Deutschland in den Siebzigern, Fernsehzeit, 20.15 Uhr. Dann kommt ein Mann, der die Natur in Stuttgart aus dem FF studiert hat – und legt sich als Bewahrer der Umwelt und Streiter für die artgerechte Haltung mit den Lobbyisten der Nation an: „Sterns Stunden“. Horst Stern war unerschrocken – höchstens manchmal davon, wie ungeheuerlich der Mensch sein kann. Nun ist Stern mit 96 Jahren gestorben.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - So viel der Wissenschaftsjournalist Horst Stern von einer Sache wissen wollte, mit der er sich beschäftigte, so wenig mochte er, dass allzu viel von ihm selber bekannt sei. Mit über sechzig Jahren, als er seine legendäre Fernsehserie „Sterns Stunde“ längst hinter sich hatte und auch als Mitbegründer des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) ein paar größere Enttäuschungen hatte verkraften müssen, ging er 1984 nach Irland, um dort einen ganz fein gewirkten Roman über den Stauferkaiser Friedrich II. zu schreiben: „Mann aus Apulien“. Große Literatur.

 

Um die Jahrtausendwende kehrte er zurück und ließ sich in Passau nieder, wo er jetzt auch im Alter von 96 Jahren gestorben ist. Wahrscheinlich übertreibt man nicht, wenn man sagt, dass sich Horst Stern im letzten Drittel seines langen Lebens nur noch an den Rändern einigermaßen wohlgefühlt hat, nachdem er versucht hatte (vergeblich versucht hatte, wie er selbstkritisch manchmal fand), Elementares in der Mitte der Gesellschaft zu verschieben oder zu ändern. Vor allem betraf dies unser aller Umgang mit der Natur und den Tieren.

Mitunter zu Recht ein Sarkast

Und so kam Horst Stern unter die Deutschen: Nachdem der gebürtige Stettiner und gelernte Bankkaufmann bei der US-Army in Ludwigsburg als Übersetzer und bei den Stuttgarter Nachrichten als Gerichtsreporter gearbeitet hatte, schrieb er für „Kosmos“, herausgegeben von Wolfgang Bechtle. Ein Mann, der „mit Fröschen in der Tasche herumlief“, wie Stern feststellte. Der Journalist Stern hatte von Anfang an einen Zug zum Pointierten, mitunter Sarkastischen, wenn er schrieb – darin sehr englisch. Sterns Zugang zur Tierwelt war mehr intellektuell; seine Arbeit als Autodidakt galt und gilt als hoch akribisch. Auf dem Stuttgarter Frauenkopf pachtete er einen Obstgarten, begann das Beobachten – und ließ Falken fliegen. Sein Blickwinkel war darauf gerichtet, was Natur und Zivilisation zusammenhalten könne, also buchstäblich binde, und dazu machte Horst Stern von den frühen siebziger Jahren von Stuttgart und via SDR seine „Bemerkungen“, wie die Sendungen hießen: zu Hunden, Hühnern und Pferden. Weil er nicht reiten konnte, nahm er dazu erst einmal Stunden und büffelte Theorie. Wenn Stern danach etwas wusste, wusste er es ganz genau, und manchmal dachte man beim Zuschauen, dass er mit seiner markanten, dringlichen Stimme oft selber erschrak vor dem, was er zu sagen hatte, sagen musste.

Horst Stern nämlich hat all das vorausgesehen und in seinen fürchterlichen Anfängen beschrieben, was sich heute teilweise apokalyptisch ausgewachsen hat: die Massentierhaltung, Tierquälerei in verschiedenen Facetten, die sich als Erziehung oder „Nutzung“ ausgibt, und die Drangsalierung der Natur im Allgemeinen, die bei den Skipisten anfängt und mit den Strommasten neueren Formats lange nicht aufhört. Stern war, brillanter Stilist obendrein, ein eloquenter Mahner, der überlebte, dass ganze Lobbys, wie die Jägerzunft, sich mit ihm anlegten. Immerhin erreichte er, dass der einstige Bundespräsident Walter Scheel, selbst gerne im Zeichen von Diana unterwegs, die Diplomatenjagd abschaffte.

Die Zerstörung der Welt

Horst Stern hatte Enkel, und er fürchtete für sie, dass der Mensch die Zerstörung der Welt sorglos in Kauf nehme. Realistisch sah sich der Ehrendoktor der Universität Hohenheim als zugehörig „zum Bettelorden amtierender Naturschützer“ und „Mitverlierer vieler Kämpfe“. Das klang resignativer, als es sein musste. Denen, die kämpfen, laut oder still, hat Horst Stern, manchmal querulantisch, immer klug, ein bleibendes Bild hinterlassen. Es wollte nicht, dass gemacht wird, was machbar ist, sondern dass bewahrt wird, was irgend bewahrt werden kann. Täten wir’s ihm nach?