Philipp Riederle ist 18 Jahre alt und zufällig zum Star im Web 2.0 geworden: als Deutschlands jüngster Unternehmensberater. Er erklärt der Welt, wie Internet und iPhone wirklich funktionieren.

Berlin - Kaffee einzuschenken, das muss Deutschlands jüngster Unternehmensberater noch lernen. „Passen Sie bitte auf“, sagt er, während er aufspringt und vorsichtig die Kanne aufschraubt, „da kommt alles auf einmal raus. Ich habe mich heute schon einmal komplett umgezogen“.

 

Philipp Riederle lächelt gequält. Wenn man nicht wüsste, dass er gerade sein Mathe-Abi abgelegt hat, würde man ihn für einen Studenten halten. Für einen dieser Gescheitelten, der in den Semesterferien von der US-Ostküste, Yale oder Boston, nach Hause gekommen ist, um Golf zu spielen und nebenbei die Betriebsergebnisse des väterlichen Betriebs zu überfliegen. Das grasgrüne Polohemd von Ralph Lauren verleiht ihm etwas Preppy-haftes.

Riederle ist eine Art Blindenhund für über 35-Jährige

Der 18-Jährige ist Entrepreneur, Podcaster, Speaker, Unternehmensberater, so steht es auf seiner Homepage. Der Autor fehlt noch in dieser Liste. Gerade hat er sein erstes Buch veröffentlicht. Es erzählt davon, wie er eher zufällig zu einem Star im Web 2.0 wurde. Das Buch heißt „Wer wir sind und was wir wollen. Ein Digital Native erklärt seine Generation“.

Man kommt sich als vor 1975 Geborener plötzlich uralt vor, wenn man ihm jetzt in einer Berliner Buchhandlung gegenübersitzt und er einem einreden will, dass ein Graben die Menschheit teilt. Nämlich in jene Einwohner, die mit dem Internet aufgewachsen sind – und in alle anderen. Die, so suggeriert der Autor, bräuchten quasi einen Blindenhund, weil sie in dieser digitalen Umgebung fremdelten. Vielleicht liegt es daran, dass er das Buch seinem Opa Eugen widmet, einem Elektromeister im Ruhestand. Er sagt, von dem habe er viel gelernt. Das Fahrradfahren zum Beispiel. Doch spätestens beim Handy hörten die Gemeinsamkeiten auf. „Mein Opa hat ein Siemens C55“, sagt er. „So ein Gerät, das man zehn Meter weit werfen kann, und das dann immer noch funktioniert.“ Kein Vergleich mit seinem ersten iPhone. Er war dreizehn, als er sich das aus Amerika mitbringen ließ. So fing seine Karriere an. Mit der Suche nach einer Gebrauchsanweisung, die jeder verstand.

Der Achtklässler macht sich einfach selber schlau

Riederle holt tief Luft, bevor er erzählt, wie oft er beim Hersteller anrief, um sich Tipps zu holen. „Die wollten mit niemandem etwas zu tun haben. Man musste die quasi anbetteln.“ So kam ihm die Idee, sich selber schlau zu machen und die Ergebnisse seiner Recherchen zu teilen. „Ich dachte mir, wenn es mich interessiert, interessiert es vielleicht auch andere.“

Das war 2008. Riederle baute eine Videokamera in seinem Kinderzimmer auf und erklärte imaginären Zuschauern anschaulich, was man mit diesem Web 2.0 für die Hosentasche alles anstellen kann. Er nannte sich jetzt Phipz. Er stellte die Filme ins Netz und wartete, was passierte. Schnell sprach sich herum, dass sich ein Achtklässler aus dem schwäbisch-bayerischen Burgau traute, Anzugträgern ihr liebstes Spielzeug zu erklären. Ein Jahr später schaffte er es mit seiner Sprechstunde in die Top Ten der Podcast-Charts. Der Kult um die Marke Apple machte ihn bekannt. Es war seine Chance, und er nutzte sie. Nach dem iPhone nahm er sich das iPad vor.

Inzwischen, räumt er ein, sei das Apple-Fieber ein wenig abgeklungen. Die Fans seines Podcasts hat das nicht gestört. Vermutlich hat er nur deswegen pro Folge bis zu 30 000 Zuschauer damit erreicht, weil er auch auf die Schwachstellen hingewiesen hat. Doch das Smartphone ist nur noch ein Thema unter vielen, seit er seine eigene Beratungsfirma gegründet hat. Geschäftsführer ist sein Vater Martin, Chef einer Firma für Innenausbau. Der Sohn hat den Unternehmergeist praktisch geerbt.

Inzwischen hat er sogar eine eigene Agentin

Seit seinem 15. Lebensjahr erklärt er den Chefs weltumspannender Konzerne wie Audi, wie sie das Internet nutzen können, um jene Kunden zu erreichen, die sich lieber ein Auto leihen als eines zu kaufen. Wenn er dabei Vorträge hält, zeigt er Bilder aus seinen ersten Podcasts. Man sieht einen Bub, der da wie ein Fragezeichen steht und drauflos quatscht. Man sieht die Tür und das Schild daran: „Betreten der Baustelle verboten.“ Solche Bilder passen gut zu seiner Show, und damit die noch professioneller wird, hat er jetzt dieses Buch geschrieben. Zugeben würde er das natürlich nicht. Er hat jetzt eine eigene Agentin. Sie ist dabei, wenn er Interviews gibt. Er sagt, das Buch sei auch für Eltern, insbesondere für solche, die Facebook für eine Seuche hielten oder einen digitalen Marterpfahl. „Die fragen mich: Warum daddelt mein Kind den ganzen Tag? Hat es keine Freunde?“

Sein Terminkalender ist bis Mitte 2014 voll

Die Antworten stehen im Buch. Er braucht nur die richtigen Kapitel aufschlagen, schon hat er ein pointiertes Statement parat. „Wir haben mehr, längere und tiefergehende Freundschaften.“ Das ist eine von vielen Binsenweisheiten, doch aus seinem Mund, mit bayerischem Rrrr gerollt, klingen sie gleich provokanter. Da verzeihen ihm auch Mittdreißiger, dass er sie in eine Schublade mit seinem Opa Eugen steckt.

Wo er denn in fünf Jahren gerne stehen würde, wird er vor seiner Lesung in Berlin gefragt. Ach, sagt er da und seufzt, sein Terminkalender sei schon bis Mitte 2014 voll. Danach wolle er studieren, na klar. Was, wisse er jedoch noch nicht. Vielleicht reise er auch erstmal um die Welt. Die digitalen Ureinwohner, ahnt man da, stehen dem Rest der Menschheit also doch viel näher, als er es seinen Lesern einreden möchte. Eine beruhigende Erkenntnis, irgendwie.