Einst hatte es Hans Wolf mit Matthäus, Effenberg und Co. zu tun. Heute pfeift er auf Bezirksebene.

Stuttgart - Diesen einen Tag in Cardiff wird Hans Wolf wohl nie vergessen. Damals, am 31. März 1993, war er als Linienrichter für das WM-Qualifikationsspiel zwischen Wales und Belgien eingeteilt. „Als das ganze Stadion dann die Nationalhymne sang, ist es mir eiskalt den Buckel runtergelaufen“, erinnert sich der heute 65-Jährige. Es war eines von vielen schönen Erlebnissen in seiner mittlerweile 37 Jahre dauernden Schiedsrichter-Laufbahn – Ende ungewiss. „Ich möchte diese Zeit nicht missen, sie war und ist wunderschön“, sagt der Wahl-Sillenbucher, der inzwischen nur noch in den unteren Klassen tätig ist, Kreisliga und Bezirksliga – aus Leidenschaft und weil ihm sonst etwas fehlen würde. Wenn er sonntags kein Spiel pfeifen könne, sei er „ungenießbar“.

 

Dabei wollte der in der Pfalz geborene und aufgewachsene Wolf eigentlich überhaupt nie Schiedsrichter werden. Vielleicht auch deshalb nicht, weil er einst als Kicker selbst immer mit den Unparteiischen Theater hatte. Bis in die zweite Amateurliga schaffte er es seinerzeit – und er war als Hitzkopf bekannt. Doch im Rahmen der Trainerausbildung 1980 musste er auch die Schiedsrichterprüfung ablegen. Und dann lag eines Tages der Spielauftrag für eine A-Junioren-Partie in seinem Briefkasten, Stammheim gegen Rot. Es war der Anfang einer bemerkenswerten Karriere. Zuletzt, Ende Juli, hatte Wolf seinen 2833. offiziellen Pflichtspieleinsatz. Von allen Begegnungen hat er noch das Notizkärtchen daheim. „Wenn ich fit bleibe und sich nach wie vor alle freuen, wenn der alte Wolf auf den Sportplatz kommt, könnten es 3000 werden“, sagt der bekennende Christ, der zweimal im Jahr auf Wallfahrt geht. Ein bisschen Besinnung tue ganz gut.

Weil er bei seinem Premierenauftritt schon 29 Jahre alt war, ist sein Aufstieg als Schiedsrichter umso erstaunlicher. Schon in der Saison 1985/86 durfte er das erste Mal als Assistent in der zweiten Bundesliga ran. „Heute schafft man das nicht mehr“, sagt Wolf, der nach wie vor für den ABV Stuttgart pfeift. Seinen Durchbruch hat er den damaligen Turnieren der Filder-Zeitung zu verdanken. „Die waren mein Sprungbrett in den Förderkader“, sagt der einstige EDV-Organisator, der seit zwei Jahren in Rente ist.

Dass er als Unparteiischer in den 1980er Jahren zu den bundesweit Besten gehörte, hatte mehrere Gründe. Der wohl wichtigste: „Als guter Fußballer konnte ich mich immer in die Spieler hineinversetzen und gut zwischen hart und unfair unterscheiden“, sagt Wolf. Hinzu komme das nötige Fingerspitzengefühl zwischen Großzügigkeit und Strenge. „Ein Schiedsrichter kann immer Feuer schüren, er kann es aber auch löschen“, weiß Wolf. Er sieht sich selbst in der zweiten Kategorie.

1988 pfiff Wolf seine erste Zweitliga-Partie, seinen letzten DFB-Auftritt hatte er 1997 als Linienrichter im Erstligaduell zwischen Rostock und Mönchengladbach. Dazwischen liegen viele Erlebnisse, mit denen der Naturliebhaber und Vielreisende ein Buch füllen könnte. 1993 beispielsweise stand er beim Europapokalendspiel der Pokalsieger im Londoner Wembley-Stadion an der Seitenlinie und war als Unparteiischer bei der Studenten-Weltmeisterschaften in Texas. Zwei Jahre später bekam er nach dem DFB-Pokalendspiel in Berlin zwischen Mönchengladbach und Wolfsburg vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog die Medaille umgehängt.

Zu seinen gehüteten Trophäen gehören auch rund 25 Originaltrikots wie jene von Olaf Thon, Stefan Kuntz, Stefan Effenberg oder Lothar Matthäus. „Früher hatten wir Schiedsrichter noch einen viel direkteren Kontakt zu den Profis“, sagt Wolf. Nicht zu vergessen das Zweitliga-Spiel zwischen Rot-Weiß Essen und Fortuna Köln. „Da habe ich den Gastgebern drei Abseitstore abgewunken“, sagt Wolf und lacht. Als Ralf Regenbogen in der Nachspielzeit der 3:3-Ausgleich für die Essener gelang, blieb Wolfs Fahne unten. „Hätte ich das auch nicht gelten lassen, wären wir wohl nur mit einem Hubschrauber aus dem Stadion gekommen“, sagt der Mann, der nach wie vor bei jedem Spiel zwei Glückscent in der linken Hosentasche hat.

Hinschmeißen wollte Wolf die Pfeiferei nur einmal. Und zwar als ihm einst unter für ihn nicht nachvollziehbaren Gründen der Aufstieg ins Oberhaus versagt wurde. Dafür wurde er dann allerdings als Assistent in den Fifa-Kader aufgenommen und kam so in ganz Europa herum. Inzwischen sind die Fußball-Bezirke Württembergs sein Revier – und werden es wohl auch noch eine ganze Weile bleiben.