Der SWR hat den Tübinger Oberbürgermeister zu einer Diskussionsrunde eingeladen. Palmer verteidigt seine Facebook-Polemik – und gibt sich aber auch lernbereit.

Tübingen - Auf Facebook postete er unverpixelte Fotos von Falschparkern oder wahlweise Schwarzfahrern. Er benutzte in seinen Kommentaren Kraftausdrücke, für die man sich fremdschämen muss. Und er legte sich jüngst auf dem Nachhauseweg mit einem Studenten an, der ihn beleidigt haben soll. Ein Streit, über den Medien vom Bodensee bis nach Berlin berichtet haben.

 

Die Rede ist von Tübingens grünem Oberbürgermeister Boris Palmer. Wie der Rathauschef einer schwäbischen Unistadt mit 90 000 Einwohner es schafft, so viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, wollte der SWR wissen und hat Palmer am Mittwochabend zu einer einstündigen Debatte ins Tübinger Studio eingeladen, die live gestreamt wurde. „OB Palmer und die Medien“ war sie schlicht überschrieben; und wie so oft bei Streitgesprächen wurde vieles nur allzu kurz gestreift und zu wenig vertieft.

Im Dauerclinch liegt Palmer mit der Tübinger Lokalzeitung „Schwäbisches Tagblatt“. Deren Chefredakteur Gernot Stegert kritisierte als Kontrahent im Studio Palmers „emotionale Überreaktionen“, seinen „alarmistischen Tonfall“ und das ständige „Schwarzsehen“ – egal ob in der Flüchtlingspolitik oder bei Sicherheitsaspekten. Palmer betreibe eine gefährliche Polarisierung, vor allem auf Facebook. Ein Oberbürgermeister müsse sorgfältiger sein in seiner Wortwahl, bemängelte auch die SWR-Journalistin und Social-Media-Expertin Sandra Müller, die Palmer ein „explosives Kommunikationsnaturell“ attestierte und sich mehr Zurückhaltung wünscht. „Er ist ein Selfmadepromi, der sich einmischt, mit Äußerungen, die man bei einem grünen OB nicht erwartet.“ Das mache ihn interessant und überraschend. Allerdings versuche er ständig, die Medien zu erziehen, ihnen mit erhobenem Zeigefinger zu erklären, was sie angeblich alles Falsches berichtet hätten.

Palmer setzt auf die Macht der Argumente – und scheitert manchmal damit

Verständnis für Palmers Drang zur Dauerdebatte brachte der Medienwissenschaftler Wolfgang Schweiger von der Universität Hohenheim auf. „Sie glauben an die Macht der Argumente, das ist das Habermas’sche Diskursmodell.“ Doch Schweiger warnte vor der viralen Kraft der Kontroversen auf Facebook. Bestimmte Aussagen würden von den falschen Leuten genutzt, Palmer habe darauf dann gar keinen Einfluss mehr. „Es sind Millionen von Rassisten auf Facebook unterwegs, das ist ein Spiel mit dem Feuer.“

Boris Palmer zeigte sich zumindest teils aufgeschlossen. „Ich bin ein Lernender“, sagte er und gab zu, dass es besser wäre, wenn er seine Posts vor der Veröffentlichung jemanden gegenlesen ließe. Er stehe aber zu deren Inhalten, suche nach provokanten Formulierungen. Allerdings ist der 46-Jährige selbst von manchen Formulierungen genervt, immer wieder irritierten ihn Schlagzeilen. „Die Medien lassen wichtige Sachen oft liegen“, kritisiert er, lange sei das Thema Migrationspakt bundesweit ignoriert worden. „Mit absurden Kuriositäten wird dagegen die ganze Welt behelligt.“