Er ist der Chefredakteur einer Ein-Mann-Online-Zeitung und seit kurzem Grimme-Online-Award-Besitzer: Stefan Sichermann verbreitet auf seinem Blog „Der Postillon“ Kalauer im Newsticker-Stil – und hat damit großen Erfolg.

Stuttgart – - Er ist der Chefredakteur einer Ein-Mann-Online-Zeitung: Für die Idee der Satire im Nachrichten-Stil hat der „Postillon“-Macher Stefan Sichermann vor kurzem den Grimme-Online-Award gewonnen – und zwar in der Kategorie Information.
Herr Sichermann, haben Sie telepathische Fähigkeiten oder einen heißen Draht zur Bundesregierung?
Wohl eher Empathie, wenn Sie auf meinen Artikel über Steffen Seibert anspielen ..
. . .genau, auf die Schlagzeile: „Was machst Du eigentlich hier? Stimmen im Kopf des Regierungssprechers werden immer lauter.“ Von so einem Scoop können seriöse Medien im Sommerloch bloß träumen.
Ja, das stimmt. Ich bin da ein flexibler, weil ich nicht so auf hinderliche Dinge wie Quellen oder Fakten angewiesen bin. Ich genieße Narrenfreiheit, das ist praktisch.
Und das eröffnet Ihnen ungewohnte Einsichten – zum Beispiel in den Kopf des Regierungssprechers?
Ja, Steffen Seibert ist einer, der mal so was Ähnliches wie ein Journalist war. Für mich ist es völlig unverständlich, wie er das eine und das andere miteinander vereinbaren kann. Er hat ja ziemlich herumgeeiert, als er sich zu dem Überwachungsskandal der NSA äußern musste. Ich habe mir dann vorgestellt, wie er innerlich mit sich hadert.
Sie bloggen solche Kalauer im Newsticker-Stil – und die werden angeblich von mehr Nutzern auf Facebook geteilt als die Artikel auf tagesschau.de und FAZ.net zusammen. Oder ist das auch ein Witz?
Nein, als das gemeldet wurde, hatte ich einen guten Monat. Im April wurden meine Texte 200 000 mal geteilt. Damit spiele ich tatsächlich in der Top Ten der überregionalen Zeitungen.
Sind Ihre als News getarnten Witze ein Plädoyer dafür, nicht alles zu glauben, was einem die Medien als Nachrichten verkaufen?
Sicherlich. Ich denke mir aber nicht immer etwas dabei. Ich unterhalte einfach gerne.
Aber wenn Sie melden, „500. Medienbericht kritisiert Bushidos plumpen Versuch, in die Medien zu kommen“, dann schwingt da schon Kritik an der medialen Erregungsökonomie mit, oder?
Natürlich. Man sieht ja an diesem Beispiel, dass der Plan aufgegangen ist. Alleine die „Bild“-Zeitung hat die Geschichte mit sieben Artikeln ausgeschlachtet. Sie hat am Ende dasselbe gemacht wie Bushido, indem sie dessen Pöbelei verbreitet hat.
Ist es ein Zufall, dass Sie den meisten Zulauf über Facebook bekommen?
Nein, als Medium kommt mir Facebook sehr entgegen, weil Leser gerne Dinge teilen, die sie lustig finden oder die sie empören. Diese Erwartung kann ich teilweise gut bedienen. Man versteht meine Meldungen schnell. Das ist gut, wenn man es eilig hat.