Welche der seltenen Uhren repariert werden, entscheiden die Profis. Den Umfang der Uhrensammlung aus der Zarenzeit vermag Cornehl kaum zu schätzen – vage Quellen sprechen von mindestens 350 Exemplaren. Jedenfalls geht ihm und seinen Kollegen die Arbeit auf Jahre nicht aus. Im Magazin des Museums lagere noch so einiges. Alle Werke, die sie wieder repariert haben, darunter vielerlei Kuriositäten, können die Besucher sehen. Hunderttausende kommen Jahr für Jahr auf Schloss Peterhof, dreißig Kilometer vor St. Petersburg. Es ist eines der Zentren des Tourismus in Russland, direkt am Finnischen Meerbusen gelegen. Zar Peter I. ließ es von 1714 an erbauen. 1723 wurde es eingeweiht. Seine Nachfolger und Erben machten daraus eines der größten und schönsten Barockensembles der Welt und einen zentralen Ort der russischen Geschichte. Berühmt sind die riesigen Wasserspiele. Seit 1990 zählt die rund 200 Hektar große Anlage zum Weltkulturerbe.

 

Über den Wert der dortigen Preziosen, die aus ganz Europa stammen, macht sich der Meister aus Stuttgart keine Gedanken: „Natürlich geht der Wert der Sammlung in die Millionen. Aber das spielt keine Rolle, denn es wird ja nichts verkauft.“ Selbstverständlich steige der Wert der großen und kleinen Schätze, von der historischen Taschenuhr bis zur massiven Standuhr, wenn sie wieder die Zeit anzeigen. Und natürlich wachse – zumindest in Kennerkreisen – die Bekanntheit derer, die sie neu zu ihrem technischen Leben erweckt haben. Die Namen derjenigen, die zum „Fachkreis Historische Uhren“ zählen, einem eingetragenen Verein, besitzen einen guten Klang. Einige von ihnen arbeiten für den Maharadscha von Jodhpur in Indien. Neulich war Cornehl in Moskau, wo ein Museum an seiner Arbeit interessiert ist. Auch in Deutschland gibt es Sammler, die die Sachkunde der Experten schätzen.

Stichwort Beutekunst: „Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt, aber ich halte es schon für möglich, dass unter den Stücken auch Beutekunst ist“, sagt Steffen Cornehl. Ihm persönlich gehe es jedoch nicht um politische oder geschichtliche Aspekte: „Wir Uhrmacher aus dem Westen wissen selbstverständlich, dass die deutsche Wehrmacht das Schloss Peterhof besetzt und nicht gelöscht hat, als ein Feuer ausbrach. Es mag ältere Kollegen unter uns geben, die in ihrer Arbeit dort einen Beitrag zur Wiedergutmachung sehen.“ Er selbst, der jüngste unter all den Restauratoren, hege solche Gefühle allerdings nicht: „Ich stehe zu dieser ehrenamtlichen Arbeit, sehe sie aber für mich persönlich als eine praktische Chance zur Weiterbildung, denn diese Erfahrungen, die ich auf Schloss Peterhof sammle, kann ich für meinen Beruf sehr gut gebrauchen.“

Seit 1998 lebt und arbeitet Cornehl im Stuttgarter Osten, wohin es ihn nach Zwischenstationen in Reutlingen und dem Studium des Maschinenbaus und der Betriebswirtschaft in Esslingen verschlagen hat. An der Rossbergstraße führt er seine eigene Werkstatt. Für die Zukunft hat er präzise Pläne: „Die historischen Uhren bleiben ein Schwerpunkt meiner Arbeit. Aber ich habe die feste Absicht, eine eigene, exklusive Uhrenserie zu entwerfen.“ Klar, dass er die sportive Armbanduhr, die er trägt, selbst gebaut hat.