Nach dem überraschenden Abbruch der Tarifverhandlungen rief die Gewerkschaft EVG für Montagmorgen zu einem Warnstreik auf. Pendler und Fernreisende müssen sich auf viele Zugausfälle gefasst machen.

Berlin/Hannover - Die neue Woche beginnt für Tausende Pendler und Fernreisende ungemütlich: Bei der Deutschen Bahn wollen Beschäftigte mit einem bundesweiten Warnstreik am Montag die Arbeit niederlegen. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) rief für die Zeit von 5.00 bis 9.00 Uhr zum Ausstand auf. Es drohen Zugusfälle und Verspätungen im Regional- und Fernverkehr sowie bei den S-Bahnen.

 

Fernverkehr-Tickets sollen bis Dienstag gültig bleiben

Die Bahn erwartet, dass der Zugverkehr im ganzen Land „stark beeinträchtigt“ werden dürfte. Auch in den Stunden nach dem Warnstreik-Ende sei noch mit Störungen zu rechnen. „Die Deutsche Bahn setzt alles daran, die Auswirkungen auf ihre Kunden so gering wie möglich zu halten“, hieß es.

Unter anderem sollen Fahrgast-Betreuung aufgestockt werden. Unter der Rufnummer 08000 996633 wurde eine Hotline eingerichtet. Im Fernverkehr sollen alle für Montag gekauften Tickets bis Dienstag gültig bleiben, teilte die Bahn mit. Für bestimmte Spartickets werde zudem die Zugbindung aufgehoben. Im Fall von Reiseabsagen wegen des Streiks sind Erstattungen von Tickets und Reservierungen geplant.

„Die DB bedauert, dass die Reisenden, darunter viele Arbeitnehmer, in der Adventszeit möglicherweise mehr Zeit und Geduld aufbringen müssen, um an ihr Ziel zu kommen“, erklärte der Konzern. Die EVG nannte keinen regionalen Schwerpunkt für den Ausstand. Es werde bundesweit „in allen Bereichen“ gestreikt, sagte EVG-Sprecher Uwe Reitz.

EVG: Zu geringes Angebot Anlass für Warnstreiks

„Wir hoffen, dass der Bahnvorstand die Signale verstanden hat, sonst sind weitere Warnstreiks nicht ausgeschlossen“, fügte er hinzu. Die EVG werde erst dann an weiterverhandeln, wenn die Bahn ein neues, verbessertes Tarifangebot vorlege. Zuvor hatte das Unternehmen in einem Brief an die EVG-Führung appelliert, bereits am Montagnachmittag wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Am Samstag waren die Tarifparteien in Hannover ohne Ergebnis auseinandergegangen. Die EVG nannte ein aus ihrer Sicht zu geringes Lohnangebot des Konzerns als Anlass für die Warnstreiks. Die Bahn sprach hingegen von einer „völlig überflüssigen Eskalation“. „Bei diesem Angebot den Verhandlungstisch zu verlassen, ist nicht nachvollziehbar und verunsichert völlig unnötig unsere Kunden mitten in der Weihnachtszeit“, erklärte Personalvorstand Martin Seiler.

Zum Tarifangebot gehörten nach Bahn-Angaben eine Entgelt-Erhöhung von insgesamt 5,1 Prozent in zwei Stufen und eine Einmalzahlung von 500 Euro. Anstelle der zweiten Stufe sollte den Mitarbeitern erneut die Möglichkeit eröffnet werden, mehr Freizeit zu wählen. Dies sollte nach Darstellung der EVG aber erst ab Anfang 2021 möglich sein.

Treffen mit GDL vertagt

Von Freitag auf Samstag hatte die Bahn die ganze Nacht hindurch mit der EVG sowie separat mit der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) verhandelt. Beide Gewerkschaften hatten ursprünglich 7,5 Prozent mehr Geld gefordert.

Mit der GDL vertagte sich die Bahn auf diesen Dienstag in Eisenach. Hier sei man kurz vor dem Ziel, sagte Seiler. Die GDL zeigte sich mit dem Verlauf der dreitägigen Verhandlungen bisher „grundsätzlich zufrieden“. „Die erzielten Teilergebnisse rechtfertigen die Fortsetzung der Verhandlungen“, erklärte ihr Chef Claus Weselsky. So habe man Fortschritte bei der Gestaltung der Schichtpläne erzielt und sich auf die Höhe der Feiertags- sowie Nachtzulagen verständigt.

Der GDL sei bis zum Samstagmittag aber noch kein konkretes Angebot zum Entgelt vorgelegt worden, kritisierte Weselsky. Sollte die Bahn die Erwartungen enttäuschen, werde auch vonseiten der GDL „unmittelbar“ reagiert. Vor Weihnachten würden die Lokführer aber nicht streiken: „Wenn, dann rappelt die Kiste im neuen Jahr.“

Fahrplanwechsel bei der Bahn am Wochenende

Anders als die EVG kann die GDL derzeit nicht zu Streiks aufrufen, sie hat mit der Bahn eine Schlichtungsvereinbarung geschlossen. Dem „Tagesspiegel“ (Montag) sagte Weselsky: „Ich glaube, die EVG will auch mal zeigen, dass sie streiken kann.“ Ihr Ausstand treffe jedoch ein Unternehmen, das angesichts des Sparkurses schon geschwächt sei. „Da muss man als Gewerkschaft auch ein bisschen Rücksicht nehmen.“

Die EVG vertritt etwa 160 000 Beschäftigte der Deutschen Bahn im Inland. Die kleinere GDL verhandelt für einen Teil davon - rund 36 000 Beschäftigte des Zugpersonals, darunter vor allem Lokführer, Zugbegleiter und Bordgastronomen. Bahn-Vorstand Seiler hatte das Ziel ausgegeben, möglichst mit beiden Gewerkschaften „für gleiche Berufsgruppen auch zu vergleichbaren Ergebnissen zu kommen“.

Zum Wochenende griff bei der Bahn zudem ein Fahrplanwechsel. Es gibt mehr Züge und zusätzliche Verbindungen. Auch die Preise steigen allerdings - im Fernverkehr im Schnitt um 1,9 Prozent, bei Einschluss von Sonderangeboten und Rabatten um 0,9 Prozent.

EVG-Chef Alexander Kirchner, der auch im Bahn-Aufsichtsrat sitzt, kritisierte in einem Brief die nach seiner Einschätzung mangelnde Koordination zwischen Fern- und Regionalverkehr. „Eines der zurzeit gravierendsten Probleme ist der fehlende ganzheitliche Ansatz im Personenverkehr“, heißt es in einem Schreiben, aus dem die „Welt am Sonntag“ zitierte. Die Führung müsse entsprechend „neu aufgestellt“ werden - am besten durch einen einzigen verantwortlichen Vorstand, der dauerhaft für beide Sparten zuständig sei. Am Mittwoch soll das Kontrollgremium tagen, es geht um die mittelfristige Finanzplanung.