Die Deutschen sind im Grillfieber. Nie zuvor wurden mit Grills und Zubehör solche Umsätze erzielt. Dabei hat der Trend längst den Luxussektor erreicht. Wer edel grillt, gibt dafür tausende Euro aus.

Stuttgart - Grillen in Deutschland: das war früher gleichbedeutend mit viel Qualm, verkohltem Billigfleisch, mit Bier und abgebrannten Gartentischen, Nudelsalat und infantilen Männerritualen. Relikte dieser alten Grillkultur mag es noch geben. Doch sie werden verdrängt durch eine verfeinerte Genusswelt, die von Begriffen aus der kulinarischen Beletage besiedelt ist und in der mit Inbrunst über die Zubereitung von Teppanyaki (Japanisches auf der heißen Stahlplatte), die Vorteile von Edelstahl-Wärmeverteilern und die Dauer von Garprozessen diskutiert wird.

 

Mit Grillgeräten, Brennstoffen und Grillzubehör wurden 2011 deutschlandweit fast 1,1 Milliarden Euro umgesetzt. Der Grillholzkohlemarkt ist inzwischen auf rund eine Million Tonnen in Europa angewachsen. Laut einer Erhebung des Online-Portals Statista grillen rund 30 Prozent der Befragten einmal die Woche. 28 Prozent der Frauen finden einen Mann am Grill sexy. Und eine Umfrage des privaten Werbe- und Marktforschungsinstituts Tomorrow Focus Media zeigt: Grillen ist ein geselliges Ereignis. Weit über die Hälfte der Befragten würden niemals alleine den Grill anwerfen. Jan Spielhagen, Editorial Director des Food-Magazins Beef, sekundiert: „Das Grillen ist die vergnüglichste Form des geselligen Kochens.“

Tausende pilgern zu den Grillmeisterschaften

Um diesem Trend das passende Material und Wissensfundament zu liefern, hat sich eine hochspezialisierte Dienstleistungs- und Produktindustrie entwickelt. In nahezu allen großen und mittleren Städten etablieren sich seit einigen Jahren Anbieter, die eine kaum zu überschauende Vielfalt an Grilltechnik anbieten und ihren Kunden in speziellen Kursen auch zeigen, wie man damit umgeht.

Der Leuchtturm dieser Bewegung ist die alljährliche deutsche Grillmeisterschaft, die an diesem Wochenende bezeichnenderweise in Schweinfurt stattfindet. Tausende, bei schönem Wetter sogar Zehntausende Besucher werden erwartet. Das Medienecho ist riesig, Dutzende Fernsehteams haben sich angekündigt. Ernst H. R. Büttner, der für den Veranstalter, die German Barbecue Association (BBQ), die Pressearbeit organisiert, ist selbst über das gewaltige Interesse überrascht: „Da hat sich eine unglaubliche Entwicklung vollzogen.“

De Trend geht zum schonenden Garen

Flammen, unkontrollierte Hitze, verbrutzeltes Billigfleisch – von diesen gesundheitsfeindlichen Ritualen hat sich die Szene längst entfernt. „Eindeutiger Trend der vergangenen Jahre ist das schonende Garen“, erläutert Büttner. Die technisch verfeinerten Geräte – vor allem hochwertige Gasgrills – bieten ein geradezu chirurgisches Instrumentarium zur Temperaturregelung an. „Wir verkaufen auf 20 Gasgrills nur noch einen Holzkohlegrill“, bestätigt Thomas Stockinger, Inhaber des größten Spezialgeschäfts für Grills und Zubehör im Großraum Stuttgart. Wer sich das Angebot Stockingers anschaut, stößt auf Gasgrills mit Namen wie „Outdoorchef Canberra“ oder „Grand Hall Maxim Island“. Letzterer besteht aus porzellanemailliertem Gusseisen und ist mit „Hauptbrenner, Seitenbrenner, Backburner“ ausgestattet. Für solche Geräte werden Preise von 600 bis 1400 Euro aufgerufen.

Das Ende des Grillrosts ist aber auch damit noch nicht erreicht. Die fahrbaren Geräte der Kölner Firma Brennwagen sehen aus wie Bollerwagen für Millionärskinder und sind in den besten Hotels von St. Moritz bis Doha im Einsatz. Für das mit Gas befeuerte Modell GT 1200i sind rund 6000 Euro fällig. Als Extras gibt es Skier, mit denen die noble Outdoorküche auch im verschneiten Park bewegt werden kann.

Bei den Besserverdienenden wird edel gebrutzelt

Die Grillkultur ist in alle Schichten der Bevölkerung eingedrungen– vor allem in die gehobenen. „Die meisten Kunden haben natürlich einen Garten“, meint Stockinger lakonisch. Übertriebener Luxus? Beef-Redakteur Spielhagen verneint: „ Wer zum ersten Mal die Weihnachtsgans auf seinem Grill zubereitet hat und diese so saftig und kross wie keine Weihnachtsgans zuvor gelungen ist, ohne dass der Backofen verklebt, der legt beim nächsten Grillkauf freiwillig noch einen Tausender drauf.“

Neben den Gasgrills haben sich in den vergangenen Jahren vor allem die sogenannten Smoker in den Gärten der Oberschicht breitgemacht. In diesen, an alte Dampfloks erinnernden Grillstationen wird das Fleisch nicht mehr über dem Feuer gegart, sondern einem heißen Luftstrom ausgesetzt. Für den kleinen Hunger zwischendurch sind sie nicht geeignet. Büttner: „Idealerweise hängen Sie den Schweinebauch 24 Stunden vor dem Verzehr in die Heißluft. Das Fleisch wird dadurch butterweich.“ Geschmacksfetischisten überwachen die Verwandlung des toten Schweins in ein Bündel von Röstaromen die ganze Nacht durch. „Und wer eigene Geschmacksnoten mit in den Rauch bringen will, verwendet Holzchips, die vorher in Whisky eingelegt waren.“

Gegrillt wird alles: auch Vegetarisches

Wer auf dem Niveau angekommen ist, schreckt auch vor vegetarischen Gerichten nicht zurück. „Veggi-Grillen ist ein Thema“, weiß Büttner. Das Reglement der Grillmeisterschaft schreibt in diesem Jahr einen rein vegetarischen Gang vor. Der Laie staunt. Hieß es nicht einmal, Grillen sei die ungesündeste Art, ungesundes Fleisch zuzubereiten? „Das ist längst vorbei“, so die Grillexperten unisono. Hochwertige Gas- Holz- oder Holzkohlengrills fangen das Fett auf, bevor es nach unten tropft, verbrennt und krebserregende Stoffe entlässt.

Und gegrillt wird ohnehin alles. Jan Spielhagen: „Ich habe schon Eisbombe, Salat, Schokoladenkuchen mit flüssigem Kern, Pizza, Brötchen, Austern und Apfelstrudel auf den Rost gelegt.“

Und wo bleibt da die oft beschworene urtümliche Faszination der Feuerstelle? Büttner räumt ein, dass die Flamme beim Edelgrillen bis zur Unsichtbarkeit domestiziert wird. Jan Spielhagen findet trotzdem: „Das Grillen kitzelt den archaischen Teil der männlichen DNA.“ Das Reglement der Grill-Olympiade klingt da vergleichsweise nüchtern: „Der Wettkampf hat sieben Gänge“, heißt es. „Je Gang müssen elf Portionen gegrillt werden – vier für die Blind-Degustation und zwei für die Tischjuroren.“ Büttner beschreibt die Atmosphäre bei den Grillmeisterschaften indes als unbeschwert und familiär. Und: eine reine Männerdomäne ist die Grillerei nicht mehr. „Zwei unserer Wettkampfteams treten unter weiblicher Leitung an.“

Noch dominieren die Mänenr am Rost

Ein sehr zaghafter Trend allerdings. Stockinger: „Unsere Kunden sind fast nur Männer.“ Die Frauen müssten vor allem das Budget freigeben. Spielhagen vermutet, dass der Protektionismus der Frauen in der Küche der Grund für den Männerüberschuss am Rost ist. „Dem Mann bleibt nur der Platz am Grill.“

Am Ende eines Exkurses in die Welt der gehobenen Grillkultur mag sich bei dem einen oder anderen leichte Melancholie einstellen. Die Zeit, als man – finanziell schmal aufgestellt – an der Tanke einen Zehn-Euro-Blechgrill samt Kohle, dazu Fleisch und viel Bier kaufte, das Ganze in einer öffentlichen Grünanlage in Brand steckte und nach Genuss mit den austretenden Körperflüssigkeiten löschte, scheinen endgültig vorbei zu sein.

Holz und Fleisch: der neue Trend

Geschmack
Eine „noch nicht erlebte Aromenwucht“ versprechen die Grillexperten des Foodmagazins Beef beim Grillen mit Planken. Dabei werden Fleisch oder Meerstiere auf ausgewählte Holzstücke gelegt. Das feuchte Holz entlässt beim langsamen Verbrennen exklusive Raucharomen. „Süßlich duftend“ bei Birkenholz, „dezent“ bei Eschenholz, „fruchtig mild“ bei Apfelholz. Über die Feinstaubbelastung liegen keine Angaben vor. Wasser
Für das perfekte Planken wird das Holz bereits am Vortag gewässert und eingeweicht. Eine Stunde vor dem Beginn des Grillens wird die Planke aus dem Wasser genommen und auf die glühenden Kohlen gelegt. Wer richtig Eindruck hinterlassen will, drapiert beispielsweise einen halbierten Hummer (Achtung: vorher den Darm des Schalentiers entleeren!) auf dem Holz und bestreicht ihn mit schaumiger Gewürzbutter. Gegrillte und gefüllte Paprika (Bild) garen am besten auf Zedernholz. Um den Geschmack zu veredeln, lässt der Profi einen Regen aus Gewürzen und Kräutern auf das Grillgut niedergehen.

Apfel
Wer noch mit einem Bein in der alten Grilltradition steht, kann auch den vertrauten Schweinebauch auf die Planke legen. Offenbar versöhnt sich das tote Tier mit seinem Schicksal am besten auf Apfelholz, das beim Glimmen ein „herbes Aroma entwickelt und mit fruchtigen Rauchnoten schwelt“, wie es in Beef heißt. Man mag sich für den letzten Gang eines Schweins kein angenehmeres Ambiente vorstellen.

Handel
Planken und Räucherholz werden im Fachhandel fertig portioniert angeboten. Begehrt ist Holz aus dem Salzgebirge zwischen Indus und Himalaja. Mit Regalbrettern aus dem Baumarkt sollte man den Grill nicht bestücken.