Berthold Huber, Vorstand Infrastruktur der Deutschen Bahn, hat in einem Interview den maroden Zustand des Netzes an Schienen eingeräumt.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Die Deutsche Bahn ist eine der zentralen Säulen für die Verkehrswende. Bis 2030 soll sich die Zahl der Fahrgäste verdoppeln, so das ambitionierte Ziel. Das Problem: Diese Säule ist einem ziemlich üblen Zustand. Nun beschreibt auch ein Topmanager der Bahn die Lage in düsteren Farben. „Zu voll, zu alt, zu kaputt“, so bringt der Infrastrukturvorstand Berthold Huber den Zustand auf den Punkt.

 

Eine so klare Analyse der Lage hat man selten von der Bahn selbst gehört

Huber macht im Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ klar den Bund verantwortlich und sagt: „Ein wesentliches Ziel der Bahnreform vor fast 30 Jahren war jedenfalls die Entlastung des Bundeshaushalts, deshalb wurde das Netz jahrelang auf Kosteneffizienz ausgerichtet.“ Der Bahnvorstand beklagt: „Wir fahren bereits mehr, als das Netz verkraftet. Da passt keine Maus mehr auf die Schiene.“

Eine so klare Analyse der Lage hat man selten von der Bahn selbst gehört. Michael Theurer (FDP), Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Beauftragter für Schienenverkehr, teilt die Lagebeschreibung von Huber und fasst sie in Zahlen. „Es gibt einen Finanzierungsbedarf von 87 Milliarden Euro in die Infrastruktur der Bahn bis 2027“, sagt er unserer Zeitung.

Der Begriff „Pofallas Erbe“ kursiert in Berlin

Tatsächlich kursiert in Berlin der Begriff „Pofallas Erbe“, wenn es um den schlechten Zustand der Bahn und des Schienennetzes geht. Ronald Pofalla war von 2017 bis April 2022 Infrastruktur-Vorstand der Bahn und damit Hubers Vorgänger. Vor seinem Engagement beim Staatskonzern war der CDU-Politiker zudem Kanzleramtsminister unter Angela Merkel (CDU). Aus Rücksicht auf die damalige Regierung habe er sich mit warnenden Worten zurückgehalten, unterstellt ihm mancher.

Warum meldet sich Huber jetzt also so lautstark zu Wort? Nach Ansicht von Insidern dürfte das vor allem zwei Gründe haben. Einerseits will die Bahn auf ihren gesteigerten Finanzbedarf aufmerksam machen, auch mit Blick auf die laufenden Haushaltsverhandlungen in der Ampel-Regierung. Das Geld vom Bund soll weiter fließen.

Huber schiebt die Schuld den vergangenen CDU-geführten Bundesregierungen zu

Außerdem ist die Gelegenheit günstig, um ein wenig von der Kritik abzulenken, die zuletzt auf den Konzern einprasselte. Im Frühjahr schreckte ein 33-seitiger Sonderbericht des Bundesrechnungshofs auf. Er attestierte der Bahn eine „Dauerkrise“. Darin wurde festgehalten, dass seit 2016 die Verschuldung der Bahn pro Tag um fünf Millionen Euro gestiegen sei. Trotzdem gebe es immer noch viele Verspätungen, kritisiert wurden außerdem die hohen Gehälter der Konzernmanager. Bei solchen Berichten werden die Rufe nach radikalen Lösungen lauter. CDU und CSU legten vergangenen Monat ein Papier vor, das vorsieht, die Bahn in ihrer jetzigen Form zu zerschlagen.

Doch Bahn-Manager Huber schiebt die Schuld den vergangenen CDU-geführten Bundesregierungen zu und achtete darauf, SPD, Grünen und FDP, die derzeit in Regierungsverantwortung sind, nicht zu sehr auf die Füße zu treten.

Schienenbeauftragter Theurer weist jedoch auch auf die Versäumnisse der Bahn selbst hin. „Die Bahn ist auch mitverantwortlich für diese Misere. Sie hat gesehen, dass man seit Jahren von der Substanz lebt und das System auf Verschleiß fährt. Doch viel zu lange hat – jedenfalls öffentlich – niemand Alarm geschlagen.“

Die Erwartung der Politik ist klar: Es muss besser werden – und zwar schnell.

Noch deutlicher mit seiner Kritik an der Bahn wird Matthias Gastel, bahnpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. „Die Deutsche Bahn muss sich allerdings auch fragen, wo sie selbst besser werden muss“, sagt er dieser Zeitung und nennt das Beispiel der Baustellenplanung. „Baustellen werden oft grottenschlecht geplant. Statt Bauarbeiten an einer Strecke zu bündeln, wird oft jedes Teilstück einzeln saniert“, sagt Matthias Gastel.

Michael Donth (CDU), Berichterstatter der Unionsfraktion für die Deutsche Bahn im Bundestag, fordert noch umfassendere Reformen für das Staatsunternehmen. „Natürlich sollten wir uns auch Gedanken über die künftige Struktur der Deutschen Bahn machen, weswegen wir den Vorschlag einer Trennung von Netz und Betrieb gemacht haben.“ Das wäre ein Ende der Bahn in ihrer jetzigen Form und damit ein Schreckensszenario für viele im Konzern. Die Erwartung der Politik an die Bahn ist klar: Es muss besser werden – und zwar schnell.