Der drastische Gewinneinbruch der Deutschen Bahn legt die Schwächen des Ex-Monopolisten offen. Die Bundesregierung muss endlich gegensteuern, fordert StZ-Kommentator Thomas Wüpper.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Der drastische Gewinneinbruch bei der Deutschen Bahn sollte die Bundesregierung zum Nachdenken bringen. Zwanzig Jahre nach der Bahnreform sind die Systemfehler und Fehlentwicklungen nicht mehr zu übersehen. Der Umbau der alten Staats- und Behördenbahn zu einer global agierenden Aktiengesellschaft ist bei weitem nicht so gelungen, wie Bahnchef Rüdiger Grube gerne behauptet. Das spüren auch die Fahrgäste, die der größte Transportkonzern Europas mit Verspätungen, Zugausfällen, Servicemängeln und hohen Fahrpreisen verärgert.

 

Im internationalen Vergleich steht der hiesige Schienenverkehr zwar trotz aller Mängel und Peinlichkeiten wie dem Mainzer Sommerdebakel noch recht gut da. Der Preis dafür aber ist enorm hoch. Rund 334 Milliarden Euro hat allein der Bund von 1994 bis 2004 für den Schienenverkehr ausgegeben. Damit wurden Bahnhöfe, Gleise und Züge modernisiert und erneuert, der hoch subventionierte Nahverkehr finanziert, die Auflösung der maroden ostdeutschen Reichsbahn abgefedert, die Pensionen für Zehntausende Bahnbeamte bestritten und die Abfindungen von mehr als 150 000 Bahnmitarbeitern finanziert, deren Stellen schon im ersten Jahrzehnt der Reform gestrichen wurden.

Der Marktanteil der Schiene ist nicht gestiegen

Die Bahnreform sollte einen leistungsfähigen Transportkonzern schaffen, der für mehr Verkehr auf der Schiene sorgt und den Steuerzahler bei der Finanzierung des Bahnverkehrs entlastet. Diese Ziele wurden nur eingeschränkt erreicht. Die Marktanteile der Schiene im Personen- und Güterverkehr sind kaum gestiegen, der Bahnverkehr hängt weiter am Tropf des Staates und ist zudem auch wegen krasser Managementfehler ein zuverlässiger Lieferant von Negativmeldungen. Gemessen am gigantischen Aufwand ist das Ergebnis der Reform daher eher enttäuschend.

Umso mehr sind neue Weichenstellungen überfällig. Die Deutsche Bahn gehört dem Bund, der Steuerzahler finanziert den Schienenverkehr jedes Jahr mit zweistelligen Milliardenbeträgen, es geht um die Grundversorgung der Bürger mit nachhaltiger Mobilität. Das sollten für Verkehrsminister Alexander Dobrindt Gründe genug sein, endlich die Bahnreform nachzubessern und mit einer Verkehrsreform zu verknüpfen, die den Namen verdient. Die Politik muss für faire Rahmenbedingungen zwischen Auto, Flugzeug und Schiene einerseits sowie zwischen dem Ex-Monopolisten DB und den mehr als 300 Bahnen auf andererseits sorgen.

Sanierungsstau von 30 Milliarden Euro

Derzeit fehlt Geld selbst für dringlichste Aufgaben. Unlängst hat Bahnchef Grube den Sanierungsstau beim bundeseigenen Schienennetz auf sagenhafte 30 Milliarden Euro beziffert und sogar Streckensperrungen nicht ausgeschlossen, weil 1400 der 25 000 Bahnbrücken total marode sind. Seither fragt sich auch die Bundesregierung, wie effizient und sinnvoll der Konzern, der Gleise und Bahnhöfe verwaltet, das viele Steuergeld dafür einsetzt. Und auch in der fast fünfjährigen Amtszeit Grubes hat der Ex-Monopolist Milliardengewinne aus der subventionierten Netzsparte gezogen und in Zukäufe sowie teure Prestigeprojekte wie etwa Stuttgart 21 gesteckt.

Die Maßnahmen, um diese Missstände zu beheben, liegen auf der Hand. Dazu gehören die strikte Entflechtung von Netz und Betrieb bei der DB, um den Wettbewerb zu stärken und Quersubventionierungen zu unterbinden, wie das auch die EU-Kommission seit langem fordert. Unerlässlich sind zudem eine strengere Kontrolle und Regulierung des Staatskonzerns durch den Bund. Nötig ist überdies eine Neuausrichtung der Investitionen ins Netz. Im Mittelpunkt dürfen nicht mehr politische Prestigeprojekte stehen, sondern die Bedürfnisse der Bürger an flächendeckenden, bequemen und günstigen Reiseverbindungen. Dann steht die Bahn vor einer glänzenden Zukunft.