Die Gemeinde gewährt der örtlichen Praxis einen Zuschuss von 400 Euro monatlich. Die Hilfe ist zunächst auf ein Jahr befristet. Wegen gestiegener Beiträge zur Haftpflichtversicherung sind Arbeitskräfte inzwischen rar.

Dettingen - In der seit elf Jahren bestehenden Hebammenpraxis in Dettingen drohten die Lichter auszugehen. Nun hat der Gemeinderat am Montagabend einstimmig beschlossen, die Praxis mit 400 Euro pro Monat zu bezuschussen. Dadurch bleibt die Praxis geöffnet. Dettingen folgt damit dem Beispiel von Breisach (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald). Die Kommune greift auch dem örtlichen Hebammenteam mit 500 Euro unter die Arme. Dettingen leistet jedoch nur Erste Hilfe. Denn dauerhaft sollen die Hebammen dort nicht am Tropf der öffentlichen Hand hängen.

 

Für zwei Hebammen ist die Praxis nicht wirtschaftlich

Die Gemeinschaftspraxis hatte um Hilfe gerufen, weil vier von derzeit sechs selbstständig tätigen Hebammen im nächsten Jahr wegen Mutterschutz, Wohnortwechsel und Wechsel in ein Angestelltenverhältnis ausscheiden. Trotz intensiver Bemühungen konnte kein Ersatz gefunden werden.

Als Tandem könnten die verbliebenen zwei Hebammen die Praxis aber nicht weiterbetreiben. Pro Hebamme steigt der Anteil an den Mietkosten um jeweils mehr als 200 Euro. Diese Lücke schließt nun die Gemeinde Dettingen im Wesentlichen.

Mütter kommen auch aus dem Umland

Auch wenn am Ende alle für die Subventionierung stimmten – leicht gefallen ist diese Entscheidung den Gemeinderäten nicht. Das Votum verbinden sie mit Auflagen. Der Zuschuss ist zunächst auf ein Jahr begrenzt. Im nächsten Jahr soll die Praxis dann rechtzeitig Geschäftszahlen vorlegen, damit die weitere wirtschaftliche Entwicklung nachvollziehbar ist. Zudem will die Gemeinde prüfen, ob die Praxis in ein öffentliches Gebäude verlegt werden könnte. Durch eine Mehrfachnutzung könnten Mietkosten reduziert werden, so die Überlegung. Kopfschmerzen bereitet der Gemeinde auch die Tatsache, dass sie mit dem Zuschuss letztlich auch für Nachbarkommunen in die Bresche springt. Denn die Praxis betreut längst nicht nur Dettinger Mütter. Circa ein Viertel der Klientel kommt von außerhalb, etwa aus Kirchheim, dem Lenninger Tal oder von der Alb.

Fraktionsübergreifend ernteten die Hebammen Lob für ihre Arbeit. Hätte der Gemeinderat den Zuschuss jetzt versagt, würden die Hebammen künftig zwar noch Hausbesuche machen. Die beliebten Kurse zur Geburtsvorbereitung und zur Nachsorge fielen jedoch ersatzlos weg. Und diesen Verlust an Infrastruktur will Dettingen nicht in Kauf nehmen.

Beiträge zur Haftpflichtversicherung drastisch gestiegen

Die verbleibenden Hebammen sicherten zu, sich weiter nach Kräften um personellen Ersatz zu bemühen. Doch dies ist schwierig. Die finanzielle Schieflage der Praxis in der Kirchheimer Straße ist letztlich die Folge von Beiträgen zur Berufshaftpflichtversicherung. Diese sind in die Höhe geschnellt – vor vier Jahren um rund 55 Prozent, im vergangenen Juli um 20 Prozent. Und für das kommende Jahr steht eine weitere Anhebung um 20 Prozent an. Die Versicherungsprämien steigen nicht etwa, weil es mehr und mehr Schadensfälle gäbe, sondern weil die Kosten pro einzelnem Schadensfall in der Geburtshilfe drastisch gestiegen sind. Auch die Prozess- und Anwaltskosten sind hoch. Dadurch wird der Hebammenberuf zunehmend unattraktiv. „Die Hebammen laufen reihenweise davon“, sagt Jutta Eichenauer, die Vorsitzende des Deutschen Hebammenverbands in Baden-Württemberg. Die Versorgung im Land sei mittlerweile lückenhaft, warnt die Backnangerin.

Die Unterstützung in Dettingen und Breisach finde sie zwar „auf den ersten Blick klasse“, beim näheren Hinsehen kritisiert sie solche Zuschüsse aber als das Stopfen von Löchern. Die Hebammen fordern von der Politik eine tragfähige Lösung, etwa durch Haftungsobergrenzen mit einem Haftungsfonds. Der Dettinger Bürgermeister Rainer Haußmann will nun einen runden Tisch bilden – auch unter Beteiligung von Bundestagsabgeordneten. Mit Michael Hennrich (CDU) stehe er deswegen bereits in Kontakt, so Haußmann.