Florian Klein, im Sommer aus Salzburg zum VfB Stuttgart gekommen, hat nicht lange gebraucht, um seine Rolle zu finden. Das unterscheidet ihn von vielen anderen Neuzugängen.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Ja, der Yildiray Bastürk. Armin Veh schmunzelt, wenn er an den früheren Fußballer denkt. „Ein geiler Kicker“, sagt Veh noch heute über den türkischen Techniker mit der hypersensiblen Muskulatur. Weshalb ihn der damalige und auch aktuelle VfB-Trainer anno 2007 unbedingt haben wollte und die Verpflichtung vorantrieb. Letztlich entpuppte sich Bastürk mit seiner Verletzungsanfälligkeit aber als eines der größten Transfermissverständnisse auf Stuttgarter Fußballfeldern.

 

Florian Klein dagegen wird kaum damit rechnen können, dass Veh ihn irgendwann als genialen Fußballer bezeichnet. Doch der Österreicher hat nach wenigen Monaten beim VfB erreicht, was Bastürk in seinen zweieinhalb Jahren (31 Liga-Einsätze) in Stuttgart nicht geschafft hat: Klein hat seine Rolle gefunden und ist auf dem besten Weg eine verlässliche Größe zu werden.

Klein hat bislang alle 810 Pflichtspielminuten absolviert

Dabei war das Murren im Clubumfeld nicht zu überhören, als der Ex-Manager Fredi Bobic Anfang Mai den ablösefreien Wechsel bekanntgab: Florian Klein von Red Bull Salzburg – das konnte kein Großer sein. Nun hat Klein vor der Begegnung an diesem Samstag bei Eintracht Frankfurt neben Daniel Schwaab als einziger VfB-Profi alle 810 Pflichtspielminuten absolviert. Anfangs vor allem solide in der Defensive, zuletzt in der Offensive mit einem Treffer gegen Bayer Leverkusen und zwei Torvorlagen immer auffälliger, auf jeden Fall aber stets energisch und engagiert.

„Es läuft so, wie ich mir das in der deutschen Bundesliga vorgestellt habe“, sagt Klein über den Unterschied zum österreichischen Pendant: „Jedes Wochenende steht ein richtig schwieriges Spiel an. Da kann alles passieren.“ Darauf hat sich der Abwehrspieler eingestellt – vom ersten Tag an in der Vorbereitung. Das spricht für Kleins Berufsauffassung und macht ihn unter den VfB-Zugängen der jüngeren Vergangenheit fast schon zu einer Ausnahme. Denn an ihm zeigt sich, dass Spieler in Stuttgart eben doch eine Entwicklung durchlaufen und besser werden können.

Der Bäcker wundert sich, wenn Klein Semmeln bestellt

Sportlich hat sich Klein rasch gesteigert, privat gut eingefunden. Mit seiner Frau und den zwei Kindern lebt er in Esslingen und sagt: „Sprachlich und sozial gibt es hier ja keine großen Unterschiede.“ Es sei denn, er bestellt beim Bäcker Semmeln und erhält erst nachein paar Irritationen seine Brötchen. Für sein neues Arbeitsumfeld sieht sich der Nationalspieler ebenfalls präpariert: „Salzburg mit dem großen Konkurrenzkampf und seinem Tempofußball war eine sehr gute Vorbereitung auf die hiesige Bundesliga.“

Andere neue Spieler wie Adam Hlousek, Daniel Ginczek oder auch Filip Kostic haben bezüglich ihrer fußballerischen Integration in die VfB-Elf schon mehr Schwierigkeiten. Zuvor blieben auch Zugänge wie Konstantin Rausch, Karim Haggui, Mohammed Abdellaoue oder Moritz Leitner einiges schuldig. Andere wie der Rumäne Alexandru Maxim ließen durchaus ihre spielerische Klasse aufscheinen, erreichten jedoch keine Konstanz.

Die Gefühlslage im Verein hat sich massiv verschlechtert

Die Gründe dafür sind vielfältig und individuell, münden aber trotzdem in eine zynische Theorie: Der VfB holt nicht das Beste, sondern zeitweise das Schlechteste aus seinen Spielern heraus – unabhängig von Trainern, Verletzungen, Formschwankungen, Sprachproblemen und Kulturschocks. Unbestritten ist aber, dass der Abstiegskampf in der Vorsaison und die Führungskrise im Verein die Gefühlslage fundamental verschlechtern haben.

Schwer hängt das Stimmungstief über dem Clubhaus und erschüttert es bei Niederlagen immer wieder aufs Neue. Auch Klein spürt, wie die Fehlentwicklungen auf der Mannschaft lasten. „Wir müssen noch überzeugter von uns selbst sein“, sagt er. Mehr investieren, mehr Mut zeigen, besser gegen den Ball arbeiten – wie nach der Pause beim gleichermaßen entlarvenden wie entfesselten 3:3 gegen Leverkusen. Da spielte Klein schon wieder auf seiner angestammten rechten Außenverteidigerposition, nachdem ihn Veh zuvor in einer neuen Versuchsanordnung der Viererkette auf links gestellt hatte. Auch ein Beweis dafür, dass der Trainer Kleins schneller Auffassungsgabe und Anpassungsfähigkeit in kritischen Phasen eher vertraut als Gotoku Sakais Wundertütenfußball. Denn bei dem Japaner weiß man ja nie, was am Spieltag herauskommt.

Sehenswertes Premierentor gegen Leverkusen

Bei Klein wissen sie dagegen beim VfB immer mehr zu schätzen, was sie an ihm haben. Selbst wenn der Linzer die Seite wechselt. „Das kann für unser Spiel Gutes bewirken“, sagt er. Zum Beispiel nach Innen ziehen und mit dem starken rechten Fuß den Abschluss suchen. Ähnlich wie bei seinem Premierentor. Timo Werner hat er da weggescheucht, als er den Ball aus dem Strafraum auf sich zukommen sah und alles in den Schuss gelegt, was er an Kraft, Technik und Wut hatte. „Volleyschüsse und Dropkicks gehen ganz gut“, sagt Klein. Womöglich sogar besser als bei Bastürk.