Familienangehörige des Stifters Hans Rehn bezahlten den Naziterror mit ihrem Leben. Dennoch hat er seiner Heimatstadt Stuttgart nicht gegrollt und ihr eine Seniorenwohnanlage beschert.

Vaihingen/Stuttgart - Dass der Stuttgarter Unternehmer Hans Rehn (1890 bis 1970) als Menschenfreund in Erscheinung getreten ist, verdankt die Landeshauptstadt angesichts der Schicksalsschläge, die ihm Mitmenschen zugefügt hatten, seiner inneren Größe. Der Nachwelt hat der Mann, der Stuttgart den Bau und Betrieb eines großen Seniorenpflegeheims ermöglichte, kein umfassendes Archivmaterial über seine Person und sein Wirken hinterlassen. Gestern hätte er seinen 130. Geburtstag gefeiert. Um seinen Lebensweg nachzuzeichnen, hat der Autor Wolfgang Kress für sein Buch „Hans Rehn, Maßstäbe für die Zukunft“ Studien in Zeitungsarchiven, im Bundesarchiv Koblenz, im Staatsarchiv Ludwigsburg und im Stadtarchiv Stuttgart betrieben.

 

Im Ersten Weltkrieg kam er in britische Gefangenschaft

Seinen Vater Karl hat Hans Rehn nie kennengelernt. Der Silberschmied starb 14 Tage vor der Geburt seines Sohnes. 1895 heiratete Hans Rehns Mutter Luise den Wiener Silberschmied Albert Feit, der die Werkstatt der Familie Rehn zum Juweliergeschäft ausbaute. Nach seinem Schulabschluss 1904 und der Ausbildung zum Kaufmann machte Hans Rehn eine Lehre in einem Papiergeschäft und schloss die Handelsschule ab. Im Ersten Weltkrieg kam er bis 1919 in britische Gefangenschaft.

Wieder daheim bereitete er seinen beruflichen Werdegang vor und eröffnete am 1. Oktober 1920 an der Königstraße 18 A einen „Vertrieb für Papier und Kontorbedarf“. Sein geschäftlicher Erfolg ermöglichte es ihm, Ende Juni 1923 in einem repräsentativen Haus gegenüber der Stiftskirche, neue Verkaufs- und Büroräume zu eröffnen.

1933 trat Hans Rehn der NSDAP bei

Der Erfolg blieb ihm und seiner Frau Lili, die ihn unterstützte, treu: Anfang der 1930er Jahre kamen zwei weitere Filialen an der Königstraße hinzu. Die Weichen für ein finanziell gesichertes, sorgenfreies Leben schienen gestellt. 1933 kamen aber die Nazis an die Macht, und die Angst saß der Familie des Rassenwahns der Nazis wegen im Nacken. Albert Feit, Hans Rehns Ziehvater, war jüdischen Glaubens. Die Kinder Elsa und Klara, die er mit Hans Rehns Mutter hatte, galten als Halbjuden. Hans Rehn, der nicht als Nazi galt und der 1932 über Aufmärsche der Braunen geschimpft hatte, trat im Mai 1933 der NSDAP bei, galt der Partei aber als unzuverlässig.

Weil er in seinem Geschäft Juden beschäftigte, waren seine Schaufenster mit Beschimpfungen verschmiert. Unter der Rubrik „Kleine Nachrichten. Was das Volk nicht verstehen kann“ stand im Februar 1939 im antisemitischen Hetzorgan „Der Stürmer“ folgende Nachricht: „Die Firma Hans Rehn, Stuttgart, Stiftstraße 5, bestellte im Januar bei einer Wiener Judenfirma Waren.“ Der Weg vom Rufmord zum Mord war kurz. Hans Rehns nervenkranke Halbschwester Klara wurde am 30. Mai von den Nazis in Grafeneck umgebracht. Albert Feit nahm Gift, als ihn die Gestapo 1944 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportieren wollte.

Er wollte ein Altenheim mit seinem Namen

Nach der Befreiung 1945 wurde Hans Rehn entnazifiziert, und trotz der schrecklichen Ereignisse in der Familie kümmerte er sich um den Wiederaufbau seines im Krieg zerstörten und beim Einmarsch der Alliierten geplünderten Geschäfts. An der Stiftstraße 3 wurde am 22. Mai 1954 das vom Stuttgarter Architekten Hermann Krenz im modernen Stil entworfene neue Firmengebäude mit dem markanten Füllfederhalter an der Fassade eingeweiht. Es war als „Füllerzentrale“ bekannt, und Hans Rehn etablierte sich endgültig als renommierte und unter anderem 1965 mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Unternehmerpersönlichkeit.

Weil er keine Kinder hatte, beschloss er, sein Vermögen sozialen Zwecken zukommen zu lassen, er verfügte 1969, dass eine Stiftung ein Altenheim mit seinem Namen errichten sollte. Es wurde am 15. November 1977 als „Hans-Rehn-Stift“ auf der Rohrer Höhe eingeweiht.