Der VfB steckt in der Krise. Nicht erst seit Sonntag und dem 1:4 gegen Augsburg. Es ist ein schleichender Prozess der vergangenen sechs Jahre, in denen Sparen über dem sportlichen Konzept stand.

Stuttgart - Es ist Februar 2008. Beim VfB gibt es Leute, die heute sagen, dass die große Krise der Gegenwart damals angefangen hat. Horst Heldt überlegte sich auf jeden Fall bereits, ob es mit Armin Veh überhaupt weitergehen kann. Der alte Manager nahm Kontakt zu Jürgen Klopp auf, der zu dieser Zeit noch Mainz 05 betreute. Die Signale waren positiv – Klopp wäre wohl gekommen. Aber aus Dankbarkeit dem Meistertrainer Veh gegenüber zögerte Heldt. Klopp ging ein paar Monate später nach Dortmund. Der Rest ist bekannt.

 

Es ist Februar 2014. Die Borussia ist weit oben und der VfB weit unten – spätestens nach der 1:4-Pleite am Sonntag gegen Augsburg. Diese Mannschaft dümpelte im Februar 2008 noch im Mittelmaß der zweiten Liga. Jetzt hat der FCA zwölf Punkte mehr auf dem Konto als der VfB, in der Bundesliga. Das wirft Fragen auf – speziell diese: Was ist in Stuttgart außer dem geplatzten Klopp-Wechsel zwischen Februar 2008 und Februar 2014 noch alles geschehen?

Antwort: die Geschichte des hausgemachten Absturzes ging 2008 so weiter, dass der VfB die Saison auf Rang sechs abschloss und sich für den Europapokal qualifizierte. Nach dem Titel ein Jahr zuvor war das ein Rückschritt, aber kein Grund für die Verantwortlichen, ihre Ausrichtung zu überprüfen. Der VfB wollte ein Club sein, der auf Talente setzt, aber verpflichtet wurden dann Routiniers wie Khalid Boulahrouz oder Jens Lehmann.

Vorausschauende Investitionen blieben die Ausnahme

Als Widerspruch empfand der VfB das nicht. Die jungen Wilden dienten vielmehr als Schutzschild, hinter dem es intern wie in den Jahren danach um andere Themen ging. Personaldiskussionen überlagerten Sachdebatten. Im November 2008 wurde Veh entlassen und durch Markus Babbel ersetzt, der den VfB noch in die Champions League führte. Dadurch war alles vermeintlich wieder gut und noch mal die Chance da, die Weichen richtig zu stellen. Aber der Verein wählte wieder die falsche Richtung – weil er wieder zögerte.

Als Mario Gomez im Sommer 2009 zum FC Bayern wechselte, dauerte es lange, bis der Nachfolger gefunden war. Am Ende war der Markt verlaufen und gab nur noch Pawel Pogrebnjak her. Generell geriet das zum Markenzeichen der Stuttgarter Transferphilosophie. Neue Spieler wurden in aller Regel erst sehr spät im August unter Vertrag genommen, weil der VfB bis zuletzt versuchte, den Preis zu drücken – um zum Schluss dann doch tief in die Tasche greifen zu müssen. Zdravko Kuzmanovic ist ein gutes Beispiel dafür. Vorausschauende Investitionen blieben so die Ausnahme. Zum Teil war diese Herangehensweise der Vorgabe des Aufsichtsratschefs Dieter Hundt geschuldet, der in der Bilanz eine schwarze Null forderte – ohne von den hohen Ansprüchen an das Team abzurücken. Der Einzug in das internationale Geschäft blieb Pflicht.

Stühle rücken – auf allen Ebenen

Aber kein Risiko, keine Flexibilität: diese wirtschaftliche Sparansage stand beim VfB über dem fußballerischen Konzept, was zu einem Spannungsverhältnis zwischen der Vereinsführung und der Abteilung Sport führte. Gelähmt war der Club, als Heldt im Frühjahr 2010 auch deshalb auf den Abgang nach Schalke drängte. Darunter litt die Saisonplanung, da es zwei Monate dauerte, bis in Fredi Bobic der Nachfolger gefunden war. Dessen Einstellung verprellte wiederum den Trainer Christian Gross, der gerne auch Manager geworden wäre. Es kam zum Bruch – Gross wurde gefeuert und durch Jens Keller ersetzt. Nach ein paar Wochen war dann Bruno Labbadia der Nächste.

Stühle rücken, immer wieder und auf allen Ebenen. Gerd Mäuser beerbte den Präsidenten Erwin Staudt, der sich mit Hundt überworfen hatte. Mäuser selbst überwarf sich schnell mit der Belegschaft und trat im Mai 2013 zurück. Jetzt ist Bernd Wahler da. Hundt hat er nicht mehr angetroffen. Auch er wurde im vergangenen Sommer aus den eigenen Reihen zum Rücktritt gedrängt. Kontinuität war so ein Fremdwort, da von der alten Führungsriege nur der Finanzdirektor Ulrich Ruf übrig geblieben ist.

Der VfB will auf junge Spieler setzen

Bobic und Labbadia bauten derweil den Kader um. Der Berg kreißte und gebar ihre Mannschaft, die zudem ein Spiegelbild und ein Produkt der Vereinspolitik darstellt. Das Ergebnis: 1:4 gegen Augsburg. Obwohl der Etat seit 2010 um ein Drittel von 60 auf 40 Millionen Euro heruntergefahren wurde, sind nicht alle Neuzugänge billig gewesen. Vedad Ibisevic war teuer. Oder Mohammed Abdellaoue oder William Kvist.

Das ist die Geschichte. Nun will der VfB nicht absteigen und wirklich auf junge Spieler setzen. „Dieser Weg ist alternativlos“, sagt Bobic im Februar 2014. Dabei sind die Voraussetzungen in Stuttgart im Februar 2008 viel besser als in Dortmund gewesen – von Augsburg mal ganz zu schweigen.