Die Bahn hat auch 2019 ihre Pünktlichkeitsziele verfehlt. Es gibt zwar leichte Verbesserungen, doch Reisende brauchen mitunter noch viel Geduld.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Im deutschen Zugverkehr gibt es weiterhin viele Verspätungen. Fast jeder vierte ICE und Intercity erreichte im abgelaufenen Jahr mit mindestens sechs Minuten Verspätung sein Ziel. Die Pünktlichkeit verbesserte sich um einen Prozentpunkt auf 75,9 Prozent. Der Trend sei aber positiv, erklärte die Deutsche Bahn AG bei der Bekanntgabe der Zahlen. „In neun von zwölf Monaten waren wir besser unterwegs als 2018“, betonte Konzernchef Richard Lutz.

 

Diese Entwicklung mache Mut, so Lutz. Die Strategie „Starke Schiene“ greife: „Wir kommen Stück für Stück voran.“ Das oberste Ziel sei, für die Kunden „einen zuverlässigen, pünktlichen Bahnbetrieb zu sichern“. Daran arbeiteten die Mitarbeiter in allen Bereichen. Im Dezember habe man 79,1 Prozent Pünktlichkeit geschafft und damit fast sieben Prozentpunkte mehr als im Monat zuvor. Am 24. Dezember kamen sogar 91 Prozent der Fernzüge halbwegs pünktlich an, ein selten erreichter Spitzenwert.

Bekanntlich gab es auch ganz andere Zeiten. So sank am 26. Dezember 2010 unter dem damaligen DB-Chef Rüdiger Grube die Pünktlichkeit auf nur noch 20,5 Prozent, vier von fünf Fernzügen waren im damaligen Chaoswinter verspätet. Als die internen und zunächst geschönten Zahlen öffentlich wurden, geriet auch der damalige Verkehrsminister Peter Ramsauer unter Druck. In der Folge wurde die DB verpflichtet, erstmals etwas aussagefähigere Statistiken zu veröffentlichen.

Doch weiterhin werden nur Verspätungen ab sechs Minuten und komplett ausgefallene Züge überhaupt nicht in der offiziellen Statistik erfasst. Zum Vergleich: In der Schweiz gelten Züge ab drei Minuten verspätet. In Japan entschuldigen sich die Bahnen schon bei kleinster Unpünktlichkeit, dort fahren die Hochgeschwindigkeitszüge allerdings auf einem eigenen Gleisnetz ohne Mischverkehr.

Aussagefähigere Statistiken gefordert

Die Gesamt-Pünktlichkeit aller Züge im Nah- und Fernverkehr gibt die DB AG für 2019 mit 93,8 Prozent Pünktlichkeit an. Auch das sei der beste Wert der letzten drei Jahre. Im Regionalverkehr bis meist 50 Kilometer sind wegen der kürzeren Entfernungen allerdings größere Verspätungen von mehr als sechs Minuten selten. Hier verbessern auch die dicht getakteten S-Bahnen das Ergebnis.

Für die Bahnkunden ist ohnehin die Pünktlichkeit auf der gesamten Reise entscheidend. Wenn Anschlüsse verpasst werden, kann sich die Reisezeit um Stunden verlängern. Das ist vor allem auch der Fall, wenn Züge ganz ausfallen, was gar nicht so selten passiert. So fielen zum Beispiel 2017 rund 140 000 Züge aus, wie die Regierung nach Anfragen aus dem Bundestag einräumen musste.

Deshalb werden von Experten schon lange aussagefähigere Statistiken gefordert. Seit einiger Zeit berechnet die DB AG für die täglich rund 400 000 Reisenden im Fernverkehr auch persönliche Pünktlichkeitswerte. Dazu werden die Buchungsdaten vieler Kunden mit den Ankunftszeiten von vielen tausend Bahnstationen verknüpft. Bei bis zu 16 Minuten Verspätung gilt die gesamte Reise noch als pünktlich. Dennoch sank diese „Reisenden-Pünktlichkeit“ 2018 von 84,3 auf nur noch 80,1 Prozent.

Sanierungsstau erfordert Geduld von Reisenden

Die Strategie „Starke Schiene“ soll die Zuverlässigkeit des deutschen Zugverkehrs erheblich verbessern. In neue Züge, bessere Infrastruktur, mehr Personal und Digitalisierung sollen bis 2029 nach DB-Angaben bis zu 200 Milliarden Euro fließen. Doch wegen des riesigen Sanierungsstaus wird den Reisenden noch für Jahre viel Geduld und Nachsicht abverlangt werden, weil die Maßnahmen erst allmählich greifen und täglich teils mehr als tausend Baustellen den Verkehr behindern.

Das zeigen auch die vertraulichen internen Zahlen aus dem Aufsichtsrat. Demnach wird es bis 2030 auch bei der Pünktlichkeit nur kleine schrittweise Verbesserungen geben. In der vertraulichen „Agenda für eine bessere Bahn“ wird bis 2023 ein Anstieg von 75 auf dann 81 Prozent erwartet, sofern die Maßnahmenpakete greifen. Auch 2030 werden demnach erst 85 Prozent erreicht.

Für das abgelaufene Jahr erwartete das Strategiepapier der DB-Spitze vom November 2018 übrigens eine Pünktlichkeit von wenigstens 76,5 Prozent. Zuvor waren immer wieder deutlich mehr als 80 Prozent angepeilt und versprochen worden. Doch alle diese Vorgaben hat der größte Staatskonzern regelmäßig verfehlt. Seit 2012 schaffte die DB AG in keinem Jahr mehr als 79 Prozent Pünktlichkeit.