Zlatan Ibrahimovic ist das torgefährlichste Scheusal der Welt, meint unser Kolumnist Oskar Beck. Am Dienstag trifft der Stürmer mit Schweden auf Deutschland.

Stuttgart - Nirgends fliegen so die Fetzen wie im Sport – denken wir nur an das Streitgespräch, zu dem Loriot in seinem Film „Auf der Rennbahn“ den Experten E. und den Unbedarften U. fast unversöhnlich aufeinander hetzte, und zwar so:

 

U: „Aaach, ist das schööön... Ach, ist der Rasen schön grün!“

E: „Also, wissen Sie... Seien Sie mir nicht böse, aber Sie sind ein selten dämlicher Hund!“

U: „Wer?“

E: „Sie!!“

U: „Nehmen Sie das eventuell zurück?“

E: „Nee!“

U: „Gut, dann ist die Sache für mich erledigt.“

Warum wir die Geschichte erzählen? Weil sie sich letzten Freitag wieder ereignet hat, nur diesmal beim Fußball – mitten im WM-Qualifikationskick auf den Färöern brüllte Schwedens Star Zlatan Ibrahimovic seinen Mitspieler Wilhelmsson an: „Halt die Fresse!“ Worauf der Beleidigte nach dem Schlusspfiff mit dem fürchterlichen Satz zurückschlug: „In Wut ist Zlatan am besten.“

Auch die armen Kerle von den Schafinseln haben den Wilden zu spüren bekommen, nicht nur in Form des entscheidenden Tors. Im Kabinengang soll er den Kapitänskollegen Frodi Benjaminsen mit einem Ellbogencheck bedient haben, und alles weitere Wissenswerte über Ibrahimovic beschrieb Benjaminsen nach dem Abpfiff so: „Er ist arrogant. Er sprach auf dem Platz abfällig über uns. Er erzählt, wo er spielt und was er verdient. Er ist kindisch. Außerdem spielt er sehr dreckig. Ich mag ihn nicht.“

Nein, mögen muss man ihn nicht, den Torjäger der Schweden, nur höllisch auf ihn aufpassen, vor allem am Dienstag, sonst mobbt er in Berlin auch noch uns. Mobben und Foppen, das sind zwei Stärken von Ibrahimovic, während zu seinen Schwächen weder die falsche Bescheidenheit noch die übertriebene Kinderstube gehören. Dem Norweger John Carew bescheinigte er einmal beim innerskandinavischen Torjägerduell: „Was der mit dem Ball kann, mache ich mit einer Orange“. Und in seiner Zeit beim FC Barcelona beurteilte er dessen Startrainer Guardiola so: „Diesen Philosophen braucht hier keiner, der Zwerg und ich genügen vollkommen.“ Mit dem Zwerg meinte er Lionel Messi.

Niemand weiß genau, wo bei diesem Extraordinären der Spaß aufhört und der Humor beginnt, aber notfalls knöpft Ibrahimovic sich Gott und die Welt vor, auf Schwedisch, Serbokroatisch, Italienisch und Englisch und oftmals gekrönt mit einem zündenden „What the fuck!“ So ist ihm der Schnabel gewachsen in Rosengard, einem Viertel von Malmö, wo er vor 31 Jahren als Sohn eines bosnischen Vaters und einer kroatischen Mutter geboren wurde. Rosengard ist nichts für Sensible, die Suppe wird dort nicht aus goldenen Bechern geschlürft, aber wer als Kind den ganzen Tag auf der Straße kickt, ist mit dem Ball irgendwann per Du und entwickelt vor dem Tor den Instinkt des Jägers – jedenfalls hat Ibrahimovic, fürchten seine Feinde, das gewinnbringende Ghetto-Gen: gemein und gefährlich, gagga und genial.

Egal, wo er spielt, Ajax, Juve, Mailand, Barcelona, meistens wird er Meister und Torschützenkönig, und verzaubert rufen ihn seine Fans „Ibrakadabra“. Der Magier ist mit seinen auf 1,92 Metern verteilten 94 Kilo ein kantiger Reißer mit brachialer Gewalt, aber gleichzeitig ein trickreicher Dribbler, der beidfüßig schießt, hart und technisch perfekt – diese artistische Geschmeidigkeit endet dann bestenfalls wie bei einem Spiel gegen Italien, als er mit dem Rücken zum Tor den Ball im Rahmen einer zirkusreifen Verrenkung mittels Hacke über Gianluigi Buffon ins Netz lupfte. Als „gedrehten Seitwärtsfußstoß“ rühmte der Schwede sein Hexenwerk hinterher, wobei er in der dritten Person von sich schwärmte.

Billig ist so einer nicht. 169 Millionen Ablöse sind für Ibrahimovic schon geflossen. Er ist der teuerste Fußballer unter der Sonne, und der bestbezahlte: 15 Millionen Euro im Jahr gönnt ihm zur Zeit der Scheich von Paris St. Germain, netto. „Das ist unanständig“, schnauzte aus dem Elysees-Palast der Minister Cahuzac, worauf ihn der Teure belehrte: „Qualität hat ihren Preis.“

Der Minister hat Glück gehabt. Wenn die schwedische Diva schlechte Laune hat, ist sie weniger zimperlich. Ibrahimovic ist für seine Umgebung eine ständige Gefahr, nicht nur vor dem Tor, auch beim Interview. Einmal fragte er naserümpfend einen TV-Reporter: „Zum Teufel, was hast Du für ein Parfum? Du riechst ja schlimm.“ Einer spanischen Interviewerin erging es, obwohl sie betörend duftete, nicht besser. Sie konfrontierte den Schweden mit einem romantischen Foto, das ihn Händchen haltend mit Gerard Pique zeigte, seinem damaligen Mitspieler beim FC Barcelona, und fragte: „Sind Sie schwul?“ Zlatan blickte ihr tief ins Auge und sagte: „Besuch mich mal, aber bring auch deine Schwester mit.“

Wenn ihn einer an der Männerehre packt, wird der Macho aus Malmö ungemütlich, nach dem Motto: Hab ich nicht zwei Kinder, feurig gezeugt mit Helena Seger, einem der attraktivsten Topmodels Schwedens? Da wird er zum harten Hund, der Wert darauf legt, dass er kalt duscht, einen Sportwagen mit röhrendem Auspuff fährt und auf Kung-Fu-Filme steht. Dass er die Nacht vor einem Länderspiel auch schon mal unvorschriftsmäßig nutzte, gehört zum Berufsrisiko.

Verbannt haben die Schweden ihn damals, allerdings nur kurz, denn sie brauchen ihren Außergewöhnlichen. Zlatan Ibrahimovic ist das erste Einmannteam, seit der Fußball erfunden wurde, er ist Kapitän, Wortführer, Bandenchef, Einfädler und Vollstrecker – auch wenn er in puncto Manieren noch Luft nach oben hat, ist er auf jeden Fall der gefürchtetste Schnösel und das torgefährlichste Scheusal der Welt.