Der Ermittler bestreitet, dass es einen Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten im rechtsextremen Ku-Klux-Klan und der Tat von Heilbronn geben könne. Diese Mitgliedschaften seien 2002 vor dem Eintreten Kiesewetters in den Polizeidienst beendet worden, die baden-württembergische Organisation sei aufgelöst worden. Allerdings befänden sich beide Beamte noch im Polizeidienst, einer ist am Tattag bei dem Heilbronner Einsatz verantwortlicher Gruppenführer, ohne aber über dessen Planung zu bestimmen.

 

Der BKA-Beamte berichtet auch, dass in der ausgebrannten Wohnung der NSU-Mitglieder in Zwickau zwei Stadtpläne von Stuttgart gefunden worden sind. In einem der Stadtpläne sind Stuttgarter Polizeidienststellen vermerkt. Auf Fotos aus dem Jahr 2003 ist Uwe Böhnhardt in der Stuttgarter Nordbahnhofstraße zu sehen. Außerdem gibt es durch Handschriftenvergleiche Hinweise darauf, dass Böhnhardt und Mundlos zur selben Zeit auf dem Campingplatz Cannstatter Wasen übernachtet haben.

Viele offene Fragen bleiben trotzdem, auch eine auffällige Häufung von Zufälligkeiten. Die Zweifel bei den Opfern, bei ihren Anwälten, aber auch in der Öffentlichkeit, das wird am Mittwoch deutlich, werden auch nach dieser Aussage nicht verstummen. Am Abend kritisierten Anwälte der Nebenkläger die aus ihrer Sicht unzulängliche Arbeit des Bundeskriminalamtes heftig. Die Glaubwürdigkeit der Ermittler leidet vor allem darunter, dass sie trotz aller Bemühungen noch immer kein überzeugendes Motiv für die Bluttat von Heilbronn zu liefern imstande sind.

Eine Geschichte der Eskalationen

Die Geschichte des NSU ist eine Geschichte der Eskalationen. Die Anklage geht davon aus, dass mit Michèle Kiesewetter und Martin A. „Repräsentanten der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ getroffen werden sollten. Es gäbe bedeutendere Repräsentanten der Staatsmacht als zwei junge Bereitschaftspolizisten. Was die beiden aber von allen anderen möglichen Opfern unterscheidet, ist, dass Polizisten dafür ausgebildet sind, der Gewalt mit Gewalt zu begegnen.

Ein Beamter berichtet in München, dass in dem ausgebrannten Campingmobil als Erstes die Dienstwaffe von Martin A. gefunden wird. Sie ist durchgeladen. Sofort ist klar, dass es sich um eine Polizeiwaffe handelt. Und rasch steht fest, dass sie von der so lange rätselhaft erscheinenden Gewalttat in Heilbronn stammt. Erst Stunden später werden die beiden Leichen geborgen. Auch Kiesewetters Waffe und zwei Pumpguns werden rasch entdeckt.

Kaum einer weiß von der Existenz des NSU

Der Terror will Angst und Schrecken verbreiten. Eine in der Bevölkerung aufwallende Panik soll die Umwälzung der bestehenden politischen Verhältnisse ermöglichen. Das ist die absurde Logik. Dafür braucht es  keine Bekennerschreiben, aber der Terror muss als Terror erkennbar sein. Der NSU hat vor Michèle Kiesewetter neun Menschen mit ausländischen Wurzeln ermordet, mindestens zwei Bombenanschläge begangen. Aber die Fahnder erkennen all diese Verbrechen gar nicht als Terrortaten. Außer ganz wenigen Eingeweihten ahnt niemand von der Existenz des NSU. Die Mörder werden über elf Jahre hinweg nicht entdeckt.

Mit jeder Tat müssen deshalb die Allmachtsfantasien der Terroristen steigen. Sie gewöhnen sich an das Töten, sie suchen das Risiko. Anfangs wählen sie noch abgelegene oder einsame Tatorte, am Ende, 2006 in Kassel, morden sie in einem Internetcafé, in dem sich etliche Besucher befinden. Sie fordern ihre Entdeckung geradezu heraus. Aber gleichzeitig müssen sie erkennen, dass aus ihrer Sicht die Ideologie des Terrors gescheitert ist: Es gibt nicht den Ansatz einer öffentlichen Unruhe, im Gegenteil, die deutsche Bevölkerung reagiert auf neun Morde an Bürgern, die aus der Türkei und Griechenland stammen, mit Gleichgültigkeit.

Der Kopfschuss war sofort tödlich war

Mit großem Aufwand und auch mit den neuesten Methoden der Computertechnologie versuchen die Fahnder, die Tat von Heilbronn zu rekonstruieren. Die Obduktion von Michèle Kiesewetter ergibt, dass der eine Kopfschuss sofort tödlich war. Ihr Kollege Martin A. hat nur deshalb Glück, weil der Schuss in seinen Kopf vom harten Knochen des Felsenbeins abgelenkt wird und das Projektil deshalb nur die Randregion des Gehirns durchschlägt. Aber auch die Computertomografie und aufwendige Rekonstruktionsversuche, für die in Rechnern Modelle der beiden Beamten, ihres Fahrzeugs und der Umgebung erarbeitet und verschiedene Sitzpositionen erstellt werden, erlauben kaum zuverlässige Hinweise auf den Standort und die Größe der Täter. Gesichert ist durch Schmauchspuren allein, dass der Schuss auf Martin A. aus einem Abstand von maximal 90 Zentimetern abgegeben worden sein muss. Auch nach dem Mord an Michèle Kiesewetter ermittelt die Polizei jahrelang ergebnislos in viele Richtungen – nur nicht ernsthaft in Richtung Terrorismus.

Martin A. beschreibt seine Kollegin im Münchner Prozess als ein „fröhliches Mädchen, sehr aufgeschlossen, lebenslustig“, aber auch als eine Polizistin, die sehr engagiert war, die wusste, worauf es ankam, die Kollegen half, die in den gehobenen Dienst wollte. So wie er, dessen Traumberuf der eines Polizisten war, der draußen auf der Straße aktiv sein konnte. Martin A. hat sich von dem Schuss in seinen Kopf überraschend gut erholt. Aber er wird sein Leben lang Innendienst machen müssen. Das, was er niemals wollte. „Mir hat es das Herz zerrissen“, sagt er den Richtern, aber auch: „Ich bin gottfroh, dass ich lebe. Ich lebe damit, ob es gut ist oder nicht.“ Was ihn umtreibt und „unzufrieden bis heute macht“, ist, dass das Motiv für die schreckliche Gewalttat nicht klar ist. „Ich weiß nicht, was Sache ist.“

Die Opfer wurden wohl nicht gezielt ausgesucht

Nichts spricht nach all den Zeugenaussagen dieser Woche dafür, dass Michèle Kiesewetter und Martin A. von den Tätern gezielt ausgesucht worden sind. Keine dieser Aussagen erhärtet die Vermutungen, die beiden Täter hätten vorher wissen können, dass die beiden Beamten gerade zu diesem Zeitpunkt auf der Theresienwiese sind.

Ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes berichtet dem Gericht, trotz umfangreicher Ermittlungen gebe es keine Hinweise auf eine Vorbeziehung von Michèle Kiesewetter oder Martin A. in „irgendeiner Form zum NSU“. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass beide in der Vergangenheit Probleme mit der rechten Szene gehabt hätten. Und es gebe keine Hinweise auf eine „Verwechslungstat“.

Kontakte zur rechten Szene

Der Beamte berichtet von der Vernehmung des Wirts einer Gaststätte ganz in der Nähe des Elternhauses von Michèle Kiesewetter in Thüringen. Dieser Mann, der ein Schwager des Mitangeklagten Ralf Wohlleben ist, habe bestätigt, in den neunziger Jahren Kontakte zur rechten Szene und auch zu den drei Mitgliedern des NSU gehabt zu haben. Mit Beate Zschäpe, der Hauptangeklagten in München, habe er eine „kurze Beziehung“ gehabt. Der Mann habe aber „glaubwürdig“ beteuert, dass diese Kontakte nach dem Abtauchen von Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nicht fortgesetzt worden seien.

Man habe ein umfassendes Bewegungsprofil von Kiesewetter und A. für die Tage vor der Tat erstellt und alle Einsätze zusammengetragen, an denen sie beteiligt waren. Auch daraus gebe es aber keine Ermittlungsansätze.

Es fehlt der Bezug zu den Polizisten im Ku-Kux-Klan

Der Ermittler bestreitet, dass es einen Zusammenhang zwischen der Mitgliedschaft von zwei baden-württembergischen Polizeibeamten im rechtsextremen Ku-Klux-Klan und der Tat von Heilbronn geben könne. Diese Mitgliedschaften seien 2002 vor dem Eintreten Kiesewetters in den Polizeidienst beendet worden, die baden-württembergische Organisation sei aufgelöst worden. Allerdings befänden sich beide Beamte noch im Polizeidienst, einer ist am Tattag bei dem Heilbronner Einsatz verantwortlicher Gruppenführer, ohne aber über dessen Planung zu bestimmen.

Der BKA-Beamte berichtet auch, dass in der ausgebrannten Wohnung der NSU-Mitglieder in Zwickau zwei Stadtpläne von Stuttgart gefunden worden sind. In einem der Stadtpläne sind Stuttgarter Polizeidienststellen vermerkt. Auf Fotos aus dem Jahr 2003 ist Uwe Böhnhardt in der Stuttgarter Nordbahnhofstraße zu sehen. Außerdem gibt es durch Handschriftenvergleiche Hinweise darauf, dass Böhnhardt und Mundlos zur selben Zeit auf dem Campingplatz Cannstatter Wasen übernachtet haben.

Viele offene Fragen bleiben trotzdem, auch eine auffällige Häufung von Zufälligkeiten. Die Zweifel bei den Opfern, bei ihren Anwälten, aber auch in der Öffentlichkeit, das wird am Mittwoch deutlich, werden auch nach dieser Aussage nicht verstummen. Am Abend kritisierten Anwälte der Nebenkläger die aus ihrer Sicht unzulängliche Arbeit des Bundeskriminalamtes heftig. Die Glaubwürdigkeit der Ermittler leidet vor allem darunter, dass sie trotz aller Bemühungen noch immer kein überzeugendes Motiv für die Bluttat von Heilbronn zu liefern imstande sind.

Eine Geschichte der Eskalationen

Die Geschichte des NSU ist eine Geschichte der Eskalationen. Die Anklage geht davon aus, dass mit Michèle Kiesewetter und Martin A. „Repräsentanten der freiheitlich demokratischen Grundordnung“ getroffen werden sollten. Es gäbe bedeutendere Repräsentanten der Staatsmacht als zwei junge Bereitschaftspolizisten. Was die beiden aber von allen anderen möglichen Opfern unterscheidet, ist, dass Polizisten dafür ausgebildet sind, der Gewalt mit Gewalt zu begegnen.

Genau dies könnte für Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, die in ihrer extra schallisolierten Wohnung exzessiv Ego-Shooter spielten, ein Grund dafür gewesen sein, von ihren Allmachtsfantasien getrieben ein neues Level der Gewalt auch in der Realität zu erproben. Was, wenn das Motiv für die Gewalttat von Heilbronn nicht mehr wäre als die Lust am Morden? Und die Hoffnung, wenigstens nach dem eigenen Tod, wenn schon nicht die Revolution, so doch Entsetzen auszulösen. Das Böse ist manchmal sehr banal.

Die spannende Frage freilich bleibt, weshalb das Morden nach Heilbronn endet. In der Vergangenheit haben Misserfolge der Fahnder Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt stets zu neuen Taten und einer weiteren Eskalation der Gewalt herausgefordert. Es muss da noch etwas geben, was nur Beate Zschäpe beantworten könnte. München -