Prosa oder Gedicht, Interpretation oder Erörterung? Am Paracelsus-Gymnasium in Stuttgart-Hohenheim haben einige Prüflinge aufs freie Schreiben gesetzt – und den Essay. Dafür musste man auch die Pflichtlektüren nicht gelesen haben.

Stuttgart - Der Schokoladenkäfer, den jeder der 47 Prüflinge am Paracelsus-Gymnasium in Stuttgart-Hohenheim auf seinem Platz vorgefunden hat, hat beim Abi-Auftakt am Mittwoch schon mal die Nerven gestärkt. Das kann nicht schaden, wenn man sich fünfeinhalb Stunden am Stück konzentrieren muss. Die Wahl des Themas in der Deutschprüfung stand allerdings für die meisten schon vorher fest. So war es für den 17-jährigen Philipp Wolf klar, dass er den Essay wählen würde – zu welchem Thema auch immer: „Essayschreiben ist für mich das Einfachste, weil man keine festen Formen einhalten muss, auch ironisch oder sarkastisch sein darf.“

 

Dass ihm das liegt, wusste der 17-Jährige schon von den vorigen Klassenarbeiten. Auch wenn „die Lehrer alle davon abgeraten“ hätten. Der Deutschlehrer Tobias Körner weiß, dass viele Schüler diese Form wegen ihres kreativen Ansatzes mögen. Die große Kunst beim Essay sei es aber, frei zu schreiben und trotzdem einen roten Faden zu finden. Und natürlich: eine Position. In diesem Fall zur leichten Sprache.

Der Abiturient Philipp Wolf hat sich für den Essay über leichte Sprache entschieden

Philipp Wolf fällt es nicht schwer, seine Haltung hierzu zusammenzufassen: „Leichte Sprache ist wichtig zur Integration und Inklusion – aber ansonsten lieber nicht einzusetzen“, meint der Schüler, „der Mensch gewöhnt sich sonst dran“. Dem Argument, dass beim Deutschabi am besten der Werkvergleich genommen werden solle, weil der doch am einfachsten sei, kann Philipp nichts abgewinnen – „das ist doch nicht das Ziel des Deutschabis“. Dass er seine Argumente zur leichten Sprache in viereinhalb Stunden und auf neun Seiten dargelegt hat, hält der 17-Jährige für ausreichend. „Wenn ich meine Gedanken rübergebracht habe, dann muss ich ja nicht noch viel mehr drüber schreiben“, meint der junge Mann, der „am liebsten sofort“ Politikwissenschaften studieren würde.

Auch Felix Leypoldt hat sich für den Essay entschieden. So habe er die Bücher nicht nochmal lesen müssen. Und überdies habe er den Essay auch in der letzten Klausur gewählt – „das war meine beste Deutschnote“, sagt er. Seine Oma habe immer gesagt: „Deutsche Sprache – schwere Sprache.“ Das war für Felix die Brücke zur leichten Sprache. Neun Seiten hat er verfasst. Aber nun sei er „einfach platt“.

Jonah Henneberg hat beim Gedichtvergleich „einfach losgelegt“

Jonah Henneberg hat sich für eine ganz andere Vorgehensweise entschieden, nämlich für den Gedichtvergleich. „Die meisten haben das als Einfachstes angesehen, weil es kurze Texte sind“, meint der 17-Jährige. „Man weiß, wie man vorgehen muss, sucht Gemeinsamkeiten – und dann legt man einfach los.“ Acht Seiten sind es dann auch bei ihm geworden. Und nach der Deutschprüfung geht es für Jonah erst mal zur Fahrstunde.

Eine Mitschülerin hat sich für den Werkvergleich Frisch/Stamm entschieden, „weil man sich da am besten vorbereiten kann“. Zwölf Seiten hat sie geschrieben und ist „froh, dass ich Deutsch weghabe – es ist die längste Arbeit“. Deutschlehrer Körner kann die Wahl gut nachvollziehen: „Beim Werkvergleich wissen die Schüler, was dran kommt.“ Und im Blick auf die Pflichtlektüren meint er: „Da zahlt sich der Lohn des Lesens aus.“

Der dickste Brocken kommt am Schluss: Mathe

Der für viele dickste Brocken steht aber erst noch bevor: Mathe. Aus Gründen der bundesweiten Zentralisierung des Abiturs wurde dieses Fach auf den Schluss der schriftlichen Prüfungen gelegt: am 2. Mai. „Mathe ist eklig“, meint der 19-jährige Abdu Hamim. Dass es so spät kommt, findet er allerdings vorteilhaft: „Man hat mehr Zeit, um auf Mathe zu lernen.“ Für Philipp macht das keinen großen Unterschied: „Ich vermute nicht, dass ich mehr als einen Punkt haben werde“, sagt er trocken.

Der stellvertretende Schulleiter Harald Schweinfurth meint zwar, „Deutsch ist für die Schüler ein guter Auftakt“. Auch psychologisch. Aber der späte Mathetermin sei „für die Mathelehrer ungünstig“. Denn somit verkürze sich ausgerechnet in einem Fach, das alle machen müssen, die Korrekturzeit. In dieser Woche geht es am Freitag erst mal mit Englisch weiter.