Erst die Schmach in Gladbach, jetzt der Kantersieg gegen Hoffenheim: der VfB gibt die richtige Antwort auf die Zweifel der vergangenen Tage. Nun winkt den Stuttgartern ein ganz neues Gefühl.

Stuttgart - Kurz vor Feierabend gibt sich Jürgen Kramny noch einmal alle Mühe, eiserne Disziplin zu demonstrieren. Seiner Mannschaft genehmigt der VfB-Trainer zwar kurzfristig einen freien Sonntag – er selbst aber werde sich wie üblich „morgens um acht“ vor den Fernseher setzen und die Spielanalyse vornehmen. Dann muss Kramny selbst ein bisschen lachen und schiebt hinterher: „Na ja, ganz so früh wird’s diesmal vielleicht nicht sein.“

 

Das imposante 5:1 gegen 1899 Hoffenheim hat nicht nur die Sonntagsplanung des Trainers verändert. Der Kantersieg eröffnet vor allem die Perspektive, dass es beim VfB in den verbleibenden Saisonwochen schon bald dauerhaft so entspannt zugehen könnte wie am späten Samstagnachmittag, ungleich entspannter als in den vergangenen Jahren. Kein Zittern, kein Beten und kein Bangen mehr – stattdessen ein sorgloses Dasein im Bundesligamittelfeld.

Zehn Punkte Vorsprung auf Hoffenheim

Auf zehn Punkte haben die Stuttgarter den Vorsprung auf den Vorletzten Hoffenheim vergrößert, sieben Punkte sind es zum Relegationsplatz, den derzeit Frankfurt belegt. Eine weitere Siegesserie dürfte diesmal also nicht nötig sein, um die Klasse zu halten. Das ist für alle Beteiligten eine Aussicht, mit der am Samstag um 15.30 Uhr nicht zwangsläufig zu rechnen war.

Es ist das Verrückte und gleichzeitig auch das Schöne am Fußball, dass manchmal 90 Spielminuten reichen, um alles auf den Kopf zu stellen. Das war am vergangenen Mittwoch so gewesen, als sich der VfB vier Tage nach der 1:2-Heimniederlage gegen das Schlusslicht Hannover 96 kampflos dem 0:4-Untergang in Mönchengladbach gefügt hatte. Schlagartig verblasste anschließend die schöne Erinnerung an die Erfolgsserie zu Rückrundenbeginn, während plötzlich wieder die Furcht vor einem erneuten Absturz um sich griff.

Ein noch höherer Sieg wäre verdient gewesen

Genau umgekehrt war es nun gegen Hoffenheim, als die vermeintlich verunsicherten Stuttgarter die vermeintlich aufstrebenden Kraichgauer nach allen Regeln der Kunst aus dem Stadion schossen. „Dabei hatten viele darauf gewartet, dass nach zwei Niederlagen womöglich eine dritte folgt“, sagt Kramny. Doch wäre sogar ein deutlich höherer Sieg möglich und auch verdient gewesen – so wie zuvor in Gladbach ein noch schlimmeres Debakel den Kräfteverhältnissen entsprochen hätte.

„Am Mittwoch stand ich da und habe vom schlechtesten VfB aller Zeiten gesprochen, jetzt haben alle den besten gesehen – so schnell kann das gehen“, sagt Daniel Didavi, der wie alle anderen VfB-Spieler nicht wiederzuerkennen war. Aus dem Mitläufer, der in Gladbach seinen Frust offen zur Schau gestellt hatte, wurde wieder ein Regisseur mit bestechender Dynamik und Spielfreude; der zaudernde Filip Kostic verwandelte sich zurück in einen Linksaußen, der sich bei seinen Flügelläufen von nichts und niemandem aufhalten ließ; und der Abwehrrecke Georg Niedermeier entdeckte sogar plötzlich den Torjäger in sich (siehe „Bei Niedermeier macht es bum“). Kurzum: es war eine Reaktion, die Kramny „herausragend“ und Didavi „perfekt“ fand.

Die Spieler beantworten die Charakterfrage

Fragt sich nur: wie lässt sich so etwas erklären? Diese Leistungsexplosion, die nur drei Tage nach der Arbeitsverweigerung folgte? Der VfB-Manager Robin Dutt („Junge Menschen können nun einmal nicht jeden Tag zu hundert Prozent funktionieren“) führt eine allgemeingültige These ins Feld, der Kapitän Christian Gentner beleuchtet den konkreten Fall: Nach der Pleite in Gladbach sei jedem klar gewesen, „dass es so in der Bundesliga nicht geht“. Man habe sich „daran erinnert, wie wir in den Wochen zuvor gespielt hatten“, nämlich „kompakt und nah bei den Gegenspielern“, es sei darum gegangen „Charakter zu zeigen“.

Das ist dem VfB eindrucksvoll gelungen: Rein gar nichts hatten die bemerkenswert körperlos spielenden Hoffenheimer der Stuttgarter Wucht und Aggressivität entgegenzusetzen. „Wenn wir so weiterspielen“, sagt Didavi, „werden wir keine Probleme mehr bekommen.“ So leicht wie am Samstag dürfte es aber nicht mehr oft werden – schon gar nicht gegen den FC Ingolstadt, den nächsten Gegner. „Das wird ein Abnutzungskampf“, sagt Kramny.