Benötigen Volksvertreter einen besonderen Schutz vor dem Volkszorn? Die Debatte darüber hat vor 100 Jahren nach der blutigsten Demonstration der deutschen Geschichte begonnen. Seitdem haben Linke wie Rechte einen Mangel an Respekt vor dem Parlament erkennen lassen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Stuttgart - Parolen, für die vor 100 Jahren Menschen erschossen wurden, sind heute mehrheitsfähig. Was auf den Transparenten der Demonstranten vor dem Reichstag am 13. Januar 1920 zu lesen war, mutet jedenfalls wenig revolutionär an. „Her mit dem vollen Mitbestimmungsrecht“, lautete eine zentrale Forderung. Aus heutiger Sicht ist schwer vorstellbar, dass eine solche Kundgebung blutig enden würde. „Nie zuvor oder danach forderte eine Demonstration in Deutschland einen solch hohen Blutzoll“, so bilanziert der Historiker Axel Weipert das Geschehen an jenem Dienstag, das Anlass war, das Parlament besser zu schützen. Damals wurde die Bannmeile erfunden – um die nach dem verhinderten „Sturm“ von Rechtsradikalen auf das Reichstagsgebäude im Zuge der letzten Berliner Corona-Demo nun erneut eine Debatte entbrannt ist. An diesem Donnerstag will sich damit der Ältestenrat des Bundestags befassen.