Unüberhörbare Drohungen aus Ankara hat es bereits zuhauf gegeben. Doch davon will sich der Bundestag nicht einschüchtern lassen – und die Verbrechen an den Armeniern als Völkermord einstufen.

Berlin - Ungeachtet scharfer Töne aus der Türkei will der Bundestag die Verbrechen an den Armeniern durch das Osmanische Reich als Völkermord einstufen. Eine Mehrheit für den Entschließungsantrag von Union, SPD und Grünen an diesem Donnerstag gilt als sicher. Auch die Linksfraktion will ihm nach einem Bericht der „Kölner Stadt-Anzeigers“ (Donnerstag) geschlossen zustimmen.

 

Die Türkei als Rechtsnachfolger des Osmanischen Reiches hat für diesen Fall mit Gegenmaßnahmen gedroht. Sie hat die Gräueltaten zwar bedauert, bestreitet aber, dass es sich um einen Völkermord gehandelt habe. Der neue türkische Regierungschef Binali Yildirim nannte die Resolution „lächerlich“. Die Vorwürfe seien „aus der Luft gegriffen“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) haben zwar ihre Unterstützung für die Resolution zum Ausdruck gebracht, sind aber bei der Abstimmung voraussichtlich nicht im Bundestag anwesend. Außenminister Frank-Walter Steinmeier befindet sich auf einer Argentinien-Reise.

Bei den Massakern an den Armeniern 1915 kamen nach Schätzungen zwischen 800 000 und 1,5 Millionen Angehörige der christlichen Minderheit im Osmanischen Reich ums Leben.

Ankara verschärft den Ton

Ankara hat den Bundestag mehrfach vor der geplanten Resolution gewarnt. Am Mittwoch wurde der Ton nochmals schärfer. Regierungschef Yildirim, der als Gefolgsmann von Präsident Recep Tayyip Erdogan gilt, sagte nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu, bei einer Annahme der Resolution „werden unsere Beziehungen zu Deutschland natürlich geschädigt, darin besteht kein Zweifel“. Er hoffe, dass der Bundestag gegenüber den vielen türkischstämmigen Wählern in Deutschland „nicht die Ohren verschließt“.

Yildirim und Erdogan hatten am Dienstag mit Merkel telefoniert. Erdogan sagte danach, sollte der Bundestag die Resolution annehmen, würde das „diplomatische, wirtschaftliche, geschäftliche, politische und militärische Beziehungen zwischen den beiden Ländern“ schädigen. Auch drei der vier Parteien im türkischen Parlament, darunter die Regierungspartei AKP, verurteilten die Resolution scharf.

Türkische Gemeinde spricht von „Polit-Show“

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte mit Blick auf die Reaktionen aus Ankara, das „Drohgebaren“, das einige türkische Politiker an den Tag legten, sei „völlig unangemessen“. Deutschland werde sich auf keinen Fall erpressen lassen, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Donnerstag). In Berlin demonstrierten am Mittwochabend rund 1000 Menschen am Brandenburger Tor gegen die Resolution.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland sieht die Armenien-Resolution als „Politshow“ mit negativen Folgen für das ohnehin schwierige deutsch-türkische Verhältnis. „Durch die Resolution wird eine historische Frage mit der Tagespolitik vermischt, die zunächst wissenschaftlich aufgearbeitet werden müsste“, sagte der Bundesvorsitzende des Verbandes, Gökay Sofuoglu, der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Die Erklärung sei für Türken wie Armenier unverbindlich und nutzlos. Sie werde auch die Beziehungen zwischen Deutschen und Deutsch-Türken negativ beeinflussen.