Das Schicksal von Jan Ullrich ist auch bei der Deutschland-Tour ein großes Thema. Ein Weggefährte glaubt, dass Til Schweiger Ullrich das Leben gerettet habe. Und welche Rolle spielt Ullrichs Ex-Manager?

Stuttgart - Als am 28. Mai 1999 in Berlin die Deutschland-Tour nach 17 Jahren Pause wieder auf die Reise ging, hatte das vor allem einen Grund. Und der hieß Jan Ullrich. „Ulle“, wie in Deutschland liebevoll nannte, hatte mit seinem Sieg bei der Tour de France 1997 das Land verzückt. Deutschland verliebte sich. Und Radsport war plötzlich chic. Potenzielle Sponsoren witterten positive Aufmerksamkeit – und so wurde die nationale Rundfahrt wieder aus der Mottenkiste geholt.

 

Für Jan Ullrich stand die aber unter keinem guten Stern, er stürzte bei der dritten Etappe schwer, musste aufgeben und danach auch die Tour de France absagen. Als am 6. September 2008 in Bremen die neue Deutschland Tour nach zehn Auflagen erneut zu Grabe getragen wurde, hieß der Hauptgrund wieder Jan Ullrich. Der Superstar war zum bösen Buben mutiert, der seit 2006 trotz hartnäckigem Leugnen nicht aus den Dopingschlagzeilen herauskam. Ullrich trat 2007 als Rennfahrer zurück, die Sponsoren und das Fernsehen verloren die Lust, die nationale Rundfahrt wurde eingestellt.

Jetzt ist sie wieder da, als zartes Pflänzchen, das wachsen soll, während der 44-jährige Ullrich seinen menschlichen und gesundheitlichen freien Fall in einer Entzugsklinik in Bayern aufzuhalten versucht. Es gehe ihm „schon viel besser“, sagte er am Freitag in der „Bild“.

Nur wenige äußern sich – offiziell

Ob das der Wahrheit entspricht, wird sich zeigen müssen. Die Zeitung „Die Welt“ will allerdings Informationen haben, dass laut Lance Armstrong angeblich Ullrich die Klinik am Abend verlasse und morgens in einem schlechten Zustand zurückkehre. Armstrong hat seinen ehemaligen Rivalen jüngst besucht.

Die Deutschland-Tour läuft also ohne Ullrich, aber als Thema ist er trotzdem präsent. Nicht für die allermeisten Profis, die waren meist noch im Kindergarten, als Jan Ullrich 1997 zum Star aufstieg. Und sie waren noch keine Profis, als der Rostocker 2006 aus dem Sattel steigen musste. Nur André Greipel (36) war da schon aktiv, sogar in Ullrichs Team T-Mobile. Greipel war aber damals noch Nachwuchsfahrer und hatte wenig Kontakt zu Ullrich. Und zum Absturz des einstigen Stars sagt er wie nahezu alle seiner Kollegen nichts.

Das Abwinken beim Thema Ullrich kommt im Umfeld der Tour nahezu reflexartig. Lediglich Ex-Kollege Matthias Kessler und auch Rolf Aldag, der gut zehn Jahre an der Seite von Ullrich Rennen fuhr und auch zum Tourteam 1997 gehörte, lassen sich zitieren und drücken ihre Erschütterung aus und die Hoffnung, dass Ullrich wieder die Kurve kriegt. „Wir sind viele Jahre zusammen gefahren und haben großartige Zeiten zusammen erlebt. Das würde ich niemandem meiner ehemaligen Teamkollegen, Konkurrenten oder irgendjemand anderem wünschen“, sagte Aldag. Das teilen wohl alle in der Szene, wollen damit aber nicht in die Öffentlichkeit. Aber nach dem Abwinken geben sie dann doch Einschätzungen und angebliche Fakten zum Besten, die einen gruseln lassen.

Ohne Till Schweiger wäre Jan Ullrich tot, sagt einer

Demnach hat sich Ullrich nicht mit Kokain, Alkohol und Amphetaminen zugedröhnt, weil ihn seine Frau im Frühjahr mit den drei Söhnen verlassen hat, Sara Steinhauser soll andersrum wegen Ullrichs Drogeneskapaden zurück ins Allgäu gezogen sein. Schockiert zeigen sich alle von einem Video, das zunächst nur in der Szene, mittlerweile aber auch in Teilen auch auf facebook zu sehen ist. Der Streifen zeigt Ullrich als wirr redendes menschliches Wrack, der unter anderem damit angibt, in ein paar Stunden 900 Zigaretten geraucht zu haben. Der Tenor ist einhellig: Dieser Mensch auf dem Clip ist nicht der Jan Ullrich, den man kenne. Denn der sei eigentlich ein netter Kerl und nullkommanull aggressiv.

Falsche Berater zögen den Mann nach unten, allen voran ein deutscher Unternehmer namens Gerd K., dem Ullrich eine Generalvollmacht erteilt haben soll. Ole Ternes, bis 2017 Ullrichs Manager, lässt sich dazu sogar zitieren. „Was der Gerd K mit Jan macht, empfinde ich als hochkriminell“, sagte Ternes dem „Focus“. Derweil rollt die Deutschland-Tour weiter, das Thema Ullrich im Hintergrund mit. Am Ende will dann einer der engen alten Weggefährten dann doch noch etwas loswerden – ohne Namen natürlich. Seine Einschätzung: Hätte Til Schweiger das Drama nicht öffentlich gemacht und Ullrich zum Handeln gezwungen, wäre der heute schon tot.