Das Jahr 2019 ist das Jahr des Jürgen Klopp. Er wird Champions-League-Sieger mit dem FC Liverpool, er wird von der Fifa als Welttrainer des Jahres ausgezeichnet – und von uns auch. Wir stellen den Erfolgscoach vor – mit einem Porträt von A bis Z.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - A wie Attacke: Immer vorwärts, immer geradeaus, immer Vollgas: Das ist Jürgen Klopp. Halbe Sachen gibt es bei ihm nicht, es muss abgehen. Nach vorne, auf dem Fußballplatz. Und verbal, daneben. Zurückhaltung ist nicht Klopps Sache, das offene Visier schon eher. Klopp ist der Mann für die Attacke. Und holte so den Champions-League-Titel 2019 mit dem FC Liverpool.

 

B wie Bier: Vollgas gibt Klopp auch mal am Glas – nach Titelgewinnen lässt er es krachen. Legendär ist die Geschichte aus dem Jahr 2011, als er nach der Meisterschaft mit Borussia Dortmund, nun ja, leicht betütert in einer Fabrikhalle aufwachte, nachdem ihn die Feiergesellschaft auf dem Truck, der durch Dortmund fuhr, vergessen hatte. Klopp hielt einen Lieferwagen an und ließ sich zurück zum Feiertrupp kutschieren.

C wie Campino: Klopp verbindet eine Freundschaft mit dem Toten-Hosen-Frontmann – Campino ist glühender Anhänger des FC Liverpool, wo Klopp Trainer ist. Zusammen schmetterten sie in der Nacht nach dem verlorenen Finale der Königsklasse 2018 dieses Lied: „Wir ham den Henkelpott gesehen, er war so wunder-wunderschön . . .“ 2019 holte Klopp den Pott – und sang in der Nacht wieder mit Campino.

D wie Dortmund: Zwei Meisterschaften (2011 und 2012), ein DFB-Pokalsieg (2012), der Einzug ins Finale der Champions League 2013 – Klopp küsste Borussia Dortmund wach. Noch heute trauern sie rund um den Borsigplatz ihrem Meistercoach, Chefmotivator und Menschenfänger hinterher.

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E wie Experte: Klopps Stern ging während der WM 2006 in Deutschland auf. Seine Analysen als TV-Experte des ZDF begeisterten das Land – weil da einer war, der Fußball charmant, unterhaltsam und fundiert erklärte. Weil sich der Taktiknerd ebenso wohlfühlte mit Klopp wie die Oma bei ihrem ersten Spiel. Klopp und das Fernsehen – bis heute eine Beziehung, die funktioniert.

F wie FSV: Schon als Spieler des FSV Mainz 05 dachte Klopp wie ein Trainer, weshalb es intern kaum überraschte, dass er am Rosenmontag 2001 in der sportlichen Not vom Kapitän zum Coach gemacht wurde. Klopp startete durch – und zwar bis in die Bundesliga. Sein Abschied 2008 auf dem Mainzer Gutenbergplatz geriet zum Tränenmeer.

G wie Glatten: Der Nordschwarzwald, das ist Jürgen Klopps Heimat. In der 1500-Seelen-Gemeinde Glatten im Kreis Freudenstadt wird er groß. Zur Führungsfigur wird er schon damals: Vom achten Schuljahr an ist Klopp Klassensprecher und Kapitän beim SV Glatten.

H wie Haare: Klopp behauptet von sich, nicht eitel zu sein. Beim Champions-League-Finale 2019 etwa tritt er im Trainingsanzug auf, er ist kein Mann für schnieke Anzüge, sein Äußeres ist wie der Fußball, den er spielen lässt: wild, unkompliziert, authentisch. Dabei achtet Klopp sehr wohl auf die Optik. Er lässt sich die Zähne machen, seine Strahlekauleiste ist längst Legende. Schon vorher hatte eine Haartransplantation (vorne, am Ansatz) Schlagzeilen gemacht.

I wie Ideal: Klopps Leitsatz beim FC Liverpool? Bitte schön: „Ein gutes Pferd springt nur so hoch, wie es muss? Das interpretieren wir anders! Ein gutes Pferd springt verdammt noch mal so hoch, wie es kann! Das ist es. Wir wollen immer alles raushauen.“

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J wie Jürgen: Im Pass von Jürgen Klopp steht der Name Jürgen Norbert Klopp. Jürgen Norbert, da Norbert der Vater ist. Norbert ist ein Handelsvertreter, der schon zu Kinderzeiten viel von seinem Sohn verlangt. „Mein Vater hat sich ganz, ganz schwer damit getan, mich zu loben“, erzählt Klopp später. „Er war immer stolz auf mich. Doch das zu zeigen ist ihm nicht so leicht gefallen.“

K wie Kop: „The Kop“, so heißt die Tribüne, die sich hinter dem südwestlichen Tor an der Anfield Road, dem Stadion des FC Liverpool, befindet. Hier ist das atmosphärische Epizentrum bei Heimspielen der Reds, mit dem Jürgen Klopp so gerne die emotionale Wechselwirkung von der Seitenlinie aus schafft. Klopp pusht die Kurve, die Kurve pusht Klopp – Gänsehaut ist garantiert.

L wie Löw: Wird Jürgen Klopp irgendwann mal Bundestrainer? Joachim Löws Vertrag beim DFB endet 2022. Klopps Vertrag beim FC Liverpool endet 2024. Geht da also irgendwann mal was? Klopp selbst hält sich bei diesem Thema generell bedeckt und erwägt eine einjährige Auszeit nach Vertragsende in Liverpool, mit Urlaub und Erholung satt. Eventuell will er aber je nach Gemütslage sofort irgendwo anders weitermachen. Alles bleibt offen. Und spannend.

M wie München: Fast wäre Jürgen Klopp im Sommer 2008 beim FC Bayern München gelandet. Er war auf dem Zettel der Verantwortlichen, die sich dann aber für Jürgen Klinsmann entschieden. Fast wäre Klopp auch mal beim Hamburger SV gelandet, die Verantwortlichen störten sich aber an Klopps Erscheinungsbild mit Dreitagebart und Jeans. Die Moral der Geschicht: Noch heute beißen sich die damaligen Verantwortlichen in den Allerwertesten.

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N wie Normal one: Jürgen Klopp gewann die Herzen in England schon bei seiner Auftaktpressekonferenz im Oktober 2015 beim FC Liverpool. „I’m the normal one“ – Klopps herrlich normale, witzige und bodenständige Vorstellung, in Anspielung auf den exzentrischen Trainerkollegen José Mourinho (der selbst ernannte Special one) ist längst Fußballgeschichte.

O wie Opel: Mit der Schauspielerin Bettina Zimmermann rast Klopp im Opel durch Pfützen, für die Deutsche Vermögensberatung steht er in der Küche und spricht über Vorsorge, er trinkt bald Erdinger Weißbier. Zudem warb und wirbt Klopp für Rasierer (Philips) und Sportartikel (New Balance). Der Coach ist omnipräsent in der Werbung und verdient sich mit seinem Gesicht eine goldene Nase.

P wie Pep: Man sagt, es seien die besten Trainer der Welt: Jürgen Klopp und Pep Guardiola. Schon in der Bundesliga lieferten sie sich mit dem BVB (Klopp) und dem FC Bayern (Guardiola) heiße Duelle, das setzt sich jetzt in England fort, wo Guardiola ja Manchester City anleitet. Der Katalane ist der Gegenentwurf zu Klopp: Hier die pure Eleganz und die zarte Geige – dort die grenzenlose Power und Heavy Metal auf dem Platz.

Q wie Querpass: Jürgen Klopp will auf dem Platz nach Ballgewinnen den Überfall nach vorne. Soll heißen: Seine Jungs sollen die Kugel im Eiltempo nach vorne passen, dahin also, wo die anderen Jungs im Eiltempo in der Zwischenzeit schon hingerannt sind. Einen Querpass will Klopp nicht sehen, das Ding steht auf dem Index. Seine Mannschaft soll steil gehen.

R wie Robben: Es ist nicht überliefert, ob Klopp ein Trauma hat. Falls das so ist, könnte es auf den Namen Arjen Robben hören. Das ist der ehemalige Flügelflitzer des FC Bayern, der im Finale der Champions League 2013 gegen Klopps BVB kurz vor Schluss zum 2:1 traf. Robben machte später noch einige andere wichtige Tore gegen Klopp, der ohne den Niederländer wohl noch einige Titel mehr auf dem Konto hätte.

S wie Subotic: Wenn es ein Sinnbild gibt für einen jungen Kicker, den fast alle anderen Experten unterschätzten, der unterm Radar flog und der erst durch die Förderung Jürgen Klopps zu Ruhm und Titeln kam, dann ist das der Innenverteidiger Neven Subotic: Entdeckt und geformt in Mainz und dann in Dortmund zum unverzichtbaren Diamanten geschliffen – durch fußballerische Förderung und ständiges Starkreden. Klopp machte aus Subotic mehr, als der es sich wohl jemals erträumt hatte.

T wie Trauzeuge: Klopps bester Kumpel ist der Trainer des FC Schalke 04. David Wagner und Klopp kennen sich seit gemeinsamen Spielerzeiten beim FSV Mainz. 2005 macht Klopp Wagner zu seinem Trauzeugen. Später holt er seinen Spezi als Nachwuchstrainer zu Borussia Dortmund – und heute, Ironie der Geschichte, arbeitet Wagner beim königsblauen Erzrivalen.

U wie Ulla: Klopps erste Ehe geht in die Brüche, 2005 heiratet er erneut, Ulla, eine Kinderbuchautorin. Nur drei Tage kannten sie sich damals und zogen schon zusammen. „Ich bin mit meinem besten Freund verheiratet – sie sieht nur dramatisch besser aus“, sagt Klopp heute gerne. Und weiter: „Ulla ist Sozialpädagogin, sie hat Verständnis für jede menschliche Schwäche. Das kann ich nicht von mir behaupten.“

V wie VfB: Jürgen Klopp ist in Stuttgart geboren – und liebte den VfB als Kind heiß und innig. Gerne schwelgt er noch heute in Nostalgie: „Meine Oma Anna hatte mir einen wunderschönen weißen Pullover mit rotem Brustring und der Rückennummer 5, von meinem Lieblingsspieler Karl Heinz Förster, gestrickt. Den zog ich dann an und fuhr stolz mit Freunden ins Neckarstadion.

W wie Watzke: Mit Hans-Joachim Watzke, dem Geschäftsführer von Borussia Dortmund, verbindet Klopp nach den sieben gemeinsamen Jahren beim BVB (2008 bis 2015) eine enge Freundschaft. Wenn es die Zeit mal zulässt, besucht Watzke Klopp in Liverpool. Und jedes Mal, wenn er einen neuen Dortmunder Trainer sucht, klopft er gerne erst mal bei Klopp an. Um sich hinterher nicht vorwerfen zu müssen, es nicht wenigstens versucht zu haben.

X wie XXL: Der Kult um Klopp kennt in Liverpool keine Grenzen. Seit dem Dezember 2018 etwa gibt es ein riesiges Wandgemälde an einem Haus in der Jordan Street. Der Street-Artist Akse P19 brachte das XXL-Porträt in zwei Tagen Arbeit auf die Wand. Zu sehen ist ein typischer Klopp: Er hat die Hand auf der Brust (und auf dem Liverpool-Logo seines Trainingsanzugs) und lächelt selig.

Y wie You’ll never walk alone: Du gehst niemals allein – You’ll never walk alone: Die Fußball-Kulthymne feierte im Liverpooler Fanblock in den 1960er Jahren ihre Geburt in den Stadien. Der Song orientierte sich am Hit der Band Gerry & the Pacemakers. Heute gibt es vor jedem Spiel des FC Liverpool Gänsehaut pur für Jürgen Klopp – wenn ganz Liverpool niemals alleine geht. Und singt.

Z wie Ziele: Was bringt die Zukunft? Welche Ziele hat Jürgen Klopp nach dem Vertragsende 2024 beim FC Liverpool? Erst mal plant er eine Auszeit – Stand jetzt. Liverpool will unabhängig davon wohl nochmals gerne mit Klopp verlängern. Ob er das macht? Offen. Ob er irgendwann Bundestrainer wird? Möglich. Ob er irgendwann doch noch beim FC Bayern landet? Nicht ausgeschlossen. Fakt ist: Klopp stehen die Türen offen. Durch welche er geht, entscheidet nur er selbst.