Anthony Hopkins war immer schon ein guter Schauspieler. Aber als kannibalischer Serienkiller Hannibal Lecter hat er sich in drei Filmen in die Kinogeschichte eingebrannt. Keiner spielt einen waschechten Teufel – oder einen stillen, undurchschaubaren Mann – so gut wie er.

Stuttgart - Bloß keine Fesseln, bloß keine Einengungen, das wünschen sich naivere Schauspieler für ihre Figuren normalerweise, also die größtmögliche innere und äußere Freiheit, die Chance auf wilde, unerwartete Kapriolen aller Art. Das, glauben die weniger Schlauen im Gewerbe , biete ihnen die Möglichkeit, sich auffällig zu präsentieren und bringe sie in Reichweite eines Oscars.

 

Sie alle sollten sich aber noch einmal gut anschauen, wie der Brite Anthony Hopkins, der am 31. Dezember vor achtzig Jahren geboren wurde, weltberühmt wurde und einen Hauptrollen-Oscar erlangte. Hopkins’ Figur steckte da in einer der eindringlichsten Szenen eingeschnürt in eine Zwangsjacke, trug eine Gittermaske als Beißattackenblocker vor dem Gesicht und wurde auf einer Sackkarre umhergefahren wie ein altes Möbelstück auf dem Weg in die Einlagerungshalle. Anthony Hopkins spielte 1991 in Jonathan Demmes „Das Schweigen der Lämmer“ den kannibalischer Serienkiller Hannibal Lecter, der sich zu Filmbeginn schon in der Hightech-Variante eines mittelalterlichen Verlieses befand. Wenn er nicht auf der Sackkarre umhergeschoben wurde, saß er in einer kleinen Zelle, deren Frontwand aus Panzerglas bestand. Weniger Raum für Kapriolen hatte selten einer.

Über alle Schranken hinweg

Hopkins hat seinen Lecter der Kino- und Krimigeschichte eher eingebrannt als hinzugefügt. Wie in der Vorlage, dem Roman von Thomas Harris, war dieses Monstrum zugleich Philosoph, war der Grausame ein Feingeist, der Gewaltmensch ein Ästhet. Dieser Lecter war eine moderne Variante der alten Teufelserscheinungen, also nicht das plumpe, sondern das ausdifferenzierte Böse, war die Verkörperung einer Klugheit, die sich über alle moralischen Schranken hinweg setzt. Das musste man erst mal spielen können, ohne einen Popanz vor die Kamera zu bringen.

Harris schaffte es mit eisiger Ruhe, mit einer spöttischen Zurückhaltung, die schrankenlose Begierden durchblitzen ließ. Man bekam wirklich Angst um Körper- und Seelenheil der von Jodie Foster gespielten jungen FBI-Agentin, die mit diesem Mann verhandeln musste.

Unheimlich wie ein stiller See

Nicht alles zeigen, was da ist, den stillen See von unheimlicher Tiefe zu spielen, in der Fesselung das Bedürfnis nach Entfesselung spüren zu lassen – das hat Hopkins nach „Schweigen der Lämmer“ immer wieder perfekt vorgeführt. Als Butler eines Lords in James Ivorys Kazuo-Ishiguro-Verfilmung „Was vom Tage übrig blieb“ (1993) ist er ebenso großartig wie als Klinikleiter und Cornflakes-Erfinder William Kellogg in Alan Parkers „Willkommen in Wellville“ (1994) oder als wunderlicher alter Mann auf der Flucht vor seltsamen Feinden in Scott Hicks’ „Hearts in Atlantis“ (2001).

Nicht nur in der Lecter-Rolle, die er in zwei weiteren Filmen übernahm, konnte Hopkins einen mit bloßen Blicken zu einem Kind schrumpfen lassen, zu einem, das nicht wusste, ob es auf die Knien dieses Großvaters klettern oder vor diesem Oger Reißaus nehmen sollte. Mit achtzig Jahren hat er nichts von seiner Ausstrahlung verloren, wie er gerade in der TV-Serie „Westworld“ beweist: Es sei, hat er einmal wunderbar ominös gesagt, eine recht gesunde Art zu leben, das Vorhandensein der Bestie in sich zu akzeptieren und Frieden mit ihr zu schließen.