Beschließt der Bahn-Aufsichtsrat schon im Sommer eine erneute Erweiterung des Kostenrahmens?

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Stuttgart/Berlin - Im 20-köpfigen Kontrollgremium der Deutschen Bahn AG sieht man nach Informationen unserer Zeitung die Baurisiken und steigenden Baupreise für Stuttgart 21 mit Sorge, zumal noch ein Auftragsvolumen von rund 3,5 Milliarden Euro vergeben werden soll. Der Aufsichtsrat des klammen Staatskonzerns muss womöglich schon im Sommer eine erneute Erweiterung des Kostenrahmens für Stuttgart 21 beschließen.

 

Zum Jahreswechsel sind die kalkulierten Projektkosten von S 21 auf 7,694 Milliarden Euro gestiegen und lagen damit wie berichtet nur noch elf Millionen Euro vom genehmigten Höchstwert entfernt. Damit gilt es auch im DB-Aufsichtsrat als sehr wahrscheinlich, dass bereits wieder die Risikopuffer benötigt werden, die bei weiteren 495 Millionen Euro liegen und bis zum geplanten S-21-Start reichen sollen, der auf Ende 2025 verschoben ist.

Erst 2018 wurde der Finanzrahmen für S 21 drastisch erweitert

Die Kontrolleure hatten erst im Januar 2018 den Finanzrahmen für S 21 von 6,5 auf 8,2 Milliarden Euro drastisch erweitert. Der zuständige Bahn-Vorstand und frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla hatte damals einen großen Puffer durchgesetzt, um möglichst für einige Jahre weitere Schlagzeilen über erneute Kostenexplosionen bei S 21 zu vermeiden. Mit dem Erreichen der Kostengrenze von 7,7 Milliarden Euro steht das Thema intern aber nun schon wieder an, zumal der Aufsichtsrat den Informationen zufolge die Nutzung des Risikopuffers genehmigen muss. Ein Beschluss dazu steht in der Sitzung am Donnerstag nicht auf der Tagesordnung, könnte aber im Sommer oder Herbst zwangsläufig folgen.

Denn in der S-21-Kalkulation, die alle drei Monate nach Baufortschritt aktualisiert und dem Aufsichtsrat vorgelegt wird, werden aktuell allein weitere 46 Millionen Euro Kostenrisiken aufgeführt, die mit größerer Wahrscheinlichkeit zu Buche schlagen können. Die S-21-Projektgesellschaft versucht demnach, mit einem Einsparprogramm im Umfang von 50 Millionen Euro gegenzusteuern, das bisher nicht näher beschrieben ist.

Angesichts der Kostenrisiken und Finanzprobleme bei S 21 wächst der Ärger auch bei Experten im Bundestag. Er fühle sich von der Bundesregierung und der DB-Spitze „massiv getäuscht“, erklärte der FDP-Bahnexperte Christian Jung, der auch Mitglied des Verkehrsausschusses ist. Bahn-Chef Lutz habe ständig versichert, Stuttgart 21 unter Kontrolle zu haben. Auch Pofalla habe im Verkehrsausschuss betont, dass die erhöhte Kostengrenze von zusammen 11,8 Milliarden Euro für S 21 und die zugehörige ICE-Strecke Wendlingen–Ulm nicht überschritten werde.

Jung kritisiert das DB-Management scharf

Angesichts der weiter wachsenden Risiken sieht sich der FDP-Abgeordnete aus dem Wahlkreis Karlsruhe-Land in seiner Vermutung bestätigt, dass beide Projekte am Ende zusammen „eher 15 bis 20 Milliarden Euro“ kosten könnten. Für ihn stelle sich immer mehr die Frage, „ob das Management der Deutschen Bahn überhaupt in der Lage ist, vernünftige unternehmerische Prognosen abzuliefern, oder ob bewusst falsch mit frisierten Zahlen in den vergangenen Monaten informiert wurde“.