Bodenständig und pflichtbewusst: So wird man Jürgen Fitschen in Erinnerung behalten, wenn er sich am Donnerstag das letzte Mal den Aktionären stellt. Aber auch als einen, der die Deutsche Bank kaum weiter gebracht hat.

Frankfurt - Zumindest Jürgen Fitschen werden die Aktionäre freundlichen Applaus spenden, auch wenn er in seinen vier Jahren als Co-Vorstandschef der Deutschen Bank keine glückliche Figur abgegeben hat. Statt das Geldhaus, wie von ihm und seinem vor knapp einem Jahr geschassten Co-Chef Anshu Jain versprochen, nach vorne zu bringen, den Kulturwandel zu stemmen und im klassischen Bankgeschäft mindestens drei Milliarden Euro im Jahr zu verdienen, gilt die Bank heute fast als Sanierungsfall. Den Ärger werden am Donnerstag bei der Hauptversammlung vor allem Ex-Co-Chef Jain und Aufsichtsratschef Paul Achleitner abbekommen. Nach dem Ende des Treffens wird John Cryan alleiniger Chef der Bank sein. Achleitner hatte ihn vor zehn Monaten geholt.

 

Ganz abtauchen wird Fitschen aber nicht. „Seine Erfahrung im internationalen Bankgeschäft ist nach vier Jahrzehnten einzigartig. Das möchten weder die Bank noch ich missen“, sagt Cryan. Also bleibt er zumindest als Teilzeitkraft weiter aktiv. Weniger mit Blick auf das internationale Geschäft, sondern auf Deutschland. Fitschen genießt bei deutschen Unternehmen und besonders im Mittelstand trotz aller Probleme der Bank einen untadeligen Ruf. Und der Norddeutsche hat gute Verbindungen in die Politik. All das fehlt Cryan, der sich seit seinem Amtsantritt vor allem um die internen Probleme und um ihre internationalen Kunden kümmert. Seine Kontakte in die deutsche Politik und zu Vertretern der Bundesregierung gelten als überschaubar. Nicht einmal unter deutschen Bankern wird der Brite häufig gesehen, auch wenn er mittlerweile im Vorstand des Bankenverbandes sitzt. Dort hat Fitschen das Amt des Präsidenten vor wenigen Wochen aufgegeben.

Ein pflichtbewusster Banker

Mit ihm geht der Typ eines klassischen und vor allem bodenständigen und pflichtbewussten Bankers, der heute kaum noch zu finden ist. Der Sohn eines Landwirts ist immer bescheiden aufgetreten. Allüren und Statussymbole sind Fitschen ein Graus. Bis zu seinem letzten offiziellen Arbeitstag hat er sich immer voll für die Deutsche Bank eingesetzt. Manchmal ging er auch zu weit, etwa als er sich beim hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier über eine Razzia in der Bank beschwerte.

Allerdings: Seine Zeit als Co-Chef der Deutschen Bank dürfte sich der 67-Jährige, stets freundlich und verbindlich auftretend, ganz anders vorgestellt haben. Zurück in die Mitte der Gesellschaft wolle er die Bank bringen, sagte er gemeinsam mit Jain im Sommer 2012. Den Kulturwandel wolle er einleiten, vom früheren Renditeziel von 25 Prozent verabschiedeten sich die beiden zwar. Aber zwölf Prozent sollten es schon sein. Tatsächlich ist die Bilanz der Ära Fitschen/Jain verheerend: Mehr als zwölf Milliarden Euro musste die Bank in dieser Zeit für Rechtsstreitigkeiten ausgeben – und noch immer sind 6000 Verfahren ungelöst – vom Kulturwandel ist wenig zu sehen, der Aktienkurs ist abgestürzt, der Verlust war 2015 mit fast sieben Milliarden Euro so hoch wie nie in der fast 150-jährigen Geschichte der Deutschen Bank. Die Dividende fällt für mindestens zwei Jahre aus. Filialen werden geschlossen, Tausende von Stellen gestrichen, von Zehntausenden von Kunden trennt sich die Bank.

Fitschen kam mit einem blauen Auge davon

Jain musste vor einem Jahr gehen, Fitschen durfte noch bleiben, aber nicht bis zum Ende seines Vertrages, der eigentlich bis Mai 2017 läuft. Er blieb Co-Chef der Bank, ist faktisch seit einem Jahr aber die Nummer zwei hinter Cryan. Viele Beobachter waren verwundert, dass Fitschen geblieben ist, auch nach dem faktischen Misstrauensvotum der Aktionäre auf der Hauptversammlung vor einem Jahr: Auch Fitschen wurde mit nur 61 Prozent der Stimmen entlastet. Normal sind mehr als 90 Prozent. Lange war unklar, ob Fitschen bei der Deutschen Bank auch juristisch unbelastet ausscheiden würde. Über ein Jahr lang stand er mit Ex-Bank-Chef Josef Ackermann und anderen Ex-Kollegen in München vor Gericht. Die Banker hatten im unseligen und für die Deutsche Bank fast eine Milliarde Euro teuren Rechtsstreit mit dem Medienunternehmen Kirch angeblich betrogen. Ende April aber wurden alle Angeklagten freigesprochen.