Kultur: Tim Schleider (schl)

Wir wissen, dass in der Folgezeit die Bürger der USA der Universalität jenes Prinzips, das sie gerade erst verkündet hatten, schnell untreu wurden. Das Recht auf ein individuelles Streben nach Glück verengten sie doch wieder vom allgemeinen zum exklusiven Besitz. Die neue amerikanische Identität war weiß, englischsprachig und protestantisch. Sie schloss etwa die Ureinwohner und die Schwarzen strikt aus. Wie hartnäckig derartiges Identitäts-Abgrenzen im Leben und Denken der Menschen Unheil anrichten kann, zeigt die Lage in den USA just in diesen Tagen.

 

Viele Lebensmodelle

Doch die Idee ist in der Welt, und all jene, die von ihr ausgeschlossen werden, können sich auf sie berufen. Die Geschichte der freien, westlich orientierten Gesellschaften formuliert ein Programm, in dem an die Stelle weniger Lebensmodelle nach und nach viele treten. Als gerecht gilt, wenn sich die Entscheidungsmöglichkeiten des Individuums vergrößern, und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der sozialen Realität. Die Vielfalt der Ideen und der Kulturen wird nicht als Bedrohung empfunden, sondern, sofern die Grundlage gegenseitigen Respekts gegeben ist, gerade als Kraftwerk für gesellschaftliche Produktivität.

Die Möglichkeit und Bereitschaft zur Kooperation gilt nicht als Eingeständnis der eigenen Schwäche, sondern als Suche nach gemeinschaftlicher Entwicklung. Westliches Denken ist prozesshaft und dynamisch. Aus Geschichtlichkeit wächst die Öffnung der Gegenwart. Die Europäische Union braucht gar keine europäische Identität, nach der ja oft so verzweifelt gerufen wird. Sie ist per se antiidentitär.

Barcelona als Angriffsziel

Viele Städte Europas sind in den vergangenen fünfzig Jahren zum Symbol dieser westlichen Werte geworden, historisch gewachsen zu einer Summe sehr unterschiedlicher Kulturen und Lebenskonzepte. Stadtpolitik gelingt immer dann, wenn das Nebeneinander dieser Konzepte zu einem Miteinander aufgebrochen wird. Dann ist Dynamik möglich, dann kann der Westen seine ganze Stärke entfalten.

Die Metropole Barcelona ist eine Stadt, der es in jüngerer Zeit beispielhaft gelungen ist, diese Dynamik der Kulturen für ihre Bewohner, aber auch für viele Besucher erlebbar zu machen. Da ist es auf eine furchtbare Art nur konsequent, dass Vertreter einer anderen Vorstellung von Gesellschaft, einer strikt nach religiös-ideologischen Regeln definierten Identität, diese Stadt als Angriffsziel wählen. Worauf es im Gegenzug ankommt, ist neben der Trauer über das Geschehene eine Vergewisserung der Werte des Westens: Gegen die Kampfidentität des Angreifers setzt er keine eigene Kampfidentität, sondern die Wehrhaftigkeit des Dynamischen. Die Feinde des Westens, egal aus welchem Lager, sind starren Ewigkeiten verpflichtet, dem Stillstand. Die Freunde des Westens glauben an Veränderung, an Zukunft.

In der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten 1776 wurde erstmals jener Anspruch formuliert, der eine der Grundlagen westlichen Denkens zum Ausdruck bringt: das Recht des Einzelnen auf Leben, Freiheit und auf das Streben nach Glück – wohlgemerkt, als individuelles Recht, nicht gebunden an die Zugehörigkeit zu Gruppen oder Zuständen. Das natürliche Recht des Strebens findet seine Grenzen allein im Respekt davor, dass der Nachbar just im Besitz des gleichen Rechts ist. Neu ist an diesem Punkt der Weltgeschichte: Das Glück selbst wird 1776 nicht verkündet, es wird auch nicht definiert. Es wird ein Prozess in Gang gesetzt, ein Weg eröffnet. Der Ausgang ist offen. Fehler sind jederzeit möglich, müssen so schnell wie möglich erkannt und korrigiert werden. Jene Dynamik, die schon immer in menschlicher Geschichte steckte, wird hier zum Prinzip erhoben. Und es wird nach einer Organisation von Gesellschaft, Staat, Wirtschaft und Kultur gesucht, die diesem Prinzip größtmögliche Rechnung trägt.

Die Vielfalt der Ideen

Wir wissen, dass in der Folgezeit die Bürger der USA der Universalität jenes Prinzips, das sie gerade erst verkündet hatten, schnell untreu wurden. Das Recht auf ein individuelles Streben nach Glück verengten sie doch wieder vom allgemeinen zum exklusiven Besitz. Die neue amerikanische Identität war weiß, englischsprachig und protestantisch. Sie schloss etwa die Ureinwohner und die Schwarzen strikt aus. Wie hartnäckig derartiges Identitäts-Abgrenzen im Leben und Denken der Menschen Unheil anrichten kann, zeigt die Lage in den USA just in diesen Tagen.

Viele Lebensmodelle

Doch die Idee ist in der Welt, und all jene, die von ihr ausgeschlossen werden, können sich auf sie berufen. Die Geschichte der freien, westlich orientierten Gesellschaften formuliert ein Programm, in dem an die Stelle weniger Lebensmodelle nach und nach viele treten. Als gerecht gilt, wenn sich die Entscheidungsmöglichkeiten des Individuums vergrößern, und zwar nicht nur in der Theorie, sondern auch in der sozialen Realität. Die Vielfalt der Ideen und der Kulturen wird nicht als Bedrohung empfunden, sondern, sofern die Grundlage gegenseitigen Respekts gegeben ist, gerade als Kraftwerk für gesellschaftliche Produktivität.

Die Möglichkeit und Bereitschaft zur Kooperation gilt nicht als Eingeständnis der eigenen Schwäche, sondern als Suche nach gemeinschaftlicher Entwicklung. Westliches Denken ist prozesshaft und dynamisch. Aus Geschichtlichkeit wächst die Öffnung der Gegenwart. Die Europäische Union braucht gar keine europäische Identität, nach der ja oft so verzweifelt gerufen wird. Sie ist per se antiidentitär.

Barcelona als Angriffsziel

Viele Städte Europas sind in den vergangenen fünfzig Jahren zum Symbol dieser westlichen Werte geworden, historisch gewachsen zu einer Summe sehr unterschiedlicher Kulturen und Lebenskonzepte. Stadtpolitik gelingt immer dann, wenn das Nebeneinander dieser Konzepte zu einem Miteinander aufgebrochen wird. Dann ist Dynamik möglich, dann kann der Westen seine ganze Stärke entfalten.

Die Metropole Barcelona ist eine Stadt, der es in jüngerer Zeit beispielhaft gelungen ist, diese Dynamik der Kulturen für ihre Bewohner, aber auch für viele Besucher erlebbar zu machen. Da ist es auf eine furchtbare Art nur konsequent, dass Vertreter einer anderen Vorstellung von Gesellschaft, einer strikt nach religiös-ideologischen Regeln definierten Identität, diese Stadt als Angriffsziel wählen. Worauf es im Gegenzug ankommt, ist neben der Trauer über das Geschehene eine Vergewisserung der Werte des Westens: Gegen die Kampfidentität des Angreifers setzt er keine eigene Kampfidentität, sondern die Wehrhaftigkeit des Dynamischen. Die Feinde des Westens, egal aus welchem Lager, sind starren Ewigkeiten verpflichtet, dem Stillstand. Die Freunde des Westens glauben an Veränderung, an Zukunft.