Ed Harris war in seinen Filmen schon Nasa-Commander, Mafia-Boss, Bildender Künstler und Fernsehproduzent. Am 28. November wird der wandelbare Schauspieler 70 Jahre alt.

Stuttgart - Manche Schauspieler entwickeln immer neue Reifegrade – so wie Ed Harris in der dystopischen Serie „Westworld“ (seit 2016): Von allen menschlichen Besuchern eines Wildwest-Vergnügungsparks, die dort mit täuschend menschenähnlichen Androiden machen können, was sie wollen, ist Harris‘ schwarzgewandeter Cowboy der finsterste. Besonders gern misshandelt er die blonde Dolores, weil er einst wider besseren Wissens zugelassen hat, dass sie ihm das Herz bricht. Haben Androiden Menschenrechte? Harris verkörpert eine besonders zynische Antwort auf diese Frage.

 

Immer tritt er als Mann von Statur auf mit erhobenem Kopf, seinen durchdringenden stahlblauen Augen und seiner tiefen Kommando-Stimme. Immer wirkt er ein bisschen größer, als er mit seinen 1,73 tatsächlich ist. In „State of Grace“ (1990) zog er alle Blicke auf sich als irischstämmiger New Yorker Gangster Jackie Flannery, obwohl er von illustren Typen wie Sean Penn, Gary Oldman und John C. Reilly umgeben war. Er behauptet sich auch im Hauen und Stechen unter Immobilienmaklern in „Glengarry Glen Ross“ (1992), da waren es Al Pacino, Jack Lemmon, Alan Arkin, Kevin Spacey und Jonathan Pryce.

TV-Produzenten und Mobster

Für James Cameron tauchte er in „The Abyss“ (1989) nach einem gesunkenen Atom-U-Boot. Als Geheimpolizist im kommunistischen Polen, der den regimekritischen Priester Jerzy Popieluszko (Christopher Lambert) beseitigen soll, glänzte er in Agnieszka Holland’s Historiendrama „To Kill a Priest“ (1988) – und in der „Truman Show“ (1998) als Produzent eines Reality-TV-Programms, der sich für einen großen Künstler hält und nicht einsehen möchte, dass er seinem in einer Fernsehwelt gefangenen Protagonisten (Jim Carrey) das Leben gestohlen hat.

Harris spielte auch den Nasa-Missionsleiter in „Apollo 13“ (1995), der die in Not geratene Crew letztlich rettet. Als beim Bodenpersonal die Moral sinkt und alle die größte Raumfahrtkatastrophe fürchten, tritt er ihnen kräftig in den Hintern und ruft: „Failure is not an option!“ Einen der übelsten Mobster aller Zeiten gab Harris in „A History of Violence“ (2005), David Cronenbergs Spielmfilmstudie über die Frage, ob Gewaltbereitschaft vererbt werden kann. Harris‘ Figur spürt einen Aussteiger auf (Viggo Mortensen) und zwingt ihn durch beharrliche Bedrohung dazu, sein mörderisches Selbst von früher noch einmal wach zu kitzeln.

Er malte Pollock-Gemälde selbst

In Ron Howards großem Oscar-Erfolg „A beautiful Mind“ (2001) verkörperte Harris sehr eindrücklich den fiktiven Mann aus dem Verteidigungsministerium, von dem sich das Genie John Nash (Russell Crowe) verfolgt fühlt. In seinem Regie-Debüt „Pollock“ (2000) übernahm er nicht nur die Hauptrolle selbst, sondern fertigte nach akribischer Vorbereitung auch alle Gemälde im Film selbst an. Harris nahm sich Zeit für den Eigenbrötler Pollock, Inspirationsphasen und weiße Leinwände, um dann regelrechte künstlerische Eruptionen zu inszenieren. Die Doppelbelastung brachte den Filmemacher an den Rand der Erschöpfung, doch der Erfolg gab ihm recht.

Ed Harris ist ein Chamäleon. Bei ihm erinnert man sich leichter an seine Figuren als an ihn selbst – was für uneitle Schauspieler das größte Kompliment sein kann. Seine oft kantigen Charaktere sind selten Publikumslieblinge, Harris entwickelte sich nie zum Kassenmagneten. „Ich suche mir nicht absichtlich Filme aus, die keinen großen kommerziellen Erfolg haben werden“, hat er einmal gesagt. „Es ist nur so, dass die interessantesten Drehbücher, die ich lese, außerhalb des Mainstreams liegen.“

Vom Football zum Theater

An der Highschool in New Jersey war Ed Harris zunächst ein Football-Star, an der Universität entdeckte er dann das Theater für sich. Seine erste größere Filmrolle spielte er 1980 in dem Action-Thriller „Borderline“ als Schmuggler, der an der mexikanischen Grenze von einem Grenzbeamten (Charles Bronson) gejagt wird. Die erste Hauptrolle bekam Harris 1981 in „Knightriders“ als Anführer einer Zirkustruppe, die mittelalterliche Ritter-Turniere auf Motorrädern nachstellt. 1983 gelang ihm der Durchbruch als Astronaut John Glenn in „Der Stoff aus dem die Helden sind“ – und am Broadway in Sam Shepard’s Bühnenstück „Fool for Love“.

Ed Harris, der am 28. November 70 Jahre alt wird, ist in seinem Leben in vielen Rollen aufgegangen und dabei immer er selbst geblieben. „Schauspielen ist kein Wettbewerb“, hat er einmal gesagt. „Mit das erste, was ich darüber gelernt habe, war dies: Der Einzige, mit dem man sich misst, ist man selbst.“