Bio-Mineralwasser? Gibt es das? Der Bundesgerichtshof gesteht ihm ein Existenzrecht zu. Verbraucherschützer finden, dass durch das Etikett die Käufer getäuscht werden.

München - Wasser ist das natürlichste aller Lebensmittel. Als Mineralwasser wird es hierzulande immer beliebter. Haben Deutsche davon vor 20 Jahren im Schnitt 82 Liter per annum getrunken, sind es 2015 bereits 143 Liter gewesen. „Mineralwasser ist aber nicht gleich Mineralwasser“, sagt Ökopionier Franz Ehrnsperger. 1987 hat der Gesellschafter des Neumarkter Lammsbräu das weltweit erste Biobier gebraut und 2008 die Qualitätsgemeinschaft Biomineralwasser gegründet. Letzteres hat Verbraucherschützer auf die Barrikaden gebracht. Mineralwasser sei ein reines Naturprodukt, das nur abgefüllt, aber nicht – unter welchen Gesichtspunkten auch immer – produziert werden müsse, wettern sie. 2012 hat der Bundesgerichtshof (BGH) ein Machtwort gesprochen und für Biomineralwasser ein Existenzrecht anerkannt.

 

Gestritten wird weiter. Der Bio-Begriff werde über die EU-Ökoverordnung geregelt, und da komme Mineralwasser aus gutem Grund nicht vor, betont Verbraucherschützerin Sabine Holzäpfel. Ein Mineralwasser müsse definitionsgemäß naturbelassen bleiben, erklärt die Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Da dürfe gar nichts verändert werden, weshalb es bei den sogenannten Biomineralwässern kein Zutun gebe, das ein Bio-Siegel rechtfertigen würde. Das BGH-Urteil könne man immer noch nicht nachvollziehen, weil es Verbrauchertäuschung sanktioniere.

Wasserbauern sollen die Quellen schützen

Ehrnsperger ist da anderer Meinung. „Um Biomineralwasser herzustellen, muss man Wasserbauer werden“, sagt der 70-Jährige. Das könne nicht jeder. Der Aufwand dafür und damit das menschliche Zutun seien zudem sehr groß. Nur geschätzt ein Drittel aller deutschen Brunnen seien theoretisch überhaupt in der Lage, die Kriterien zu erfüllen. Denn selbst tief liegende Mineralquellen würden hierzulande mittlerweile von Schadstoffen erreicht, und der Schutz dieser Quellen sei vordringlichste Aufgabe von Wasserbauern. Jüngste Mineralwasseruntersuchungen der Stiftung Warentest unterstreichen diese Gefahren.

In drei von 20 geprüften Mineralwässern haben die Warentester Mitte 2015 oberirdische Verunreinigungen wie aus der Tiermast stammende Süßstoffe oder Abbauprodukte von Pestiziden und Korrosionsschutzmittel gefunden. Ein Gesundheitsrisiko hätten die Konzentrationen zwar nicht dargestellt, mit 200 Nanogramm je Liter hätten zwei gefundene Herbizide den dafür gültigen Orientierungswert für Mineralwasser aber um das Vierfache überstiegen. Außerdem sei das ein Hinweis, dass die Quelle nicht gut genug geschützt ist.

Für Ehrnsperger sind diese Testergebnisse eine Steilvorlage, weil sie aus seiner Sicht zeigen, wie wichtig der Schutz von Mineralquellen zunehmend werde. Wer mit seinem Siegel für Biomineralwasser werbe, müsse nicht nur weit strengere und mehr Grenzwerte erfüllen als die Abfüller herkömmlicher Mineralwässer, sondern auch aktiv Wasserschutz betreiben. Geschehen könne das zum Beispiel dadurch, dass ein Brunnenbetreiber die Bauern in seiner Umgebung zum Ökolandbau bringt, um Agrochemie von den Äckern und ihrer Wanderschaft durch das Erdreich bis hin zu den Mineralquellen fernzuhalten.

Auch Ensinger ist dabei

„Wir schaffen gerade ein unterirdisches Wasserschutzgebiet“, sagt der Ökopionier mit Blick auf den Lammsbräu und dessen Biomineralwasser Biokristall. Dazu leiste man gerade Überzeugungsarbeit beim örtlichen Wasserwirtschaftsamt und Politikern. Wichtig sei zum Beispiel, dass Bauherren dazu gebracht würden, wasserschützende Gesteinsschichten nicht zu verletzen. Dazu gebe man auch Umweltgutachten in Auftrag. Bisher habe er sich immer mit Argumenten durchgesetzt und nie vor Gericht ziehen müssen. „Größtes Problem ist mangelndes Wissen“, sagt der 70-Jährige. Wer die Gefahren aber einmal begriffen habe, denke meist auch um. Mittlerweile hat der vom Lammsbräu ausgehende Bio-Mineralwasserverband vier Mitstreiter gefunden, zu denen auch Ensinger gehört. Hinzu kommen zwei weitere Beitrittskandidaten. Zumindest fürs Marketing ist das vermutlich kein Schaden.