Durch das 1:1 in Moskau hat der VfB souverän die Gruppenphase der Europa League erreicht. Dort warten durchaus namhafte Gegner auf die Stuttgarter.

Moskau - Der Mann mit dem stattlichen Bauch, der neben Bruno Labbadia auf dem Podium sitzt, kratzt sich ratlos am Kopf. Ganz offensichtlich hat er von der vorangegangenen Spielanalyse des VfB-Trainers kein Wort verstanden, was etwas problematisch ist, weil der Russe als Dolmetscher für die heimischen Reporter fungieren soll. Da Labbadia ein freundlicher und geduldiger Gast ist, fasst er seine Ausführungen kompakt und zum Mitschreiben in vier Worte zusammen: „Gute Leistung, verdient, konzentriert.“

 

Es ist die kürzestmögliche Zusammenfassung, die das schmucklose 1:1 des VfB am Dienstagabend bei Dynamo Moskau ziemlich exakt auf den Punkt bringt. Konzentriert waren die Stuttgarter in der Tat und ließen nach dem 2:0-Hinspielsieg nichts anbrennen. Sie zogen höchst verdient in die Gruppenphase der Europa League ein; und wenn man bedenkt, dass der Gegner aus der russischen Hauptstadt einige Ambitionen und hochbezahlte Profis wie Kevin Kuranyi in seinen Reihen hat, kann man durchaus zu dem Urteil kommen, dass es sich in der Summe beider Spiele um eine gute Leistung des VfB gehandelt hat.

In Monte Carlo werden am Freitag die Gruppen ausgelost

Das erste Saisonziel hat der Verein also erreicht. „Wir freuen uns auf die Europa League und mindestens sechs weitere Spiele“, sagt der Manager Fredi Bobic. Entsprechend beschwingt wird sich der Finanzchef Ulrich Ruf morgen auf eine schöne Dienstreise nach Monte Carlo machen. Der VfB ist mit in der Verlosung, wenn mittags um eins im Grimaldi-Forum die zwölf Europa-League-Gruppen ermittelt werden.

Nach derzeitigem Stand befinden sich die Stuttgarter als Spitzenreiter im Lostopf zwei. Das kann sich noch ändern, wenn nur eines der Teams mit höheren Koeffizienten wie Twente Enschede oder Sporting Lissabon in den Play-off-Rückspielen heute ausscheidet. Dann würde der VfB zu den besten Mannschaften aufrücken – und Duellen mit Inter Mailand oder dem FC Liverpool aus dem Weg gehen.

Er habe im vergangenen Jahr, sagt der Kapitän Serdar Tasci, den Weg von Hannover 96 „genau verfolgt“ und wisse daher: „Mit etwas Losglück kann man in der Europa League weit kommen.“ Von „einigen klangvollen Namen“, spricht Bobic – und hofft zuallererst darauf, dass seinem Team ZSKA Moskau und damit eine erneute Reise in die russische Hauptstadt erspart bleibt: „Da steht man ja dauernd im Stau“, sagt Bobic, der für die Anreise zum Stadion mehr als eine Stunde gebraucht hat.

Mit Schwung in Auswärtsspiel beim FC Bayern

Es spricht für die Mannschaft, dass sie sich auch von solchen Widrigkeiten nicht beirren ließ und mit größter Seriosität ihre Aufgabe erfüllt hat. Mit ihrer Kompaktheit und Effizienz präsentierte sie Qualitäten, von denen sie auch profitieren dürfte, wenn am Sonntag mit dem Gastspiel beim FC Bayern der Ligabetrieb weitergeht.

„Es geht für uns in diesem Spiel keineswegs um Schadensbegrenzung – wir wollen dort gewinnen“, sagt der Torhüter Sven Ulreich kampfeslustig. Doch auch wenn das nicht gelingt (wovon man nach der Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte ausgehen muss) und der VfB nach zwei Spieltagen mit null Punkten in die Länderspielpause geht: die Furcht vor einer wirklichen Abwärtsspirale hält sich bei den Verantwortlichen in Grenzen.

Zu einem sehr stabilen Ensemble, das sich auch von Rückschlägen nicht völlig aus der Spur bringen lässt, scheint Labbadias Team seit Jahresbeginn zusammengewachsen zu sein. Es basiert auf einer starken Defensive um das Innenverteidigergespann Serdar Tasci und Maza sowie davor William Kvist als Abräumer mit großen strategischen Fähigkeiten. Und ganz vorne verfügt der VfB in Vedad Ibisevic über jene Sorte Stürmer, die sich jede Fußballmannschaft wünscht. Eine Torchance genügte dem Bosnier in Moskau, um letzte Zweifel am Weiterkommen zu beseitigen – und zu demonstrieren, dass sein Blackout beim Elfmeternachschuss gegen den VfL Wolfsburg (0:1) mutmaßlich ein einmaliger Ausrutscher war, der kein größeres Trauma zur Folge hat.

Vedad Ibisevic gibt die Antwort auf die Kritik

„Es war ganz wichtig, dass er die Antwort gegeben hat“, sagt Bobic, der sich sehr darüber geärgert hat, wie mit Ibisevic nach dem Spiel gegen Wolfsburg in der Öffentlichkeit umgegangen worden sei. Als „Elferdepp“, über den ganz Deutschland lache, war er in einer Boulevardzeitung verhöhnt worden, was naturgemäß auch dem Stürmer selbst nicht besonders gefallen hat. Wortlos steigt Ibisevic nach dem Spiel in Moskau in den Mannschaftsbus.

Dafür verspürt Bruno Labbadia im Anschluss an seine Vierwortanalyse das Bedürfnis, sich in dieser Angelegenheit zu äußern. „Es ist fantastisch, wie er mit der Sache umgegangen ist“, sagt der VfB-Trainer und bittet um etwas mehr Zurückhaltung in der Beurteilung: „Wir müssen alle aufpassen, dass wir das Rad nicht überdrehen.“ Vernünftigerweise verzichtet der Dolmetscher in diesem Falle darauf, den Sachverhalt seinen russischen Landsleuten weitergeben zu wollen.