Sechs Spiele, sechs Niederlagen – die deutschen Clubs haben im Europapokal diese Woche ein historisches Debakel erlebt. Und das liegt keineswegs am irrwitzigen Wettrüsten im internationalen Fußball, meint Sport-Redakteur Marko Schumacher.

Stuttgart - Für ihre zahlende Kundschaft im In- und fernen Ausland hat die Deutsche Fußball Liga (DFL) an diesem Wochenende wieder ein besonders umfangreiches Paket geschnürt. Auf gleich sechs verschiedene Anstoßzeiten verteilen sich die neun Bundesligapartien, darunter VfL Wolfsburg gegen den FSV Mainz oder Eintracht Frankfurt gegen den VfB Stuttgart – Topspiele also, die auch in China oder Chile Straßenfeger-Potenzial haben dürften. Alles live und in Farbe, sofern nicht wieder einmal die Technik irgendeines Bezahlsenders streikt.

 

So schön hat sich die DFL das alles ausgemalt in ihrem nicht nachlassenden Bemühen um noch mehr Geltung, noch mehr Glamour und vor allem: noch mehr Geld. Als glitzerndes Premiumprodukt trägt sie die Liga aus dem Land des Weltmeisters zu Markte – „Fußball wie er sein sollte“, so lautet das Motto der „globalen Wachstumsstrategie“, die DFL-Chef Christian Seifert im vergangenen Frühjahr vorstellte, in New York, wo sonst.

Das Produkt, das die DFL stolz zu Markte trägt, ist nur noch dritt- oder gar viertklassig

Nur eines haben die Wachstumsstrategen aus dem Frankfurter Westend nicht bedacht: Dass ihr Produkt, mit dem sie die (Sport-)Welt erobern wollen, nicht mehr erst- und nicht einmal zweitklassig, sondern nur noch dritt- oder gar viertklassig ist. Keinen anderen Schluss lassen die drei Europapokalabende in dieser Woche zu, in der die Bundesliga sich bis auf die Knochen blamiert hat und an einem historischen Tiefpunkt angelangt ist. Sechs Spiele, sechs Niederlagen - das hat es seit Einführung von Champions und Europa League noch nicht gegeben.

Ein Jahr wie dieses müsse „die Ausnahme bleiben“, das hatte Christian Seifert gegen Ende der vergangenen Saison gesagt, als erstmals seit 2005 keine deutsche Mannschaft ein Europapokal-Halbfinale erreichte – nicht einmal die Bayern, die bis dahin mit ihren Erfolgen die fehlende internationale Konkurrenzfähigkeit der Bundesliga kaschiert hatten. Dieses Jahr kommt es offenbar noch viel schlimmer. Jetzt scheint auch der Rekordmeister fürs Erste abgehängt – und der Rest noch überforderter als bisher.

In zwölf Europapokalpartien an zwei Spieltagen gab es nur einen einzigen Sieg

In Summe haben die sechs deutschen Clubs im Europapokal nach zwei Spieltagen von zwölf Partien nur eine einzige gewonnen (Bayern gegen Anderlecht) und nicht weniger als neun verloren. Es ist eine Bilanz des Grauens, die sich keineswegs mit dem aberwitzigen Wettrüsten auf dem Transfermarkt erklären lässt, das die Bundesligamanager gerne beklagen.

Die vielen hundert Millionen des neureichen Scheichclubs Paris St. Germain, der die altreichen Bayern am Mittwoch in ihre Einzelteile zerlegte, mögen das Financial Fairplay der Lächerlichkeit preisgeben; auch Real Madrid hat viel größere finanzielle Möglichkeiten als die ebenfalls nicht arme Dortmunder Borussia, bei der die Königlichen am Dienstag gewannen. Besorgniserregend hingegen wie problemlos am selben Abend Besiktas Istanbul ausgerechnet RB Leipzig die Grenzen aufzeigte. Am Geld kann das nicht liegen – davon haben die Sachsen mehr als genug. Dank des Brausemilliardärs Dietrich Mateschitz haben sie den Durchmarsch in die Bundesliga geschafft und dort gleich in ihrem Premierenjahr die Vizemeisterschaft gefeiert.

In der Bundesliga trifft sich das geballte Mittelmaß

Auch daran lässt sich das Niveau in Deutschlands Eliteklasse ablesen, in der spätestens bei Platz sechs das geballte und biedere Mittelmaß beginnt. Dass im Gegensatz zu den anderen großen europäischen Ligen (fast) jeder jeden schlagen kann, gilt gerne als Ausweis besonderer Attraktivität – ist in Wahrheit aber nur ein Beleg fehlender Klasse.

Noch aussagekräftiger ist das komplette Debakel, das die deutschen Clubs am Donnerstagabend in der Europa League erlebt haben. Als „Cup der Verlierer“ wird dieser Wettbewerb gern verspottet, was die Bundesliga-Teilnehmer leider allzu wörtlich nahm. Die TSG Hoffenheim unterlag einer Mannschaft namens Ludogorez Rasgrad aus Bulgarien – inklusive Champions-League-Qualifikation stehen bei vier Europapokalspielen nun ebenso viele Niederlagen in den Annalen des Dietmar-Hopp-Clubs.

Für Hertha BSC war sogar der Tabellensechste aus Schweden zu stark

Für den 1. FC Köln, erstmals seit einem Vierteljahrhundert wieder international dabei, erwies sich im eigenen Stadion Roter Stern Belgrad als eine Nummer zu groß. Und auch für Hertha BSC gab es nichts zu holen: Die Berliner verloren bei Östersunds FK, dem Tabellensechsten der schwedischen Liga, der vor sechs Jahren noch in der vierten Liga kickte und dessen gesamter Kader einen Marktwert von acht Millionen Euro hat. So viel Geld gab die Hertha in diesem Sommer aus, um den Leipziger Ersatzspieler Davie Selke zu verpflichten.

All das entlarvt die Bundesligaclubs, die mit ihrer ewigen Geld-schießt-Tore-Rhetorik und ihrem Klagen über die 50+1-Regel über eigene Unzulänglichkeiten im Scouting und fehlende Innovationsbereitschaft hinwegzutäuschen versuchen. Auf die vollen Stadien und die steigenden Umsätze haben sie immer gerne verwiesen und darin den Beleg gesehen, auf dem richtigen Weg in die Fußball-Moderne zu sein. Dass es ein Holzweg sein könnte, hat sich noch nie so deutlich gezeigt wie in dieser schwarzen Woche.