In der Tat hat sich die Medienrezeption mit der Wissensmaschine Internet verändert: Medien werden nicht mehr vor allem deshalb konsumiert, um sich eine möglichst umfassende Sicht auf die Welt zu verschaffen. Es gibt auch den Wunsch, sich vor allem mit der eigenen Meinung wiederzufinden. Der Medienforscher Bernhard Pörksen nennt die Entwicklung das Zeitalter der gefühlten Repräsentationskrise. „Man kann nun eigene Bestätigungsmilieus gründen, sich in eine spezielle Wirklichkeit hineingoogeln, und dann die Frage stellen: Woran liegt das eigentlich, dass das, was ich denke, und das, was scheinbar die vielen anderen denken, dass das gar nicht in der Heimatzeitung meines Vertrauens oder in der großen Qualitätszeitung aus München oder aus Frankfurt vorkommt?“, sagt er in einem Interview mit dem Deutschlandradio. Jeder werde zum Regisseur seiner eigenen Welterfahrung.

 

Und aus dem rechten Spektrum finden Regisseure viele Akteure, die für sie spielen möchten: „Alternative Medien“ bieten eine extrem rechte Weltsicht, wilde Verschwörungstheorien – und das Versprechen, endlich die Dinge aufzudecken, die die etablierten Medien angeblich verschweigen. Zu den bekanntesten Angeboten gehören der Blog PI-News, das Onlineportal KenFM des ehemaligen Berliner Radiomoderators Ken Jebsen und das Monatsmagazin „Compact“ des ehemaligen Linken Jürgen Elsässer, der Pegida unterstützt, auf Konferenzen zum Widerstand aufruft und gerne hätte, dass Systemgegner von links bis rechts sich zu einer Querfront zusammenschließen. Zu den Vorstellungen, die da verbreitet werden – und die Teilnehmer von Pegida- oder AfD-Demos einem wie Fakten präsentieren, gehört beispielsweise die vom großen geheimen Plan zur Abschaffung des deutschen Volkes, dem sich „die Politik“ und „die Medien“ verschrieben hätten. Oder die von der Nato, die hinter dem Anschlag auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ stecke. Es werde leider einfach geglaubt, was im Netz stehe, schreibt Deckow – „ohne auch nur die Quelle zu kennen, geschweige denn kritisch zu hinterfragen.“

Auch Nadine Lindner vom Deutschlandfunk beobachtet die Demonstrationen von Anbeginn. Von ihr stammt das Foto des Galgens für Angela Merkel und Sigmar Gabriel, das zu Ermittlungen führte. Als sich das Bild auf Twitter verbreitete, habe sie versucht, sich klarzumachen, was das für ihre Situation bedeute, sagt Lindner. Erfahrungen mit harter Ansprache hatte sie bereits. Seit sie berichtet, kennt sie wütende Zuschriften und verklausulierte Gewaltdrohungen. Manchmal wird es auch direkt. „Erschießt die Fotze“, schrieb ein Mann auf Facebook unter ihren Beitrag. Sie hat Anzeige erstattet. Woher kommt die Wut? Auf der Straße, so Lindner, treffe sie auf viele Menschen, bei denen sie spüre, dass diese sich diffamiert fühlten und aus ihrer Sicht zu einer Art Gegenwehr ansetzten. „Am Anfang gab es auch mal Dialoge mit Menschen, die einfach neugierig waren. Inzwischen hat sich das geändert. Es gibt immer Leute, die einen beschimpfen.“