In der kommende Woche wird die Bundeskanzlerin in der Türkei erwartet. Vorab zeigte sich Ankara verärgert über einen Auftritt von Can Dündar im Justizministerium.

Istanbul - Inmitten starker Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei reist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kommende Woche zu politischen Gesprächen nach Ankara. Die Kanzlerin werde am 2. Februar in der türkischen Hauptstadt sein, teilte ein türkischer Außenamtssprecher am Donnerstag mit.

 

Zugleich bezeichnete er eine Rede des türkischen Journalisten Can Dündar im Bundesjustizministerium als „Provokation“. Ein Sprecher der Bundesregierung bestätigte am Donnerstag die Reisepläne Merkels. Der türkische Außenamtssprecher Hüseyin Müftüoglu betonte, dass die „gemeinsamen Bemühungen“ zum Ausbau der Beziehungen „in die richtige Richtung“ gingen. Für Verärgerung sorgte aber, dass Dündar am Mittwochabend von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als Redner zum Neujahrsempfang ins Justizministerium eingeladen wurde.

Der frühere Chefredakteur der Zeitung „Cumhuriyet“ ist in der Türkei wegen eines Artikels über geheime Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts an islamistische Rebellen in Syrien angeklagt. Nach einer ersten Verurteilung wegen der Enthüllungen suchte Dündar Zuflucht in Deutschland, wo er sich seitdem aufhält. Dass er in Berlin nun als Vorkämpfer der Pressefreiheit gefeiert und von der Regierung eingeladen wird, sorgt in Ankara für Ärger. Müftüoglu sagte vor Reportern, es sei „den deutschen Vertretern mitgeteilt worden, dass dieser Schritt auf unserer Seite für Unbehagen sorgt und als Provokation betrachtet wird, zumal er zu einer Zeit kommt, da die Beziehungen auf dem Weg der Normalisierung sind, und Kanzlerin Merkel am 2. Februar unser Land zu besuchen plant“.

Verhältnis seit Monaten stark angespannt

Das Verhältnis Deutschlands und der Türkei ist schon seit Monaten stark angespannt. Die Türkei beschuldigt Deutschland insbesondere, nicht entschieden genug gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vorzugehen. Türkische Regierungsvertreter werfen Berlin regelmäßig vor, dass PKK-Mitglieder sich frei in Deutschland bewegen, Spenden eintreiben und neue Mitglieder rekrutieren könnten. Auch werde PKK-nahen Organisationen erlaubt, Demonstrationen und Veranstaltungen abzuhalten. Ankara beschuldigt die Bundesrepublik außerdem, mehreren gesuchten Mitgliedern der Gülen-Bewegung Zuflucht zu bieten. Auch unternehme sie nichts gegen die Schulen der in der Türkei als Terrororganisation eingestuften Bewegung. Die Bewegung des islamischen Predigers Fethullah Gülen wird in der Türkei für den gescheiterten Militärputsch vom 15. Juli verantwortlich gemacht.

Merkel war zuletzt im Mai vergangenen Jahres zu einem UN-Gipfel für humanitäre Hilfe in Istanbul. In den Monaten zuvor hatte sie mehrfach die Türkei besucht, um auf den Abschluss eines Abkommens zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegung nach Griechenland zu dringen. Im März schloss die EU daraufhin ein Flüchtlingsabkommen mit der Türkei, in dessen Folge die Zahl der Neuankömmlinge in der EU stark zurückging. Nach dem Umsturzversuch nahmen die Spannungen aber zu: Während sich die Bundesregierung besorgt über die Entlassung und Inhaftierung zehntausender angeblicher Gülen-Anhänger äußerte, warf die Türkei Deutschland mangelnde Solidarität vor. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) reiste Mitte November in die Türkei, doch trug der Besuch nicht zum Abbau der Spannungen bei. Nach dem Besuch in Ankara fliegt die Kanzlerin weiter zum EU-Gipfel in Malta, bei dem am kommenden Freitag erneut über die Zukunft der Europäischen Union ohne Großbritannien beraten werden soll.