie erhalten. Für den Lebensunterhalt sorgte der selbst organisierte Verkauf der Arbeiten über die Edition Staeck in Heidelberg, wo er auch lebt. Seinesatirischen Interventionenim öffentlichen Raum hat der Kunstquerulant zwischenzeitlich zurückgefahren, um in der kulturellen Verbandsarbeit dicke Bretter zu bohren. Von 2006 bis 2015 leitete er als Präsident die Berliner Akademie der Künste, wobei sich auch der ursprünglich erlernte Brotberuf des Juristen als nützlich erwies. In seiner Amtszeit hat Staeck versucht, die Außenwirkung der Akademie zu stärken, lud immer wieder zu Gesprächsrunden ein und ermunterte Kollegen, sich einzubringen. Denn das gesellschaftliche Engagement eines Künstlers, so der Ästhet der aufrechten Haltung, müsse über den Bildrand hinausreichen: „Demokratie kommt nicht aus der Steckdose.“