Der paralympische Sportstar Oscar Pistorius hat offenbar seine Geliebte erschossen. Er soll angeklagt werden. Die genauen Umstände der Tat sind aber noch völlig unklar.

Kapstadt - Millionen von Südafrikanern sind am Valentinsmorgen von einer Nachricht erschüttert worden. Ausgerechnet in der Nacht zum Tag der Liebespaare hat eines der Idole der sportbegeisterten Nation – der beinlose Olympionike Oscar Pistorius – seine Freundin in seiner Villa in Pretoria erschossen. Zunächst kursierten Gerüchte, wonach der 26-jährige „Blade-Runner“ seine 30-jährige Geliebte für einen Einbrecher gehalten habe und sie morgens um drei Uhr mit mindestens zwei Schüssen aus seiner Pistole niedergestreckt habe. Einer der Schüsse habe Reeva Steenkamp am Arm, ein zweiter am Kopf getroffen, hieß es weiter. Noch vor dem Eintreffen der Ambulanz sei das Fotomodell in Pistorius’ Haus seinen Verletzungen erlegen.

 

Stunden später äußerte die Polizei jedoch öffentlich Zweifel daran, dass es sich um einen Unfall gehandelt habe. „Von dieser Erklärung haben wir lediglich über die Medien erfahren“, sagte eine Polizeisprecherin. Nachbarn hätten die Ordnungskräfte bereits am Abend zuvor über „Zwischenfälle“ in Pistorius’ Villa informiert, fuhr die Sprecherin fort: In jüngster Zeit sei die Polizei wiederholt auf „Ereignisse privater Natur“ in dem Haus des Athleten aufmerksam gemacht worden. Pistorius wurde unter Mordverdacht verhaftet und soll am Freitag dem Haftrichter in Pretoria vorgeführt werden – dem zu erwartenden Antrag der Verteidigung auf Freilassung unter Kaution will sich die Staatsanwaltschaft widersetzen.

Kurz vor ihrem Tod hatte Reeva Steenkamp, die sich auf ihrer Twitter-Seite als „Model, Covergirl, Jura-Graduierte und Kind Gottes“ vorstellt, im Netz getwittert: „Welche Überraschung habt ihr morgen für eure Liebe im Ärmel?“ Valentinstag solle ein „Tag der Liebe für alle sein“, heißt es weiter: „Möge der Tag gesegnet sein.“



Ihrer Agentin Sarit Tomlinson zufolge war das blonde Model, das kurz vor einem internationalen Durchbruch gestanden habe, „das süßeste Menschenwesen – eine talentierte und kluge junge Frau“. Das erst wenige Monate andauernde Verhältnis zwischen den beiden sei eine „fabelhafte und gesunde Beziehung“ gewesen: „Keiner von uns weiß, was vorgefallen ist.“ Das südafrikanische Traumpaar – Pistorius wurde von einem Magazin kürzlich als einer der sexiesten Männer am Kap gekürt – trat erst im November zum ersten Mal in der Öffentlichkeit in Erscheinung: „Wir sind kein Paar, sondern lediglich Freunde“, hatte Steenkamp damals noch versichert.

Der „schnellste Mann auf keinen Beinen“ ist am Kap der Guten Hoffnung nicht nur für seine sportlichen Leistungen bekannt: Er gilt auch als ausgesprochener Lebemann. Pistorius liebt schnelle Autos, verehrt den Filmrebellen James Dean und kam einmal fast bei einem Unglück mit einem Rennboot ums Leben. Glaubt man südafrikanischen Presseberichten, so war sein Liebesleben zumindest in jüngster Vergangenheit eher tumultuös: Nachdem er sich Anfang 2012 endgültig von seiner Jugendfreundin Vicky Miles getrennt hatte, ging er zunächst ein Verhältnis mit dem russischen Supermodel Anastassia Khozissova und dann mit der Kapstädter Studentin Samantha Taylor ein. „Ich werde später mal berichten, was ich alles durchgemacht habe“, sagte Taylor nach der Trennung von Pistorius in einem Zeitungsinterview.

Pistorius kam wegen eines genetischen Defekts ohne Wadenbeine und mit verformten Füßen zur Welt und wurde im Alter von elf Monaten unter den Knien amputiert. Er lernte so gut mit Prothesen gehen, dass er Rugby spielte, wandte sich nach einem schweren Rugby-Unfall als 17-Jähriger jedoch der Leichtathletik zu. Mit seinen speziell angefertigten Karbonprothesen brachte es der Kurzstreckenläufer zu historischen Erfolgen: Er gewann bei den Olympischen Spielen für Behinderte in Peking gleich dreimal Gold im 100-, 200- und 400-Meter-Lauf.



Weltweites Aufsehen erregten seine Bemühungen, auch bei den Weltmeisterschaften und Olympiaden für Nichtbehinderte antreten zu dürfen: Seinen jahrelangen Kampf gegen die Verbände gewann er 2008. Vier Jahre später trat Pistorius bei der Londoner Olympiade 2012 als einziger behinderter Athlet im 400-Meter- und im Staffellauf an, errang aber keine Medaille. Der von seiner Leidenschaft getriebene Ausnahmeathlet ließ sich auf seiner Schulter einen Bibelvers aus dem 1. Korintherbrief eintätowieren: „Ich laufe nicht ins Blaue hinein und führe den Faustkampf nicht wie einer, der Lufthiebe schlägt, sondern zerschlage meinen Leib und mache ihn mir untertan.“