Die Ersatzbank des VfB Stuttgart um den starken Alexandru Maxim hat maßgeblich zum 2:0-Sieg gegen Freiburg beigetragen. Im Abstiegskampf könnte sie zu einem entscheidenden Faktor werden.

Stuttgart - Fast wäre in jener 80. Spielminute ein Notarzt nötig gewesen, und eine Hundertschaft der Polizei hätte zur Beruhigung der Lage vermutlich auch nicht geschadet. Der Angstschweiß jedenfalls steht noch immer auf der Stirn von Bernd Wahler, als der VfB-Präsident nach dem Spiel von dem Moment berichtet, als ihm „das Herz stehen geblieben“ sei. Mit einem monströs verunglückten Kopfball-Rückpass hatte der VfB-Verteidiger Gotoku Sakai dem Freiburger Stürmer Admir Mehmedi die große Gelegenheit zum 1:1-Ausgleich serviert. Man mag sich lieber nicht vorstellen, was in der Stuttgarter Fankurve los gewesen wäre, wenn der Schweizer Nationalspieler die freundliche Einladung angenommen – und der VfB ein weiteres Mal eine Führung nicht ins Ziel gebracht hätte.

 

Glücklicherweise parierte der VfB-Torwart Sven Ulreich, der überragende Mann auf dem Platz, den Schuss von Mehmedi. Wenig später stocherte auf der anderen Seite Martin Harnik den Ball sogar zum 2:0-Endstand über die Linie – und so blieb es dem VfB und seinem Präsidenten endgültig erspart, nach Sakais Blackout den ganz großen Alarm auszurufen. Der Japaner ist zwar auch nach dem Duschen noch ganz blass um die Nase, das Herz Wahlers aber schlägt wieder im grünen Bereich. Und draußen feiern die Fans einen kapital wichtigen Heimsieg im Baden-Württemberg-Derby.

Nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zum Klassenverbleib

Alles andere als drei Punkte, das wussten die Stuttgarter schon seit Freitagabend, hätte fatale Folgen gehabt. Im Mannschaftshotel mussten die Spieler vor dem Fernseher mit ansehen, wie der Hamburger SV durch den 2:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen an ihnen vorbeizog; Freiburg hatte anderntags die Möglichkeit, den VfB fast uneinholbar auf Distanz zu halten. „Wir mussten gewinnen, um nicht den Anschluss zu verlieren“, sagt der erneut starke Außenstürmer Ibrahima Traoré, nachdem sein Team bewiesen hat, diesem gewaltigen Druck standhalten zu können. Den HSV hat der VfB wieder überholt, Freiburg zurück in den Abstiegssumpf gezogen. Trotzdem war es im Kampf um den Klassenverbleib nur „ein kleiner Schritt“, wie der VfB-Trainer Huub Stevens bilanziert. Bis zur Rettung ist es noch immer ein sehr weiter Weg.

Längst geht es nicht mehr darum, wie der VfB seine Spiele gewinnt – entscheidend ist allein, dass die Punkte in Stuttgart bleiben. Das war beim unansehnlichen 1:0 gegen Hamburg neulich nicht anders als in der ersten Hälfte gegen Freiburg. Bis zur Pause sei das Spiel „taktisch geprägt“ gewesen, sagt Stevens – was meist so viel heißt wie: unschön anzusehen für die Zuschauer. Allerdings ist es angesichts des dünnen Nervenkostüms seiner Spieler wohl der einzig richtige Weg des Trainers, zunächst einmal auf totale Ordnung und Stabilität in der Defensive zu setzen. „Wir müssen da unten rauskommen – ganz egal wie“, sagt der Spielmacher Alexandru Maxim.

Nicht zuletzt mit seiner Einwechslung (und der des Stürmers Timo Werner) hatte es zu tun, dass das Spiel des VfB nach der Pause besser und mutiger wurde. Sie kamen in jener Phase, als Freiburg immer stärker wurde – und entschieden (neben Ulreich) das Spiel. Schon gegen Hamburg hatte Maxim den entscheidenden Treffer erzielt, auf identische Weise schoss er auch diesmal das 1:0 – und lieferte per Eckball sogar noch die Vorarbeit zum 2:0.

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Die Konkurrenz pfeift aus dem letzten Loch

Der Schwung, der von der Ersatzbank kommt, er könnte auch in den fünf verbleibenden Spielen im Abstiegskampf ein entscheidender Vorteil für den VfB sein. Groß sind die Verletzungssorgen bei den Konkurrenten aus Hamburg, Nürnberg oder Freiburg, die personell teilweise fast schon aus dem letzten Loch pfeifen. Der VfB hingegen kann ganz offensichtlich auch aus der zweiten Reihe neue Kräfte schöpfen. „Wir haben immer gesagt, dass wir jeden Mann brauchen, dass jeder im Kader wichtig ist“, sagt Huub Stevens.

Das schürt neue Hoffnung, auch in Gladbach, gegen Schalke, in Hannover und gegen Wolfsburg bestehen zu können. Und sollte es unbedingt nötig sein, dann muss, wie am Samstag der FC Augsburg bewiesen hat, auch das letzte Spiel in München nicht von vornherein verloren gegeben werden.

So weit will Bernd Wahler noch nicht denken, als er nach dem Sieg gegen Freiburg von seinem vermeintlichen Herzstillstand erzählt. Er ist erst einmal froh, dass zumindest an diesem Tag noch einmal alles gutgegangen ist. „Heute werden wir noch ein bisschen feiern“, ruft der VfB-Präsident fröhlich in die Runde – und merkt schnell selbst, dass dies dann doch ein wenig verfrüht wäre: „Einen echten Grund zum Feiern haben wir ja noch gar nicht.“