Die Deutsche Bahn will in Baden-Württemberg 26 Verladestellen schließen und an weiteren neun Standorten die Bedienung einschränken. Die umstrittenen Einschnitte gefährden Arbeitsplätze, führen zu noch mehr Lkw-Transporte und schaden Klima und Umwelt.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Rotstiftpläne von Bahnchef Rüdiger Grube gefährden in Baden-Württemberg viele Frachtbahnhöfe und Arbeitsplätze bei DB Cargo. Eine bisher vertrauliche Streichliste des Staatskonzerns sieht vor, dass 26 Güterverkehrsstellen in den DB-Regionen Kornwestheim, Ulm, Offenburg, Mannheim und Weil am Rhein bereits zum Jahresende komplett geschlossen werden sollen. Sechs weitere Logistikstandorte will die Deutsche Bahn nur noch bei Bedarf bedienen, an drei weiteren soll die Bedienung teils stark eingeschränkt werden.

 

Die harten Einschnitte bei der Bahntochter DB Cargo verursachen – wie mehrfach berichtet – seit Monaten große Unruhe im bedeutendsten deutschen Staatskonzern. Betriebsräte, Gewerkschaften und Politiker kritisieren die Kürzungspläne. Europas größte Güterbahn fährt seit fünf Jahren Verluste ein. Deshalb will DB-Chef Grube im Rahmen seines Sanierungskonzepts „Zukunft Bahn“ bundesweit mindestens 215 der noch 1500 Verladestationen schließen und wenigstens 2100 Arbeitsplätze streichen lassen. Weitere 53 Logistikstandorte sollen nur noch bei Bedarf bedient und an nochmals 101 Bahnhöfen die Bedienung reduziert werden. Zunächst war sogar die Schließung jeder dritten Verladestelle geplant.

Noch mehr Güter rollen dann über die Straße

Die aktuelle Streichliste wurde dem SWR-Fernsehen zugespielt und liegt auch unserer Zeitung vor. Die Kürzungspläne betreffen neben Baden-Württemberg besonders Ostdeutschland, wie die Streichliste und weitere interne Strategiepapiere beweisen. Allein in Berlin und Brandenburg sollen insgesamt 33 Frachtbahnhöfe geschlossen werden, das wäre mehr als ein Siebtel aller Stationen, die vor dem Aus stehen. Insgesamt sind im Osten 80 Schließungen vorgesehen.

Im Westen sollen in Bayern 30 und in Niedersachsen sowie NRW je 25 Verladestellen aufgegeben werden. Im kleinen Saarland soll ein Dutzend Verladestellen den Betrieb einstellen, in Rheinland-Pfalz sieben und in Hessen lediglich drei.

DB Cargo-Betriebsrat Thomas Pfarr hat die Kürzungspläne bereits scharf als „Irrweg“ kritisiert, da künftig noch mehr Güter klimaschädlich über die Straße rollen würden. Die DB-Spitze räumt in einem internen Strategiepapier, über das unserer Zeitung bereits exklusiv berichtet hat, sogar ausdrücklich ein, dass die „Verlagerung auf Lkw“ zu den „alternativen Bedienkonzepten“ gehören soll. Unter dem Dach des Staatskonzerns fährt mit der DB Schenker auch die größte Lkw-Spedition Europas.

Kritik von Seiten der Gewerkschaft

Die Deutsche Bahn betont, es seien noch keine Entscheidungen gefallen und die 215 von der Schließung bedrohten Standorte lieferten nur 0,4 Prozent des Gesamtumsatzes von DB Cargo. Die Verladestellen würden „nicht geschlossen“, sondern lediglich „nicht mehr angefahren“. Bei besserer Auftragslage könne man die Bedienung wieder aufnehmen. Ziel sei, Anfang 2017 mit der Umsetzung der Pläne zu beginnen.

Am 8. Juni berät der Aufsichtsrat erneut über die Rotstiftpläne, mit denen Konzernchef Grube den Transportriesen aus den tiefroten Zahlen bringen will. Das ursprüngliche Konzept vom Dezember 2015 sieht sogar die Aufgabe von 18 der bundesweit 39 dezentralen Standorte von DB Schenker Rail vor und die Schließung von mehr als 400 Frachtbahnhöfen. Die Eisenbahnverkehrsgewerkschaft (EVG) hat dafür aber die Zustimmung verweigert und verlangt eine echte „Langfriststrategie“. Bisher sei nicht erkennbar, wie DB Cargo mehr Verkehr auf die Schiene bringen wolle, kritisierte EVG-Vorstand Martin Burkert Ende März. Die bisherigen Abbaupläne seien „nicht zustimmungsfähig“.

183 Millionen Euro Verlust

Die EVG und der Betriebsrat besetzen die Hälfte der 20 Sitze im DB-Aufsichtsrat und können so entscheidend mitbestimmen. In Arbeitnehmerkreisen wird befürchtet, dass bei DB Cargo mittelfristig bis zu 5000 der noch knapp 31 000 Stellen wegfallen könnten. Auch die Verlagerung der Zentrale von Mainz nach Frankfurt wurde bereits erwogen. In der Gütersparte hat die DB voriges Jahr überraschend 1,3 Milliarden Euro außerordentliche Abschreibungen vorgenommen, die lapidar mit „Neubewertungen“ begründet werden.

DB Cargo hat allein 2015 rund 183 Millionen Euro Verlust eingefahren. „Qualität, Produktivität und Markterfolg unbefriedigend – Wirtschaftlichkeit kritisch“, so fassen DB-Manager und McKinsey-Berater die kritische Situation von Europas größter Güterbahn in internen Analysen zusammen. Seit 2011 habe die vormalige DB Schenker Rail acht Prozentpunkte Marktanteil verloren, bei Transporten der Autobranche sogar elf Prozent.

Das Hauptproblem ist die mangelnde Pünktlichkeit

An erster Stelle der Ursachen wird dabei selbstkritisch die mangelnde Qualität des eigenen Angebots genannt, also hausgemachte Fehler. So würden Zusagen an die Kunden „vielfach nicht eingehalten“, nur 67 Prozent der Komplettzüge seien pünktlich und nur 72 Prozent der Einzelwagen. Bei Autotransporten auf der Schiene liegt die Quote demnach nur bei 72 Prozent, bei der Zulieferung von Fahrzeugteilen sogar bei nur 60 Prozent. Sogar den Kunden versprochene Regelzüge würden abgesagt. Auch beim Containertransport profitiert DB Cargo kaum vom starken Wachstum im Güterverkehr, anders als konkurrierende Bahnen und Lkw-Speditionen.

Diese DB-Verladestellen in Baden-Württemberg sollen schließen

Das interne Papier „Zukunft Bahn @ DB Cargo“ führt unter der Überschrift „Wirtschaftliche Optimierung Nahbereich“ folgende 26 Güterverkehrsstellen in Baden-Württemberg auf, an denen die Bedienung eingestellt werden soll:

Appenweier (Ortenaukreis), Aulendorf Baulogistik (Kreis Ravensburg), Buchen Sansenhecken (Neckar-Odenwald-Kreis), Dumersheim (Rastatt), Einsingen (Ulm Stadt), Esslingen, Fellbach, Gochsheim (Karlsruhe), Heidelberg HauptbahnhofBaulogistik, Herbolzheim/Breisgau, Immendingen Holzverladung, Kirchheim (Neckar), Kressbronn und K-Marschall (Bodenseekreis), Langenschemmern (Biberach), Menzingen (Karlsruhe), Mosbach-Neckarelz (Neckar-Oenwald), Mühlhausen-Raiffeisen (Konstanz), Münzesheim (Karlsruhe), Ottenhöfen (Ortenau), Rossberg (Ravensburg), Schorndorf /Rems-Murr), Schwetzingen (Rhein-Neckar), Süßen (Göppingen), Tauberbischofsheim Nord, Wertheim Mainhafen

Weitere sechs Verladestellen sollen nur noch bei Bedarf bedient werden:

Horb (Freudenstadt), Karlsruhe Neureut, Konstanz, Philippsburg (Baden), Radolfzell, Rottweil

An drei Standorten sollen die Bedienzeiten gekappt werden:

Mannheim-Industriehafen und M-Rheinau, Crailsheim Flügelau

Falsches Signal - Wie die Bahn beim Gütertransport versagt

Mehr Verkehr auf die Schiene - dieses Ziel steht seit 50 Jahren auf der politischen Agenda, seinerzeit propagiert vom damaligen Verkehrsminister Georg Leber und danach von fast jedem Nachfolger. In der Realität hat sich der Lkw-Frachttransport auf der Straße seither mehr als versechsfacht, der Marktanteil der Schiene dagegen ist auf nur noch 17 Prozent geschrumpft.

Eine sehenswerte neue ARD-Dokumentation beleuchtet die Gründe dieses Niedergangs der Bahn. Der Film „Falsches Signal“ von Autor Hermann Abmayr ist am Mittwoch, 18. Mai, um 20.15 Uhr im SWR-Fernsehen zu sehen und danach in der Mediathek abrufbar. Wiederholungen im SWR (Do, 19.5.2016, 3:30 Uhr) und in Eins Plus (Mi, 25.5.2016, 11:45 Uhr sowie Do, 26.5.2016, 8:45 Uhr).

Nach Informationen des SWR-Bahnexperten hat die DB Cargo entgegen eigener Aussagen bereits ersten Kunden gekündigt, darunter paradoxerweise einem Steinbruch-Betreiber in Ottenhöfen (Schwarzwald), der seit 90 Jahren Schotter für den Gleisbau liefert. Auch dort soll der Frachtbahnhof geschlossen werden. Das Unternehmen müsste künftig Zehntausende Tonnen Baumaterial per Lkw liefern.