Die Dauerkrise hält Griechenland im Würgegriff. Immerhin gehen die Kommunen mit deutscher Hilfe neue Wege, wie sich bei der sechsten Deutsch-Griechischen Versammlung in dieser Woche auf der Peloponnes zeigen wird. Baden-Württemberg ist Motor der Bewegung.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Hans-Joachim Fuchtel, der Merkel-Beauftragte für die deutsche-griechische Zusammenarbeit, lässt nicht locker: Wen der CDU-Staatssekretär aus dem Nordschwarzwald als Mitstreiter einspannt, der bringt sich fortan voll in die Sache ein. So kann Fuchtel auf etliche Persönlichkeiten zählen, die mit ihm ein in Europa einzigartiges, bilaterales Netzwerk aus Kommunen, Gesellschaft und Wirtschaft vorantreiben. Roger Kehle, der Vize-Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, ist darunter, die Landräte Gerhard Bauer (Schwäbisch Hall) und Helmut Riegger (Calw), sowie Otto Kentzler, einst Präsident des Handwerksverbandes. Engagierte Kommunalvertreter aus dem Südwesten wie auch der Steinacher Bürgermeister Frank Edelmann haben eine wichtige Koordinationsfunktion. Die Idee, beim Aufbau des griechischen Staatswesens zu helfen, hat aber auch bundesweit Anklang gefunden. „Die Baden-Württemberger sind die Impulsgeber der Bewegung“, sagt Fuchtel. „Aber sie sind nicht mehr allein.“

 

Von diesen Donnerstag bis Samstag wird wieder Bilanz gezogen – bei der sechsten Deutsch-Griechischen Versammlung in Nafplio auf der Halbinsel Peloponnes. Auch Justizminister Guido Wolf (CDU) hat sich für Freitag angesagt – trotz seiner Brüche, die er sich jüngst beim Sturz mit dem Mountainbike zugezogen hat. Dabei werden viele Leuchtturmprojekte vorgestellt – zur Nachahmung empfohlene „Know-how-Partnerschaften“, wie Fuchtel zu sagen pflegt. „Nach Jahren härtester Arbeit sehen wir die ersten Früchte“, betont er. Es gebe einige Kooperationen, die sich ohne sein Zutun bildeten. Dies zeige, dass der Ansatz tragfähig sei. Der Mann rackert selbst wie kein Zweiter für die Griechen – das sei „wie ein zweiter Job“ für ihn, sagt er.

Auch die Kammern kooperieren

Fuchtel zählt eine Vielzahl von Fortschritten in unterschiedlichen Bereichen auf – etwa die Partnerschaften zwischen Nürnberg und Kavala oder der Insel Thassos und dem Landkreis Reutlingen hervor. In Nafplio werden zudem etliche Kommunalvertreter aus den neuen Bundesländern mitreden. Die dort in der Nachwendezeit gemachten Erfahrungen, „können für die griechischen Kommunen von besonderem Wert sein“, sagt Fuchtel.

Otto Kentzler wiederum hat bisher zwölf Kammern in Deutschland zu Patenschaften bewegen können. Der Ehrenpräsident des Deutschen Handwerks hat sich dazu mit dem Präsidenten der griechischen Wirtschaftskammer, Konstantinos Michalos, zusammengetan. Unlängst haben die Kammern von Piräus und Hamburg eine Vereinbarung unterzeichnet.

Neu entwickelt wurde die Internetplattform „ProGreece“, über die griechische Unternehmen deutschen Firmen personelle und technische Überkapazitäten bei der Auftragsfertigung sowie in Dienstleistungsbereichen anbieten. Mehr als 800 Firmen sind auf der Plattform registriert, darunter 750 Anbieter aus Griechenland.

Stolz auf erste neue Investitionsbank

Besonders stolz ist Fuchtel darauf, die Procredit-Bank nach Griechenland gebracht zu haben. In Thessaloniki wurden erste Filialen eröffnet – dies sei ein „großer Schritt“, um kleinen und mittelständischen Firmen den Zugang zu Mikrokrediten zu ermöglichen – „der Schlüssel für Investitionen in den Kommunen“. Die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) und anderen Förderinstitutionen gehaltene Bank ist spezialisiert auf Kreditvergaben in Ländern mit wirtschaftlicher Schieflage. Die Kreditklemme ist ein zentrales Problem: Griechenland leide extrem unter mangelnder Kapitalisierung der kleineren Betriebe, sagt Fuchtel. Um Procredit anzusiedeln, musste er „feinfühlig“ vorgehen. Nun seien die ersten Kreditanträge alle bewilligt. Ein Problem sei nur, dass es die Griechen bisher kaum gewohnt seien, Sicherheiten zu bieten.

Zusätzlich belastet werden die Kommunen von der Flüchtlingskrise. In den Regionen Zentralmakedonien und Ostmakedonien-Thrakien, sowie in Attika und der Nordägäis seien viele Camps entstanden, schildert Fuchtel. Gemeinden und Bürger würden sich dort stark einbringen. Auf der Peloponnes hingegen seien nur sehr wenige der derzeit 60 000 in Griechenland lebenden Flüchtlinge untergebracht.

Fuchtel zieht an allen möglichen Strippen: Gemeinsam mit dem Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) unterstützt die Deutsch-Griechische Versammlung die am heftigsten betroffenen Kommunen. Der ASB hat mit einer Spende von fünf neuen Rettungstransportern dazu beigetragen, die medizinische Versorgung auf den Inseln Samos und Lesbos, in Idomeni und in den Camps in Attika zu verbessern. Ein Fahrzeug wurde an die Wohlfahrtsorganisation der griechisch-orthodoxen Kirche übergeben, die sich stark einbringt.

Schleppender Prozess bei Müllbeseitigung

Bei so viel Problemen im Lande erscheint das Kommunalbündnis wie eine Idylle inmitten des Sturms. Auch die Regierung von Alexis Tsipras zeigt sich nun aufgeschlossen. Nachdem Syriza im Januar 2015 an die Macht gekommen war, brauchte es lange, bis die Regierung ihre Skepsis abgelegt hatte. Auch mangelte es in den Kommunen an adäquaten Ansprechpartnern. Nun hat sich die Administration auf die Zusammenarbeit besser eingestellt.

Zu wenige Fortschritte sieht Fuchtel bei der Müllbeseitigung: „Wenn es nach mir ginge, würde hier längst eine neue Technologie im Bereich der Abfallwirtschaft angewandt werden“, sagt er. Viele Fachveranstaltungen habe es dazu gegeben. Dass die dort vorgestellten Alternativen zur Mülldeponierung „bis heute nicht umgesetzt wurden, ist nicht leicht zu vermitteln“.

Man muss aber nicht jede Kooperation bierernst nehmen: Vor wenigen Wochen hat Fuchtel in Athen mit Vize-Regierungschef Giannis Dragasakis konkrete Projekte erörtert und vier Minister getroffen. Es stellte sich heraus, dass der Umweltminister in seiner Studentenzeit bei der Alpirsbacher Klosterbrauerei gearbeitet hat. „Wir haben uns vorgenommen, dies aufleben zu lassen, indem wir uns beide mal einen halben Tag als Helfer anbieten“, sagt er. Wie man ihn kennt, setzt er dies sicher in die Realität um.