Vor einigen Jahren sind relativ kurz hintereinander Ihre Mutter und Ihr Vater gestorben. Trotzdem sind Sie auf die Bühne gegangen und haben „Schalalalala“ gesungen. Wie schafft man es, seine Trauer auszublenden?
Über den Tod denke ich nach, seit ich als 18-Jähriger einen meiner Brüder verloren habe. Mir ist stets bewusst, dass das Leben von der einen auf die andere Sekunde vorbei sein kann. Ich weiß auch aus eigener Erfahrung, wie sich tiefe Depressionen anfühlen. Aber ich habe nach solchen dunklen Phasen glücklicherweise immer zu meiner Lebenslust zurückgefunden. Ein Job, den man gerne macht, ist die beste Therapie.
Sie mussten berufliche Flops wegstecken: Sie spielten in einer Kinokomödie mit, die zum schlechtesten Film des Jahres gekürt wurde. Der Versuch, ambitionierte Popmusik zu machen, scheiterte. Und Ihre Inszenierung von Brechts „Dreigroschenoper“ wurde vom Rechteinhaber Suhrkamp gestoppt.
Nichts davon verbuche ich unter der Rubrik „Misserfolge“. „Der Trip“ ist zwar wirklich ein furchtbarer Film, aber ich habe bei den Dreharbeiten einiges über das Metier gelernt. Mein Popalbum „Null/Eins“ gefällt mir bis heute. Ich habe jedoch nach der Veröffentlichung gemerkt, dass ich mich auf der Bühne weniger wohlfühle, wenn ich ich selbst sein soll, als wenn ich in die Dieter-Thomas-Kuhn-Rolle schlüpfen kann. Und an das „Dreigroschenoper“-Projekt bin ich zugegebenermaßen blauäugig rangegangen. Trotzdem hat es mich weitergebracht, dass ich mich ein Jahr lang mit etwas beschäftigt habe, das mit meinem vorherigen Künstlerdasein wenig zu tun hatte.
Man könnte meinen, dass Sie zum Schlager zurückgekehrt sind, weil das die einzige Tätigkeit ist, mit der Sie gutes Geld verdienen.
Ich treffe Entscheidungen niemals aus finanziellen Gründen. 1999 hatte ich einfach das Gefühl, dass die Kunstfigur Dieter Thomas Kuhn ausgereizt ist. Doch seit unserem Comeback vor zehn Jahren macht es der Band und mir wieder Spaß, auf der Bühne zu stehen. Solange ich diese Leidenschaft spüre, werde ich weitermachen. Mit 30 hätte ich mir nicht vorstellen können, dass ich mit 50 noch Schlager singe. Heute weiß ich, dass der Vorteil einer Kunstfigur in ihrer Zeitlosigkeit liegt: Sie ist nicht an Trends oder Moden gebunden.
Gibt es nichts, was Sie lieber machen würden, als deutsche Schlager zu recyceln?
Es gibt keine bessere Beschäftigung für mich, als Musik zu machen. Vor vier Jahren habe ich ein Album mit Stücken meines amerikanischen Folk-Helden Jim Croce aufgenommen. Auf die CD bin ich stolz, aber es wäre utopisch zu glauben, dass ich mit so etwas eine Familie ernähren könnte.
Ursprünglich haben Sie Masseur gelernt.
Richtig. Ich hatte die mittlere Reife und strebte das Abitur an, merkte aber in der elften Klasse, dass ich dieses Schulsystem nicht länger ertragen kann. Ich habe dann zunächst in einer Zaunfabrik in Dettenhausen geschafft, was meine Eltern nicht so toll fanden. Meine Schwester hat mir dann die Massageschule empfohlen. Nach der Ausbildung habe ich vier Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet. Das Massieren selbst habe ich gern gemacht, Körperkontakt mit anderen Menschen war für mich noch nie ein Problem. Aber ich bin nicht so ein Typ, der sich ständig fortbilden will, und mir war klar, dass ich den Job nicht bis zur Rente machen will. Deswegen sehe ich das Dieter-Thomas-Kuhn-Ding als großen Glücksfall.
Wie erklären Sie sich, dass Ihre Auftritte mit goldenem Glitzeranzug, Plateauschuhen, Föhnwellenfrisur und Brusthaartoupet von Anfang an ein riesiger Erfolg wurden?
Ich habe kürzlich die Videoaufnahmen unseres ersten Konzerts digitalisiert, und dabei ist mir bewusst geworden, dass wir das Publikum vom ersten Ton an mitgerissen haben. Die Frage, warum das so ist, können nur unsere treuen Fans beantworten.
Keine Angst, dass das Publikumsinteresse irgendwann nachlässt?
Noch gibt es dafür keine Anzeichen. Zwei der drei Konzerte, die wir in diesem Sommer in Stuttgart auf der Killesberg-Freilichtbühne spielen, sind beispielsweise bereits ausverkauft. Zu uns kommen all jene, die schon vor zwanzig Jahren kamen, und Jüngere, die uns erst jetzt entdecken.
Hilft Ihnen der aktuelle Schlagerboom?
Dieser angebliche Boom besteht nur aus Helene Fischer. Und in deren Fall ist es doch so, dass die Sängerin den Erfolg macht: Das Charisma von Frau Fischer ist viel wichtiger als die Lieder, die sie singt. Ich würde mit ihr auch mal ganz gerne einen Kaffee trinken gehen . . .