Die deutschen Finanzinstitute spielen im weltweiten Vergleich eine immer geringere Rolle. Politiker befürchten deshalb Nachteile auch für die Realwirtschaft. Experten halten die Schrumpfkur bei Deutscher Bank und Commerzbank aber für unumgänglich.

Korrespondenten: Barbara Schäder (bsa)

Frankfurt - Seit der Finanzkrise gelten Banker als Buhmänner. Doch neuerdings erfährt die Branche wieder viel Zuspruch: Vergangene Woche betonte Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) in einem Zeitungsinterview die Bedeutung leistungsfähiger Banken für die Wirtschaft. Ganz ähnlich äußerte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Am Dienstagabend reiste Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sogar nach Frankfurt, um dem wichtigsten Finanzplatz in Deutschland ihre Unterstützung zuzusichern.

 

Vordergründig ging es dabei um die Frage, wie Frankfurt im Zuge des britischen EU-Austritts von der Verlagerung von Bankgeschäften aus London profitieren kann. Doch die erhöhte politische Aufmerksamkeit, die dem deutschen Finanzsektor dieser Tage zuteilwird, dürfte auch mit dessen Problemen zusammenhängen: Nur Stunden vor Merkels Besuch in Frankfurt bestätigten sich Befürchtungen, dass die Deutsche Bank aus dem europäischen Leitindex Euro-Stoxx 50 fliegen wird, in dem die 50 wertvollsten Aktiengesellschaften der Eurozone vertreten sind. Trotz Führungswechsels und Rückkehr in die Gewinnzone haben die Aktien des Branchenprimus seit Jahresbeginn fast 40 Prozent an Wert verloren. Auch die zweitgrößte deutsche Privatbank, die Commerzbank, konnte die seit Jahren andauernde Talfahrt an den Börsen bisher nicht stoppen.

Ohne funktionierende Banken geht es nicht

Da tut ein wenig Anerkennung seitens der Politik gewiss gut. Auch Merkel unterstrich die Bedeutung der Banken für die Realwirtschaft, allerdings nicht ohne auf die Fehler der Vergangenheit hinzuweisen: „Was funktionierende Banken wert sind, haben wir ja vor zehn Jahren erlebt“, sagte sie mit Blick auf die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers 2008.

Nie wieder dürfe es geschehen, dass der Zusammenbruch eines einzelnen Instituts die Finanzmärkte weltweit erschüttere, hieß es damals. Auf den Punkt gebracht wird das Problem mit der englischen Umschreibung „too big to fail“ – Banken, die wie Lehman zu groß sind, um sie ohne Schaden für das gesamte System scheitern zu lassen. Doch nun scheint wieder ein anderes Motto in den Vordergrund zu rücken: „Big is beautiful“, der ursprünglich für Menschen mit Übergewicht erfundene Modeslogan. Bundesfinanzminister Scholz jedenfalls beklagte vergangene Woche auf einer Veranstaltung des „Handelsblatts“, „dass die Banken, die hier tätig sind, nicht die Größe und die Globalität haben, um die Unternehmen zu begleiten“.

Ranglisten nicht entscheidend

War es also falsch, dass sich Deutsche Bank und Commerzbank nach der Krise eine Schrumpfkur verordnet haben? Nein, meint Mike Kühnel, Kapitalmarktexperte bei der Managementberatung Bain & Company. „Wir müssen weg von der Frage: ‚Ist meine Bank die Nummer eins in einem bestimmten Geschäftsbereich?‘ Da können die Europäer momentan international kaum mithalten“, sagte Kühnel unserer Zeitung.

Entscheidend sei aber in der Tat, Unternehmenskunden alle für das weltweite Geschäft nötigen Dienstleistungen zu bieten, betont Kühnel und bricht eine Lanze für das umstrittene Investmentbanking: „Nur noch Kredite zu vergeben widerspräche den gestiegenen Bedürfnissen der Unternehmen. Ein Firmenkunde braucht für seine Geschäfte oft ein ganzes Paket aus Dienstleistungen, neben dem Kredit zum Beispiel eine Absicherung gegen Wechselkursschwankungen.“ Bedenklich für die europäischen Banken sei, dass auch diesseits des Atlantiks die US-Konkurrenz ihren Marktanteil ausbaue. Aber: „Dass die US-Banken hier Fuß fassen, hat weniger mit der mangelnden Größe der europäischen Banken zu tun – es gibt hauptsächlich strukturelle Defizite.“ Die sieht Kühnel vor allem bei der Erschließung neuer Geschäftsfelder mithilfe moderner Technologien wie Künstliche Intelligenz oder Datenanalyse.

Forscher warnt vor Lockerung der Zügel

Keinesfalls dürfe die Politik Klagen nachgeben, die nach der Finanzkrise verschärfte Regulierung benachteilige europäische Banken gegenüber den amerikanischen, warnt der Wissenschaftler Martin Hellwig. „Banken klagen immer über Regulierung. Wenn sie nicht klagen würden, müsste man sich fragen, ob die Regulierung überhaupt etwas bewirkt“, meint der Wirtschaftsprofessor und ehemalige Leiter des Max-Planck-Instituts zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Allen Sparrunden zum Trotz seien Größe und Vernetzung der Deutschen Bank bis heute eine Herausforderung für die Finanzstabilität: „Wir haben kein Verfahren, systemschonend mit einer Krise der Deutschen Bank umzugehen, ohne Mittel des Steuerzahlers einzusetzen.“

Für unsinnig hält Hellwig auch die in Finanzkreisen immer wieder diskutierte Idee, durch eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank eine Art nationalen Champion zu schaffen. „Wenn Sie zwei Fußkranke aneinanderbinden, bekommen Sie keinen Schnellläufer.“