Die Bundeskanzlerin will mit Transitzonen Menschen ohne Asylanspruch umgehend zurückschicken. Österreich will das „Asyl auf Zeit“ versuchen. Der Wiener Außenminister Sebastian Kurz kritisiert die bisherige Berliner „Einladungskultur“.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Wien - Michael Häupl von der SPÖ, der alte und neue Wiener Bürgermeister, muss im Augenblick nicht mehr viel sagen, auch wenige Worte eines Wahlsiegers, der mit den Grünen die rechtsradikale und latent fremdenfeindliche FPÖ in der Hauptstadt im letzten Moment doch noch klar niederhalten konnte, haben erhebliches Gewicht. Ob sie freilich an Regierungsbeschlüssen etwas ändern können, ist doch zweifelhaft. Also stehen die Dinge in Wien auf Konfrontation. Häupl nämlich hat erklärt, was er von der Verschärfung des Asylrechts hält, die SPÖ und ÖVP am 15. November in der großen Koalition rückwirkend auf den Weg bringen will: „Ich halte das für keine gute Idee.“ Deutlicher noch wurde die Sozialstadträtin Sonja Wehsely, die der Bundesregierung unter dem Sozialdemokraten Werner Faymann „Alibi-Aktionen“ und „Scheinaktivität“ unterstellt. Das sind Vorwürfe, mit denen Faymann leben muss, seit er an der Regierung ist. Er lächelt zum Schein – und in der Flüchtlingsfrage gerne an der Seite von Angela Merkel –, substanziell aber hat seine Regierung keine großartig durchdachten Pläne.

 

Wer definiert das Ende von Kriegshandlungen?

Der jüngste Entwurf sieht zumindest auf den ersten Blick nach einer Überlegung aus: Österreich führt ein „Asyl auf Zeit“ ein. Das würde die Aufenthaltsdauer für Flüchtlinge auf drei Jahre begrenzen. Sollte sich in diesem Zeitraum die Lage im Herkunftsland so weit stabilisieren, dass eine Rückkehr nicht unmöglich erscheint – als formales Beispiel dient eine Unterbrechung des Kriegsgeschehens –, wäre Österreich nicht mehr verpflichtet, den Flüchtlingen zu helfen, und könnte sie zur Heimkehr veranlassen. Wer definieren will, was das „Ende von Kriegshandlungen“ bedeutet, danach fragt die Regierung Faymann/Mitterlehner nicht. Stattdessen holt sie sich argumentative Unterstützung bei der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), die immer schon gesagt hat, das Asylrecht dürfe „nicht zum Zuwanderungsinstrument verkommen“.

Auffällig ist, dass die ÖVP sich in der Debatte über die Praktikabilität einigermaßen duckt, während Teile der SPÖ, aber auch alle Grünen, Neos und selbst das arg zerrupfte Team Stronach offen zum Widerstand aufrufen. Sie sind sich einig darin, dass „Asyl auf Zeit“ vor allem einen bürokratischen Mehraufwand bedeute. Zudem würde die Integration erschwert: Asylsuchende, von denen nicht sicher ist, ob sie bleiben dürfen, dürften gewiss als  vernachlässigenswerte Kategorie betrachtet werden.

Wien befürchtet totalen Kontrollverlust an EU-Grenzen

Andererseits war die Koalitionsregierung aufgefordert, irgendetwas zu tun, das entfernt nach einer Handlung aussah, denn Österreich – von der Bevölkerungszahl zehnmal kleiner als Deutschland – bearbeitet derzeit im Vergleich mindestens genauso viele Anträge: mehr als 500 pro Tag sind es, laut Auskunft des österreichischen Außenministers Sebastian Kurz (ÖVP). Kurz befürchtet, dass an den EU-Außengrenzen mittlerweile ein „totaler Kontrollverlust“ eingetreten sei, und es werde auf Dauer nicht funktionieren, wenn in Österreich an einem Tag 10 000 Flüchtlinge einträfen, aber nur 6000 nach Deutschland weiterziehen könnten. Kurz plädiert – im Übrigen mit demselben Argumentationsmuster wie der ungarische Staatschef Viktor Orban vor Wochen schon – für eine engere Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage. Gleichzeitig die Berliner „Einladungskultur“ zu pflegen, die er sehr skeptisch sieht, und die türkische Polizei die Grenzen dicht machen zu lassen verbiete sich aber.