In den Neunzigern regierte House Music die Clubs. Mia Hansen-Løve erzählt in „Eden“ von dieser Zeit, basierend auf dem in Teilen autobiografischen Drehbuch ihres Bruders. Aber sie glorifziert die Clubkultur nicht.

Stuttgart - Der Trip, den Paul (Félix de Givry) auf einer Party irgendwo im Niemandsland vor den Toren von Paris einwirft, ist nicht wirklich stark. Während er in der Dunkelheit hockt, fliegt bloß ein bunter Vogel vorbei, der sich aus einem Trickfilm herüber verirrt zu haben scheint. Die wahre Droge, die Paul jahrelang high machen und ihm beinahe das Leben versauen wird, ist die Musik namens House. Auch Thomas (Vincent Lacoste) und Guy-Man (Arnaud Azouley), die später als DJ-Duo Daft Punk auftreten werden, sind süchtig nach dem Sound, zu dem die Leute seit Mitte der neunziger Jahre ausrasten.

 

In „Eden – Lost in Music“ erzählt die Regisseurin Mia Hansen-Løve von der bislang letzten großen Revolution in der Popmusik und vom hedonistischen Leben der Raver. Das Drehbuch, das sie gemeinsam mit ihrem Bruder Sven Hansen-Løve verfasst hat, basiert auf dessen eigenen Erfahrungen in der DJ-Szene.

Ständig knapp bei Kasse

Kurze Episoden geben schnelle Einblicke in Pauls Leben über einen Zeitraum von zwei Jahrzehnten. Mit seinem Kumpel Quentin (Hugo Conzelmann) gründet er das DJ-Gespann Cheers und lebt von Nacht zu Nacht, von Party zu Party. Auch die Erzählung springt unstet von einer Situation zur nächsten: Paul verliebt und trennt sich, verliebt sich neu, wird allmählich erfolgreicher, ist aber ständig knapp bei Kasse. Während die Kids in seinem Umfeld erwachsen werden, bleibt er im Nachtleben hängen.

Der Newcomer Félix de Givry gibt Paul als Schlafwandler, der sich ratlos durchs Leben tastet. Obwohl ihn die Musik innerlich beflügelt, wirkt er äußerlich ungerührt, wodurch nicht nur seine Beziehung zur empfindsamen Louise (Pauline Etienne) leidet. Darauf und auf die auch sonst manchmal traurigen Lebenswege ihrer Figuren schaut Hansen-Løve seltsam abgeklärt.

Ende der Party

Die Euphorie, die Paul und seine Freunde in den durchtanzten Clubnächten genießen, überträgt sich nicht. Stattdessen ist die Geschichte von einer düsteren Melancholie durchzogen. Die Clubbewegung entpuppt sich nicht als lebensbejahender Gegenentwurf zur Welt der Spießer, sondern als temporärer Fluchtort vor dem Ernst des Alltags.

Anders als etwa Todd Haynes in „Velvet Goldmine“ glorifiziert Hansen-Løve die Subkultur nicht. Dafür büßen ihre Figuren aber die nötige Fallhöhe ein. Das Ende der Party markiert nicht die Vertreibung aus dem Paradies, sondern bloß den unausweichlichen Schritt von einer Lebensphase in die Nächste.

Eden – Lost in Music. Frankreich 2014. Regie: Mia Hansen-Løve. Mit Félix de Givry, Pauline Etienne, Vincent Macaigne, Greta Gerwig.131 Minuten. Ab 16 Jahren.