Der Stuttgarter Zeitung liegen interne Unterlagen der Deutschen Bahn vor, die mittelfristig ein düsteres Bild der Finanzsituation des staatlichen Schienenkonzerns zeichnen. Wenn es so weitergeht, steht er so schlecht da wie die einstige Bundesbahn.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Deutsche Bahn AG hat im Kerngeschäft massive Ertragsprobleme. Deshalb kann der größte Staatskonzern seine angekündigte Investitionsoffensive sowie die jährliche Dividende von 850 Millionen Euro für den Bund in den nächsten Jahren nur durch noch mehr Fremdkapital finanzieren. Das zeigen vertrauliche Ergebnisrechnungen des Staatskonzerns, die der Stuttgarter Zeitung vorliegen. Der bereits hohe Schuldenberg des Schienenriesen wird demnach von 17,6 Milliarden Euro (Stand: 30. Juni 2015) auf netto 22,2 Milliarden Euro im Jahr 2020 wachsen. Das ist mehr als die Hälfte des aktuellen Konzernumsatzes und mehr als das 40-fache des letzten Jahresüberschusses von 988 Millionen Euro (2014). Konzernchef Rüdiger Grube hat seit seinem Amtsantritt vor sechseinhalb Jahren wiederholt einen Schuldenabbau versprochen.

 

Tatsächlich sind die Verbindlichkeiten immer weiter gestiegen und sollen um nochmals mehr als ein Viertel ausgeweitet werden. Der zusätzliche Finanzbedarf von 4,6 Milliarden Euro ist dabei pikanterweise nicht weit von der Dividende von insgesamt 5,1 Milliarden Euro entfernt, die Grube bis 2020 bei Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abliefern soll. Kritiker werfen der Bundesregierung deshalb vor, die gefeierte schwarze Null im Bundesetat über den Schattenhaushalt des größten Staatskonzerns und dessen wachsende Verschuldung am Kapitalmarkt erreichen zu wollen.

Rechnet man weitere Verpflichtungen aus Leasingverträgen für Betriebsanlagen mit ein, werden bis 2020 sogar 28,2 Milliarden Euro erreicht. Damit ist die DB AG nicht weit vom ehemaligen Schuldenberg der früheren Deutschen Bundesbahn entfernt, der sich in der Spitze zusammen mit der früheren DDR-Reichsbahn auf gut 33 Milliarden Euro türmte. Mit der Bahnreform 1994 wurden damals die verlustreichen Behördenbetriebe vom Steuerzahler entschuldet und der DB AG als Nachfolger ein lastenfreier Neustart ermöglicht.

Weiterhin hohe Summen vom Staat

Ziel dabei war, mehr Verkehr auf die Gleise zu bringen und die Bahn wirtschaftlich zu machen. Weiterhin fließen allerdings hohe Summen aus der Staatskasse ins bundeseigene Schienennetz und den subventionierten Regionalverkehr, nächstes Jahr allein gut 14 Milliarden Euro. Trotzdem rechnet Bahnchef Grube in diesem Jahr wie berichtet mit einem Rekordverlust von 1,3 Milliarden Euro, weil im Fern-, Regional- und Güterverkehr die Geschäfte teils deutlich schlechter laufen und die Konkurrenz weiter Marktanteile erobert.

Wie sehr das die DB unter Druck bringt, zeigt sich im Fernverkehr, der ohne Bundeszuschüsse auskommen muss. Auf der Schiene hat der Ex-Monopolist hier kaum Wettbewerber, auf der Straße aber jagen Fernbusse mit Tiefpreisen den ICE-, IC- und EC-Zügen viele Fahrgäste ab. Die Folge: Der operative Gewinn der DB Bahn Fernverkehr wird den vertraulichen Unterlagen zufolge in diesem Jahr drastisch um mehr als ein Drittel auf nur noch 137 Millionen Euro (vor Steuern) sinken.

Die Zahlen aus dem Haus der neuen DB-Fernverkehrschefin Birgit Bohle legen das Dilemma schonungslos offen. Demnach werden in den Schnellzügen in diesem Jahr zwar mit 130 Millionen Passagieren sogar eine Million mehr Reisende unterwegs sein, was verkehrs- und umweltpolitisch erfreulich ist. Der Umsatz in dieser Sparte wird dennoch um 112 Millionen Euro auf noch gut 3,9 Milliarden Euro schrumpfen. Denn viele Fahrgäste kann der Konzern nur noch mit kaum rentablen Sparpreisen in die ICE locken, was zwar die Reisenden freut, aber die Gewinne schmälert.

Mit sinkenden Erträgen ist die geplante Kundenoffensive im Fernverkehr schwer zu finanzieren. Qualität, Service und Pünktlichkeit sollen durch längst überfällige Milliardeninvestitionen verbessert werden, was allgemein begrüßt wird. So sollen allein in die neue Hochgeschwindigkeitsflotte mit dem ICE 4 zwischen 2016 und 2020 rund vier Milliarden Euro fließen und danach nochmals knapp 3,7 Milliarden Euro. Insgesamt sieht die vertrauliche Projektplanung im Fernverkehr rund 11 Milliarden Euro Investitionen vor. Dafür reichen die laufenden Einnahmen des Fernverkehrs jedoch bei weitem nicht aus. Allein von 2018 bis 2020 wird die Finanzlücke beim Cashflow in Summe mehr als 1,8 Milliarden Euro betragen.