Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Die Fußsohlen beginnen leicht zu brennen. Ein erstes Zwicken im Knie. Wir laufen in einem Bogen um den Spiegelberger Teilort Jux, treffen Waldarbeiter, die Holz spalten. Die Hinweisschilder sind nicht eindeutig. Wir entscheiden uns, mitten durch die urwüchsige Hüttlenwaldschlucht zu kraxeln. Kleine Wasserfälle, rutschiger Boden. Ein gefährlicher Abschnitt ist mit einem Seil zum Festhalten gesichert. Steil bergab geht es ins Lautertal.

 

13.15 Uhr, 32 Kilometer: In Spiegelberg könnte man gemütlich einkehren. Aber wir haben ja einiges vor und essen lieber aus dem Rucksack, mal eine Rauchwurst, mal eine Banane. Oberhalb der Landesstraße Richtung Löwenstein zeigen sich für einen Moment zwei Rehe im Dickicht. Bald schon durchqueren wir die Bodenbachschlucht.

Wer stundenlang wandert oder rennt, schwimmt oder Rad fährt, fragt sich früher oder später: Warum mache ich das eigentlich? Um ein selbst gesetztes Ziel zu erreichen. Um sich zu testen. Kann ich 70 oder 80 Kilometer weit laufen? Einen ganzen Tag lang schwimmen? Wer solche Ziele erreicht oder ihnen nahe kommt, der weiß: Ich kann auch andere brenzlige Situationen bewältigen. Etwa ein unangenehmes Gespräch gut über die Bühne bringen, im Privaten oder im Job.

So ein schier endloser Wandertag schult die Ausdauer, die körperliche und auch die mentale. Alles nur Kopfsache. „Hier sieht es genauso aus wie da, wo wir vor einer Stunde waren“, sagt Steffi und reißt mich wieder aus meinen Gedanken. „Bitte nicht“ geht mir jetzt unweigerlich durch den Kopf. Zum Glück sind wir aber doch nicht im Kreis gelaufen.

Auf Friedhöfen gibt es immer Wasser

15 Uhr, 42 Kilometer: Vor Wüstenrot fühlen wir uns wie Verdurstende in der Wüste. Die Steffi verrät einen Geheimtipp der Ultraläufer: Auf Friedhöfen gibt es immer Wasser. Im Ort biegen wir aber nicht zum Friedhof ab, sondern nehmen Platz in einem Café. Nach Cola, Kaffee und einer fetten Torte geht es gleich weiter. Keine Zeit für das Bausparmuseum.

Jogger und Güterzüge

8.50 Uhr, zwölf Kilometer: In Sulzbach donnert ein Güterzug vorbei. In einer riesigen Halle werden mit ohrenbetäubendem Lärm Holzstämme zersägt. Auf dem Murrtal-Radweg mit seinen idyllischen Weisen und Wäldchen kommt uns ein einsamer Jogger entgegen.

9.30 Uhr, 18 Kilometer: Im Oppenweiler Industriegebiet stapeln sich neben der Straße Hunderte ausgemusterte Autoreifen. Hochwasserschutzwände aus Beton versperren den Blick auf die gemächlich dahinplätschernde Murr. Vor der Schule treffen wir ein paar Kinder, sie reichen uns Wasserflaschen, gehen ein paar Meter mit, bis sie dann schließlich von ihrem Lehrer zurückgepfiffen werden.

Unser Vorhaben, den Schwäbischen Waldweg an einem Tag abzulaufen, erscheint vielen als Schnapsidee. Sie ist auch nicht im Sinne der Erfinder von der Fremdenverkehrsgemeinschaft Schwäbischer Wald. Die Wanderrunde sei für fünf Tage inklusive Übernachtungen konzipiert, hieß es bei der Vorstellung während der CMT im Januar. Die Ausflügler sollen oft absteigen ins Tal und in eine Wirtschaft einkehren. Sie sollen Essen gehen, sich ein Fremdenzimmer mieten, Geld ausgeben.

10 Uhr, 20 Kilometer: Wieder ein supersteiler Anstieg in Reichenberg. Der Schweiß tropft. Ein Viertel der Strecke ist geschafft. Ich fühle mich wunderbar. In dem kleinen Ort mit der imposanten Burg aus dem 13. Jahrhundert gackern Hühner. Die Sonne brennt vom Himmel. Ein paar Minuten später sind wir schon wieder im kühlen Forst an einer Grillstelle neben der Pflanzschulhütte Oppenweiler. Waldmeister wächst am Wegrand. Schautafeln erzählen vom Wald.

10.50 Uhr, 25 Kilometer. Keine Wegweiser. Auch das Navi und die Karte geben keine eindeutigen Hinweise. Wie aus dem Nichts erscheint der Retter. „Kann ich helfen?“ Der Revierförster kommt wie gerufen. Eine Ringelnatter kreuzt den Weg. Vorbei am Wetzsteinstollen. Ein Mountainbiker rast an uns vorbei.

Steil bergab ins Lautertal

Die Fußsohlen beginnen leicht zu brennen. Ein erstes Zwicken im Knie. Wir laufen in einem Bogen um den Spiegelberger Teilort Jux, treffen Waldarbeiter, die Holz spalten. Die Hinweisschilder sind nicht eindeutig. Wir entscheiden uns, mitten durch die urwüchsige Hüttlenwaldschlucht zu kraxeln. Kleine Wasserfälle, rutschiger Boden. Ein gefährlicher Abschnitt ist mit einem Seil zum Festhalten gesichert. Steil bergab geht es ins Lautertal.

13.15 Uhr, 32 Kilometer: In Spiegelberg könnte man gemütlich einkehren. Aber wir haben ja einiges vor und essen lieber aus dem Rucksack, mal eine Rauchwurst, mal eine Banane. Oberhalb der Landesstraße Richtung Löwenstein zeigen sich für einen Moment zwei Rehe im Dickicht. Bald schon durchqueren wir die Bodenbachschlucht.

Wer stundenlang wandert oder rennt, schwimmt oder Rad fährt, fragt sich früher oder später: Warum mache ich das eigentlich? Um ein selbst gesetztes Ziel zu erreichen. Um sich zu testen. Kann ich 70 oder 80 Kilometer weit laufen? Einen ganzen Tag lang schwimmen? Wer solche Ziele erreicht oder ihnen nahe kommt, der weiß: Ich kann auch andere brenzlige Situationen bewältigen. Etwa ein unangenehmes Gespräch gut über die Bühne bringen, im Privaten oder im Job.

So ein schier endloser Wandertag schult die Ausdauer, die körperliche und auch die mentale. Alles nur Kopfsache. „Hier sieht es genauso aus wie da, wo wir vor einer Stunde waren“, sagt Steffi und reißt mich wieder aus meinen Gedanken. „Bitte nicht“ geht mir jetzt unweigerlich durch den Kopf. Zum Glück sind wir aber doch nicht im Kreis gelaufen.

Auf Friedhöfen gibt es immer Wasser

15 Uhr, 42 Kilometer: Vor Wüstenrot fühlen wir uns wie Verdurstende in der Wüste. Die Steffi verrät einen Geheimtipp der Ultraläufer: Auf Friedhöfen gibt es immer Wasser. Im Ort biegen wir aber nicht zum Friedhof ab, sondern nehmen Platz in einem Café. Nach Cola, Kaffee und einer fetten Torte geht es gleich weiter. Keine Zeit für das Bausparmuseum.

16.30 Uhr, 48 Kilometer: Hätten wir es nicht so eilig, würden wir in den Finsterroter See springen. Ein Ziehen in meinem Schienbein. Steffi sagt: „Nicht beachten.“ Also weiter über eine Hochebene mit bunten Wiesen.

17.50 Uhr, 52 Kilometer: Eine Forellenzucht am Mainhardter Ortsrand, schmuck renovierte Fachwerkhäuser. Kinder spielen in einem Garten. Wir sind seit fast   zwölf Stunden unterwegs. Eigentlich hätte ich jetzt genug. Der persönliche Wanderrekord ist geknackt. Aber wir laufen weiter, immer weiter. Hinter Mainhardt folgen wir ein paar Kilometer dem Limes-Wanderweg, laufen vorbei am Fuxi-Lehrpfad. An einer Station kann man seinen Kopf in einen ausgehöhlten Stein zwängen und laut der Beschreibung auf der Tafel ein Kribbeln spüren. Vielen Dank, bei mir kribbeln bereits die Fußsohlen – ganz gewaltig.

19.30 Uhr, 60 Kilometer: Die Gaststätte Einkehr im Rottal. Der Name wird zum Programm, obwohl der Wirt eigentlich eben zusperren wollte. Er serviert uns kühles alkoholfreies Weizenbier. Ein paar Minuten ausruhen.

Das Ende in Grab

Wolken ziehen auf. Leichtes Donnern. Beim Freizeitzentrum Großerlach könnten wir uns gut unterstellen. Was tun? Warten oder so schnell wie noch möglich weiterwandern? „Weiterwandern“, sagt Steffi. Es wird dunkel. Die Fußsohlen schmerzen immer stärker. Die Oberschenkelmuskeln brennen bei jedem Schritt. Das linke Kniegelenk zwickt ständig. Mittlerweile ist es stockfinster. Es beginnt zu regnen und dann noch heftiger zu blitzen.

Ein Wegweiser auf der Kreisstraße zwischen Großerlach und Grab deutet rechts in Richtung Wald. Bald irren wir zwischen Bäumen hin und her. Verlaufen. „Kommt öfter mal vor bei so langen Strecken“, sagt Steffi. Ich folge ihr. Willenlos. Es beginnt noch stärker zu regnen. Nach drei Kilometern Zickzack im Wald bei Hohenbrach gehen wir zurück zur Kreisstraße, folgen ihr notgedrungen bis Grab.

22.30 Uhr, knapp 75 Kilometer: Das Rössle in Grab hat noch geöffnet. Wir bestellen Wurstsalat und Radler. Ende. Bis hinunter nach Murrhardt sind es auf dem schnurgeraden Limesweg noch knapp zehn Kilometer, auf dem neuen Schwäbischen Waldweg ein paar Kilometer mehr. Ich bin etwas traurig, dass ich die 83 Kilometer nicht komplett gepackt habe. Trotzdem: so lange und so weit wie an diesem Tag bin ich noch nie gewandert.