Fritz Gempel will das Böblinger Fleischermuseum zu einem Mittelpunkt der Branche machen. Das Handwerk braucht seiner Meinung nach neue Ideen, um die Zukunft zu sichern. Und die liefert „das schrägste Haus“ am Marktplatz.

Böblingen - Fritz Gempel hält das Deutsche Fleischermuseum für eine befruchtende Einrichtung: „Ein Handwerk, das sich selbst in die Zukunft retten will, braucht Ideen“, sagt der 56-Jährige. Er ist Fleischermeister und als Unternehmensberater von Fürth aus tätig. Den Vorsitz im Verein Deutsches Fleischermuseum übernimmt er von Kurt Nagel, der den Posten 40 Jahre lang innehatte.

 

Herr Gempel, wie sind Sie denn zu Ihrem neuen Ehrenamt in Böblingen gekommen?

In der Tat habe ich als Einmannfirma vor drei Jahren gesagt, dass ich mir ein weiteres Ehrenamt nicht leisten kann. Damals hat mich Kurt Nagel schon gefragt, ob ich sein Nachfolger werden will. Aber irgendwann überwiegt die Ehre und das Empfinden, dass eine Absage unanständig wäre. Gleichzeitig kam mit Christian Baudisch ein neuer Museumsleiter ins Spiel. Und wir haben ein hohes Maß an Übereinstimmung bei der Betrachtung des Fleischerhandwerks und seiner Entwicklung.

Wie sieht diese Entwicklung aus?

Vor 25 Jahren gab es noch 35 000 Metzgereien in Deutschland, heute sind es noch 12 000. Zwei Drittel der Betriebe wurden also geschlossen. Das ist die traurige Seite. Allerdings sind die bestehenden Betriebe heute deutlich größer als früher.

Woran liegt es, dass so viele Betriebe aufgegeben haben?

Fangen wir mit der Selbstkritik an: Ganz sicher hat es das Handwerk verschlafen, mit seinen eigenen Argumenten zu werben – zum Beispiel zu erklären, dass die handwerkliche Schlachtung die tierschonendste Schlachtung überhaupt ist. Diese Tatsache haben wir viel zu lange versteckt, weil wir nicht den Mut hatten, die Schlachtung überhaupt zu thematisieren. Natürlich steht auf der anderen Seite ein Billigwahn, der von den Discountern geschürt wird. Seit ein paar Jahren gibt es immerhin noch die Entwicklung, dass das Lebensmittel Fleisch bei einem qualitätsbewussten Teil der Bevölkerung sehr positiv besetzt ist wie früher beispielsweise das Auto oder der Urlaub.

Das klingt, als hätten Sie als Unternehmensberater viel zu tun. Warum laden Sie sich dann noch ein Ehrenamt in einem Museum auf?

Das Fleischermuseum wirkt in zwei Richtungen. Lokal spricht es ein kulturaffines Publikum an. Andererseits strahlt es in das Handwerk aus. Dort sehe ich meine Chance. Das Fleischermuseum ist eine grandiose Location. Ich habe große Lust, dass es zu einem Branchenmittelpunkt und zu einer Weiterbildungsstätte wird.

Inwiefern?

Der Museumsleiter Christian Baudisch hat eine enorme geistige Beweglichkeit, Themen aus Kunst und Kultur mit unserer Branche zu verknüpfen. Er befruchtet. Eine Branche, die sich selbst in die Zukunft retten will, braucht neue Ideen.

Das Fleischermuseum ist ziemlich klein: Kann es wirklich viel bewegen?

Nach der Quadratmeterzahl gemessen und wenn man es mit den Museumspalästen vergleicht, ist es klein. Aber es kann scharf schießen und mit seinen Inhalten Aufmerksamkeit schaffen.

Das Fleischermuseum wirbt damit, weltweit einzigartig und „das schrägste Haus am Böblinger Marktplatz“ zu sein. Kommt dieser Ansatz bei den Handwerkern an?

Wenn einige Kollegen das Museum betrachten und zum Schluss kommen, dass wir schon ein bisschen spinnen, dann ist das genau das Kompliment, das wir uns verdienen wollen. Weil wir dadurch zum Nachdenken auffordern. Man könnte das Museum mit alten Gegenständen vollpflastern. Aber wenn freakige Künstler aus Berlin nach Böblingen kommen und ein Comic über das Fleischerhandwerk ausstellen wie momentan und die Besucher es chic finden, in das Fleischermuseum zu gehen, gibt dies vielen Metzgern die Botschaft: Wir sind cool, wir müssen es nur leben. Dafür reichen wenige Quadratmeter aus.