Erst hat die EU-Kommission Apple zu einer Milliardenzahlung verdonnert. Die scharfe Reaktion der US-Justiz gegen die Deutsche Bank könnte eine Retourkutsche sein.

Korrespondenten: Markus Grabitz (mgr)

Brüssel - Ist das Zufall? Keine drei Wochen nachdem EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager das US-Unternehmen Apple dazu verdonnert hat, 13 Milliarden Euro an den irischen Staat zu überweisen, gab es für die Deutsche Bank unangenehme Nachrichten aus den USA. Das Geldhaus soll umgerechnet 12,5 Milliarden Euro zahlen, um für dubiose Hypothekengeschäfte in den USA zu büßen, die zehn Jahre und mehr zurück liegen.

 

Experten, die sich mit den internationalen Handelsbeziehungen auskennen, sind alarmiert. Ist das eine Retourkutsche aus den USA für das Vorgehen der Kommission gegen das US-Vorzeigeunternehmen? Verschlechtern sich die Handelsbeziehungen mit den USA? Droht womöglich ein Handelskrieg?

Dass die Deutsche Bank für ihre Verfehlungen mit Immobiliendarlehen zahlen muss, war klar. Die Geschäfte, um die es geht, haben dazu beigetragen, dass in den USA 2008 die Immobilienblase platzte. Dadurch wurde weltweit eine Finanzkrise ausgelöst, viele Jobs wurden vernichtet. Auch andere Geldhäuser mussten in der Sache schon zahlen, etwa die Bank of America. Irritierend ist eher, dass die Forderung des Justizministeriums zu einem ungewöhnlich frühem Stadium der Verhandlungen mit den Deutsche-Bank-Anwälten bekannt wurde. Normalerweise werden Zahlen erst an die Öffentlichkeit gebracht, wenn sich beide Seiten angenähert haben. Analysten gehen davon aus, dass die Deutsche Bank am Ende mit einer Buße im niedrigen einstelligen Milliarden-Euro-Bereich davon kommen wird. Jetzt ist noch von dem Vierfachen die Rede.

US-Politiker beklagen, die EU diskriminiere US-Unternehmen

Zufall oder nicht? Die Wettbewerbs-Kommissarin selbst gibt sich unerschrocken. Auf die Frage, ob die US-Justiz wohl Vergeltung übe, sagte Vestager kürzlich in einem Interview: „Das ist schwer zu sagen. Es sind zwei völlig verschiedene Vorgänge, die nur eines verbindet: Beide müssen vor Gericht Bestand haben.“ Auch im Umfeld der Kommission wird eher die These vertreten, dass die Forderung an die Deutsche Bank nicht als Antwort auf den Fall Apple zu sehen ist. Es heißt aber, die Großwetterlage für die Handelsbeziehungen habe sich eingetrübt. Schon länger beklagen US-Politiker, die EU diskriminiere US-Unternehmen. Dennoch glaube man nicht an eine Abwärtsspirale. „Unsere Hinweise sind eher, dass die USA die Wirtschaftsbeziehungen stabil halten wollen“, hört man von EU-Diplomaten. Washington wolle keinen Handelsstreit mit Europa riskieren. Auch, weil es mit anderen Handelspartnern genügend Probleme habe.

Der Handelsexperte im Europaparlament, Markus Ferber (CSU), sieht die Sache ernster: „Der Zeitpunkt und die Höhe der Strafe muten wie eine Retourkutsche an.“ US-Behörden beklagten sich schon länger über eine vermeintliche Ungleichbehandlung. Dabei übersähen die USA, so Ferber weiter, dass die Kommission gar nicht direkt gegen Apple vorgehe, sondern gegen den irischen Staat, der Apple rechtswidrig ein Steuerprivileg verschafft hat. Ferber verlangt von den USA Mäßigung: „Ich kann die USA nur zu Zurückhaltung aufrufen.“

Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange (SPD), glaubt eher an Zufall. Er weist aber darauf hin, wie weit die Positionen in Brüssel und Washington auseinander liegen. Lange: „Wir haben völlig unterschiedliche Ideologien in der Wirtschaftspolitik.“ Die EU-Kommission etwa kämpfe für Wettbewerbsgleichheit im Binnenmarkt und ahnde unzulässige Staatsbeihilfen. „In den USA stehen die Bundesstaaten ungeniert miteinander im Wettbewerb, wer Unternehmen die günstigsten Angebote macht.“

Der grüne Wirtschaftspolitiker Reinhard Bütikofer mahnt Europa zu mehr Selbstbewusstsein: „Wir sollten nicht jedes Mal in Sorge vor einem Handelskrieg schreckerfüllt zurückstecken, wenn ein US-Unternehmen zetert.“ Die richtige Haltung sei: „Es ist uns egal, wir bleiben bei unserer Position.“ Es sei nun einmal tiefste europäische Überzeugung, dass der EU-Binnenmarkt weitgehend faire Marktbedingungen für alle garantieren müsse. So habe die EU-Kommission auch nicht Anstoß an den rekordniedrigen Unternehmen-Steuersätzen von 12,5 Prozent in Irland genommen. Sie schritt ein, weil Dublin im Fall von Apple annähernd gar keine Steuern forderte.