Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche-Bank-Tochter DWS legt sein Amt nieder. Der Fondsgesellschaft wird Täuschung beim Vertrieb von Nachhaltigkeitsfonds vorgeworfen.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Eigentlich sollte Klaus Kaldemorgen zum Thema Nachhaltigkeit gar nichts sagen. Denn über den Vorwurf, die Fondsgesellschaft DWS habe Finanzprodukte mit grünem Schein vertrieben, ist gerade sein Chef gestolpert. Doch bei der Frage, ob infolge des Ukraine-Kriegs auch Investitionen in Rüstungsunternehmen als nachhaltig einzustufen seien, kann der legendäre Fondsmanager seine Meinung nicht zurückhalten: „Ich glaube, es wäre eine schreckliche Botschaft, wenn Fondsmanager zum jetzigen Zeitpunkt in Aktien von Rüstungskonzerne investieren würden“, erklärt Kaldemorgen am Mittwoch in einem Pressegespräch – und legt später noch einmal nach: Als Kriegsprofiteur wolle er nicht dastehen.

 

So weit, so klar. Nicht ganz so einfach ist es mit den Vorwürfen, die der DWS am Dienstag Besuch von der Staatsanwaltschaft und in der Nacht zu Mittwoch einen Führungswechsel beschert haben. Erhoben wurden sie schon vor Monaten von der ehemaligen Nachhaltigkeitschefin der Vermögensverwaltungsgesellschaft, Desiree Fixler. Die Amerikanerin war im März 2021 kurz vor Ablauf ihrer Probezeit bei der DWS gefeuert worden und machte danach ihre Kritik an der Nachhaltigkeitsstrategie der Fondsgesellschaft publik.

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Das Schwierige an der Sache: Eine allgemein akzeptierte Definition von Nachhaltigkeit gibt es nicht. Der Versuch, in Form der sogenannten EU-Taxonomie Mindeststandards zu setzen, führte bekanntlich zu einer Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner: Investitionen in Atomkraft dürfen demnach als nachhaltig bezeichnet werden, genauso wie in klimaschädliches Erdgas.

Desiree Fixler geht es nach eigenen Angaben jedoch weniger um die Einstufung einzelner Investments als „um Falschdarstellung“, wie sie in einem Interview mit dem „Spiegel“ erklärte. Es bestehe ein erheblicher Unterschied „zwischen dem, was das Unternehmen nach innen sagt, und dem, was es nach außen kommuniziert“.

Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hegt den Verdacht, dass auch Fondsprospekte der DWS Falschbehauptungen enthalten: Es gebe Anhaltspunkte dafür, „dass entgegen den Angaben in Verkaufsprospekten von DWS-Fonds ESG-Faktoren nur in einer Minderheit der Investments tatsächlich berücksichtigt worden sind“, zitierte die Nachrichtenagentur dpa eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Das Kürzel ESG steht für die englischen Begriffe Environment, Social und Governance – also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung.

Verein Finanzwende begrüßte Wöhrmanns Rücktritt

Die DWS hat den Vorwurf, mit ihren ESG-Fonds Anleger zu täuschen, stets zurückgewiesen. Dennoch nimmt ihr Vorstandsvorsitzender Asoka Wöhrmann nun seinen Hut. Wöhrmann werde sein Amt unmittelbar nach der Hauptversammlung am 9. Juni niederlegen, teilte die Deutsche Bank in der Nacht zu Mittwoch mit, nachdem die Staatsanwaltschaft stundenlang Büroräume sowohl des Mutterkonzerns als auch der DWS gefilzt hatte. Neuer Chef des Vermögensverwalters wird Stefan Hoops, der bisher das Unternehmenskundengeschäft der Deutschen Bank geleitet hat.

Der Verein Finanzwende, der sich für eine grundlegende Reform der Branche einsetzt, begrüßte Wöhrmanns Rücktritt: „Die Vorwürfe auf Prospekt- beziehungsweise Kapitalanlagebetrug wiegen schwer und zeigen: Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt.“

Geschäftlich war die DWS in den vergangenen Monaten erfolgreich

Wöhrmann steht allerdings nicht nur wegen des Vorwurfs der Grünfärberei unter Beschuss. Hinzu kommen Kontakte zu einem Geschäftsmann, bei denen der Verdacht im Raum steht, Wöhrmann könnte private und geschäftliche Belange in fragwürdiger Weise vermischt haben. Die Vorwürfe seien „eine Belastung für das Unternehmen und auch für meine Familie und mich persönlich geworden“, teilte der DWS-Chef am Mittwoch mit. „Um die Institution und auch meine Familie zu schützen, möchte ich daher den Weg für einen personellen Neuanfang frei machen.“

Geschäftlich war die DWS in den vergangenen Monaten trotz der Vorhaltungen Fixlers erfolgreich, der Vorsteuergewinn lag im ersten Quartal klar über dem Vorjahresergebnis. Da war allerdings auch noch nicht die Staatsanwaltschaft im Haus. Fondsmanager Kaldemorgen gibt sich zuversichtlich, dass die Anleger ihm und seinem Team weiter Vertrauen schenken werden: „Wenn wir einen guten Job machen, wird das nicht leiden.“ Immerhin hat der DWS Concept Kaldemorgen – übrigens kein Nachhaltigkeitsfonds – seit Jahresbeginn kaum Verluste gemacht. Angesichts der Talfahrt an den Aktienmärkten ist das schon eine Leistung.