Die Deutsche Bahn und die Bundesregierung wollen den hochdefizitären Güterverkehr auf der Schiene voranbringen, um den Schadstoffausstoß im Verkehr zu senken.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Weniger Staus und bessere Luft – das wünschen sich viele Menschen in Deutschland. Die Verlagerung von Fracht auf die Schiene ist dafür eine zentrale Maßnahme. Und es ist eines der wichtigsten Ziele der neuen Konzernstrategie „Starke Schiene“ der Deutschen Bahn AG. Der Marktanteil der Frachtbahnen soll demnach bis 2030 von derzeit nur noch 18 auf 25 Prozent wachsen. In der Realität würde das jedes Jahr 13 Millionen weniger Lkw-Fahrten bedeuten. So steht es in einem vertraulichen 180-Seiten-Dokument für den DB-Aufsichtsrat und die Bundesregierung.

 

Die Klimaziele sind demnach nur mit einer starken Schiene erreichbar. Ein Lkw stößt pro Tonne und Kilometer fünf Mal mehr schädliche Treibhausgase als ein Frachtzug. Zudem sei der Transport auf der Schiene 40 mal sicherer als auf der Straße. So könne die Bahn Europas Wirtschaft besser und umweltschonend vernetzen – schon jetzt fährt fast die Hälfte der Transporte aller Güterbahnen über die Grenzen.

Das Problem: Im Wettbewerb mit dem Lkw werden die Bahnen benachteiligt. Zudem steckt der größte Anbieter DB Cargo auch wegen Missmanagements tief in der Krise. Die größte Frachtbahn Europas mit Sitz in Mainz hat dem Mutterkonzern Deutsche Bahn seit 2013 fast eine Milliarde Euro Verlustübernahmen beschert, wie exklusive Bilanzanalysen ergeben, die unserer Redaktion vorliegen. Bis April steht ein weiteres Minus von 98 Millionen Euro zu Buche.

Problemfall DB Cargo

DB Cargo ist der größte und teuerste Problemfall des Staatskonzerns. Seit der Bahnreform haben private Wettbewerber lukrative Aufträge und die Hälfte des deutschen Marktes erobert, auch in Europa sank der Anteil der DB-Tochter seit 2013 von 25 auf 20 Prozent. Rotstiftkonzepte der DB-Spitze führten zu heftigen Protesten der Belegschaft und Konflikten mit den Gewerkschaften, unter Ex-Chef Rüdiger Grube gab es massiven Streit und Blockaden auch im Aufsichtsrat. Das will die Regierungskoalition nicht noch einmal erleben. Deshalb hat die DB-Spitze auf Wachstum statt Schrumpfung umgeschaltet. Mit der neuen Strategie soll DB Cargo durchstarten und 70 Prozent mehr Güter bis 2030 transportieren. „Die Basis für die Trendumkehr ist gelegt“, heißt es im Strategiepapier. Bis 2023 sollen 100 neue Multisystem-Loks angeschafft werden, fast jede dritte Zugmaschine dann für den internationalen Verkehr einsetzbar sein. Insgesamt soll die Flotte um 300 Loks erweitert werden. Noch fehlen Zügen, Personal und Kapazitäten beim lange vernachlässigten Schienennetz. Die Folge: Lieferungen sind unzuverlässig und haben oft Verspätungen. Tausende Aufträge kann DB Cargo überhaupt nicht oder nur unzureichend erledigen, – weshalb die Fracht über die Straße rollt. Dabei sind die Chancen der Schiene gewaltig, wie erfolgreiche Frachtbahnen beweisen. Auch bei DB Cargo soll mit mehr Automatisierung und Digitalisierung der Transport künftig effizienter organisiert werden. So sollen alle Güterwagen bis 2023 mit intelligenter Sensorik ausgerüstet werden. Automatische Abfertigungen, bessere Steuerung und Vernetzung sollen die Produktivität und Pünktlichkeit erhöhen.

Masterplan Schienengüterverkehr

Das Netzwerk von mehr als 1000 verknüpften Verladestellen gilt als unersetzliches Rückgrat des Schienengüterverkehrs, weil es täglich 15 000 Lkw-Fahrten und so pro Jahr zwei Millionen Tonnen schädliche Treibstoffgase vermeidet. So steht es in den vertraulichen Unterlagen. Vor der Bahnreform gab es noch mehr als 13 000 Verladestellen in der Fläche, doch fast 90 Prozent wurden aufgegeben und der flexiblere und ungebremste Lkw-Verkehr übernahm mit den Jahrzehnten immer mehr Ladungen. Den Rückzug aus der Fläche verschärfte Ex-Chef Hartmut Mehdorn schon 2001 mit dem damaligen Abbauprogramm Mora C.

Mit der sinkenden Auslastung wurden die Verluste des Netzwerks immer höher. Voriges Jahr brachte der Einzelwagenverkehr – Züge mit einzelnen Waggons verschiedener Sender und Empfänger – mit 1,4 Milliarden Euro zwar noch rund 30 Prozent des Cargo-Umsatzes, aber auch ein noch höheres Minus von 211 (2017: 181) Millionen Euro. Seit 2014 häuften sich sogar mehr als 800 Millionen Euro Verluste an. Doch eine Aufgabe der Sparte gilt nicht mehr als Option. Zumal nur DB Cargo dieses Netzwerk anbietet und auch Stahl-, Papier-, Holz-, Auto- und Chemieindustrie die Angebote nutzen.

Der Konzern hofft nun auf bessere finanzielle Förderung zum Erhalt und Ausbau des Einzelwagenverkehrs, der in anderen Ländern ebenfalls verlustreich ist und deshalb teils staatlich unterstützt wird. Auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung wird eine Prüfung versprochen, die dem Vernehmen nach läuft. Immerhin hat die Koalition mit dem Masterplan Schienengüterverkehr die hohen Trassenpreise für Frachttransporte halbiert. Das Schienennetz soll zudem für längere Güterzüge ausgebaut werden.