Wie sumpfige Flussauen in Ruanda zu ertragreichen Plantagen werden, die Tausende ernähren. Ein Vorzeigeprojekt in einem Land des Mangels und der Armut

Kigoma - Die Beine verschränkt wie eine Buddha-Statue, den Blick übers Tal schweifend, sitzt Bernhard Meier zu Biesen tiefenentspannt im Gras. Der 65-Jährige mit dem weißen Schopf genießt auf der Anhöhe den Erfolg von vielen Jahren Arbeit, es ist sein letzter Einsatz vor dem Ruhestand. „Die haben ihre nächste Ernte im Juni“, sagt der Entwicklungshelfer, „das meiste ist ordentlich bepflanzt.“

 

Vor ihm liegen die Flussauen des Mwogo, das Land gleicht einem Schachbrett. Akribisch in Parzellen zerteilt, von Gräben und Kanälen durchzogen, mal steht das Wasser kniehoch, mal sprießt ein unverschämtes Grün, drängen Setzlinge in die Höhe. Wo einst der Mwogo durch den Süden Ruandas mäanderte und sein sumpfiger Saum brachlag, wächst heute Reis. Er sichert die Ernährung und das Einkommen von 2500 Familien, oft mit fünf oder sechs Kindern.

650 Hektar Anbaufläche sind geschaffen worden

Die Felder sind Teil eines gewaltigen Projektes der Welthungerhilfe, 21 Millionen Euro teuer, der Großteil finanziert von der holländischen Regierung. In drei Flusstälern auf 650 Hektar sind Reisanbauflächen geschaffen worden. Das ist wichtig in einem Land der Unterernährung und Armut – knapp die Hälfte der Bevölkerung lebt von weniger als einem Dollar am Tag.

Bernhard Meier zu Biesen von der Welthungerhilfe vor den kleinen Reisfeldern Foto: Keck
Von der Anhöhe hinab bis zum Deich sind es nur ein paar Minuten zu Fuß. Der Entwicklungshelfer mit dem blauen Aktenordner unterm Arm kommt ins Schwärmen, wenn er von Ruanda erzählt, „einem Musterland, von dem sich viele andere afrikanische Staaten etwas abschauen könnten“. Der Agraringenieur hat Erfahrung auf dem Kontinent, fing in den 70ern in Tansania an, hielt sich wacker in Nigeria, verliebte sich in Äthiopien. Nicht nur die rigorose Abschaffung der Plastiktüten vor ein paar Jahren habe sich bewährt, auch die Korruption sei gering und die Zusammenarbeit mit den kommunalen Behörden funktioniere reibungslos.

Das ist entscheidend, denn die Welthungerhilfe hat ihr Projekt komplett in die Hände der lokalen Behörden und genossenschaftlich organisierten Reis-Kooperativen übergeben. Ein Rückzug nach Plan, der aufzugehen scheint. Bernhard Meier zu Biesen strahlt, als er unten am Deich, wo ein Nebenarm des Mwogo aufgestaut wird, ein Schleusentor inspiziert. Es ist frisch geschmiert, einige Schrauben sind erneuert. „Da hatte die Baufirma gepfuscht, das schloss nicht mehr richtig“, sagt der Entwicklungshelfer und ist begeistert, dass die neuen Eigentümer die Reparatur selbstständig in Angriff genommen haben.

Die Ernte reicht, um einen Teil zu verkaufen

Einer, der mitgeholfen hat, die Kanäle und Deiche zu bauen, ist Juvenal Hakizabera. Der 64-Jährige in Gummistiefeln hat tiefe Falten im Gesicht, er war einer von Tausenden, die für gut ein Euro am Tag zu den Schaufeln gegriffen haben, um ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem umzusetzen. „Dank des Geldes, das ich als Lohnarbeiter bekam, konnte ich für meine Familie eine Kuh kaufen“, erzählt der Familienvater, der neun Kinder zu ernähren hat.

Das Projekt brachte ihm nicht nur kurzfristig ein Einkommen. Wie viele andere Familien auch erhielt Hakizabera eine Reisparzelle zur Bewirtschaftung, gut 30 auf 30 Meter, genug, um einen Teil der Ernte weiterzuverkaufen an die Genossenschaft. „Mein Leben ist so viel besser geworden“, sagt der Reisbauer, der auf einen winzigen Hügel mitten im Flussdelta gezogen ist. Ohne Strom, die Nachrichten hört er auf einem batteriebetriebenen Radio – denn das mit dem Lesen geht nicht mehr, sein Augenlicht wird immer schwächer. „Schauen Sie, ich habe Bananen und Papaya“, zeigt er hinüber auf sein Zuhause. Dank Dünger und einem tüchtigen Saatgut habe er die Reisernte verdoppeln können, von 250 Kilo auf 500 Kilo im Jahr.

Im Jeep geht es weiter, das Tal entlang, vorbei an terrassierten Steilhängen. „Ohne Terrassen wäre das nicht möglich“, sagt Meier zu Biesen, der selbst von einem Bauernhof in Ostwestfalen stammt. Die Erosion zerpflüge das Land. Sogar die Ziegen müssten beim Grasen angepflockt sein, damit sie nicht alles kahl fressen, so schreibe es das Gesetz vor. Auch die Kraft des Flusses ist enorm, wenn er begradigt wird. Dann steigt sein Gefälle, reißt er mitunter die Böschung gleich mit. Das haben die Planer des Reisprojektes anfangs unterschätzt. „Da müssen wir dazulernen, auch wir machen Fehler“, sagt der Entwicklungshelfer. Mit quergelegten Holzstämmen, gut befestigt, lasse sich der Fluss etwas ausbremsen.

Eine Kooperative, um den Reis gemeinsam zu vermarkten

Die Anbaukooperative von Koaukigoma ist die letzte Station des Tages. Sie ist gegründet worden, damit die Bauern den Reis gemeinsam vermarkten, 547 Genossenschaftler wirtschaften besser als ein Einzelner, sie profitieren von den gemeinsamen Strukturen. Das fängt beim Transport an und hört bei der Reismühle, die von der Welthungerhilfe gebaut und vom Kreis zusammen mit den Kooperativen betrieben wird, noch lange nicht auf.

Herzlich ist der Empfang, lang sind die Reden. Präsidentin Josephine Mopenzi preist den bescheidenen Wohlstand, den der Reis in die Gegend gebracht habe. „Die Armut ist reduziert worden, das Projekt hat vieles zum Positiven verändert“, dankt die eloquente Rednerin und verweist darauf, dass es noch viele Hektar Sumpfland in Ruanda gebe, die in Reisplantagen umgewandelt werden könnten.

Es wird viel gelobt und gelacht, nur eines passt Josephine Mopenzi gar nicht: das ist der staatlich festgelegte Preis des Reises, den die Bauern erhalten. Unter dem Druck der billigen Importe aus Pakistan und Tansania sei er neulich gesenkt worden, von 250 auf 210 ruandische Franc pro Kilo. Die umgerechnet 22 Cent liegen aber nur knapp über den Erzeugerkosten. „Das ist nicht fair“, klagt die Präsidentin, „schmaler als zurzeit könnte unser Gewinn kaum sein.“