Überraschend hat Monik Piel ihren Rücktritt angekündigt. Einen Nachfolger – oder eine Nachfolgerin – hat sie aber nicht aufgebaut. Die bald scheidende Intendantin stellt den Westdeutschen Rundfunk deshalb vor ein Problem.

Stuttgart - Jetzt beginnt in Köln das Stühlerücken. Nach dem überraschend angekündigten Rückzug von Monika Piel als Intendantin des Westdeutschen Rundfunks (WDR) wird in den nächsten Monaten einer der wichtigsten Posten im öffentlich-rechtlichen System frei. Der WDR ist mit einem Etat von 1,4 Milliarden Euro der größte Sender der ARD und auch der größte Programm-Lieferant fürs Erste: Knapp ein Viertel aller Sendungen werden in Köln produziert oder in Auftrag gegeben.

 

Zudem war Piel die erste Frau an der Spitze eines großen ARD-Senders und obendrein auch die erste Frau, die 2011 und 2012 den ARD-Vorsitz inne hatte. Ein gewichtiges Erbe also, über das nun der WDR-Rundfunkrat zu entscheiden hat. „So zügig wie möglich, aber auch so gründlich wie nötig“, wie das Gremium am Montag beschloss. Bis zur Sommerpause soll die Nachfolge geregelt sein, vorbereitet wird sie von einer Findungskommission, gebildet aus dem Vorstand des Rundfunkrats. Zugleich soll der Intendantenposten öffentlich ausgeschrieben werden. Bei Piels Wiederwahl im Mai 2012 – ohne Ausschreibung – hatte es Vorwürfe wegen mangelnder Transparenz gegeben.

Gesucht wird eine profilierte Persönlichkeit, am liebsten wieder eine Frau. Im Rennen sind angeblich Piels Stellvertreterin, die WDR-Justiziarin Eva-Maria Michel, und die in Programmfragen versiertere Bettina Reitz, Fernsehdirektorin beim Bayerischen Rundfunk. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern Fritz Pleitgen und Friedrich Nowottny, heißt es in Köln, habe Piel jedoch niemanden kontinuierlich für die Nachfolge aufgebaut. Vielleicht wird es am Ende also doch ein Mann, zum Beispiel der WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn. Und was macht eigentlich Nikolaus Brender?

Niemand hat mit ihrem Rücktritt gerechnet

Die 61-jährige Piel hatte am vergangenen Freitag erklärt, sie wolle die Intendanz „aus persönlichen Gründen“ aufgeben, sobald die Nachfolge geregelt sei. Offenbar war beim WDR niemand darauf vorbereitet, ebenso wenig wie bei der ARD. Dass sich noch etwas anderes als „persönliche Gründe“ hinter dem Rückzug verbergen könnte, gilt als unwahrscheinlich. Und so waren die Reaktionen auf den überstürzt wirkenden Entschluss auch frei von Kritik, die Piel in den vergangenen Monaten nicht selten begleitet hatte.

Die Journalistin mit einem Studienabschluss in Betriebswirtschaft hat eine durchwachsene Bilanz ihrer Amtszeit vorzuweisen, wobei sie die Pleite mit Thomas Gottschalk am Vorabend und die fehlende Einigung im Streit mit den Verlegern um die Tagesschau-App gewiss nicht allein zu verantworten hat. Es mangelte ihr offenkundig an Rückhalt in der Intendantenrunde. Gegen die vom SWR-Intendanten Peter Boudgoust favorisierte Gründung eines eigenen Jugendkanals wehrte sie sich – mit Blick auf die Kosten – lange Zeit und wurde am Ende doch überstimmt. Und für das avisierte gemeinsame Projekt mit dem ZDF muss wohl einer der drei Digitalsender der ARD dran glauben – und auch da sind der SWR, federführend für Eins Plus, und der WDR, verantwortlich für Eins Festival, Konkurrenten unter einem gemeinsamen Dach.

Piel haben die zwei Jahre als ARD-Vorsitzende sichtlich zu schaffen gemacht, vielleicht auch deshalb, weil ihr Einsatz für Dokumentationen und Informationssendungen im Ersten ihrer Ansicht nach nicht ausreichend gewürdigt wurde. Stattdessen wurde lebhaft über die Zahl der Talkshows debattiert. Mehr „Brennpunkte“, die respektablen Dokus am späten Montagabend sowie die eher gefälligen „Markenchecks“ zur Primetime sind jedoch zu wenig, um das Infoprofil ausreichend zu schärfen. Es ist ein hartes Brett, das da gebohrt wird, zumal im Ersten, bei dem jede Sendeplatzverschiebung einer Staatsaffäre gleich kommt. In Piels Ära als ARD-Vorsitzende fällt immerhin auch die Initiative „Blickpunkt Deutschland“. 60 Vorschläge von Filmemachern und Produzenten sind für das geplante „kreative dokumentarische Highlight für einen Primetime-Sendeplatz im Ersten“ eingegangen. Die Lorbeeren wird sich nun wohl jemand anders anheften.

Der Sender braucht Kitt

Am Montag war Monika Piel wieder im WDR – und lobte im Rundfunkrat das „in jeder Hinsicht erfolgreiche Fernsehjahr für den WDR“. Auffällig, dass sie dabei vor allem auf das dritte Programm abhob und auf die regionalen Informationssendungen im WDR-Fernsehen. Aber auch im eigenen Sender war die scheidende Intendantin umstritten. Zu wenig präsent, zu abgeschottet habe Piel agiert, sagen WDR-Mitarbeiter. Die „offene Dialogkultur“, die ihr Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) gerade bescheinigte, hat jedenfalls nicht alle im Sender erreicht. Offenkundig wurde das beim Streit um Programmänderungen beim Kulturradio WDR 3. Den anschwellenden Protest der „Radioretter“ versuchte Piel zu lange auszusitzen, zeigte sich dann aber selbstkritisch – in Maßen. Auch wenn nach außen hin längst wieder Ruhe eingekehrt ist, wurde dabei intern viel Porzellan zerschlagen. Piels Nachfolgerin – oder Nachfolger – hat einiges zu kitten. Sie selbst ist nur noch Übergangs-Intendantin.